Konkurrenz am Kulturcampus: Wie wir dem ständigen Vergleichen entfliehen können
Im Kunsthochschul-Kontext wird häufig von Konkurrenz gesprochen. Insbesondere dann, wenn es um Eignungsprüfungen und Ausstellungen geht, werden Druck und Konkurrenzgefühle zum Thema gemacht. Wie empfinden das Studierende am Kulturcampus?

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An dem Kulturcampus finden nicht nur theoretische Lehrveranstaltungen statt, sondern insbesondere auch praktische Erfahrungen haben hier ihren Platz. Theater, Musik, literarisches Schreiben und Kulturjournalismus gehören gemeinsam mit den szenischen Künsten zur Bandbreite an Möglichkeiten, um im Zusammenhang mit den theoretisch orientierten Seminaren einen aktiven Diskurs zu ermöglichen. Dieser Campus versucht Theorie und Praxis zusammenzuführen und sich auf die Fahne zu schreiben, dass hier Raum zum Studieren und Ausprobieren gegeben wird. Doch gibt es an diesem Ort Konkurrenzgedanken?
Ich habe Studierende aus verschiedenen Fächern und Semestern anonym befragt. Das Ergebnis war ambivalent, aber dennoch eindeutig.
Konkurrenz als Motivation?
Viele der befragten Studierenden gaben an, dass sie sich vor Beginn ihres Studiums auf dem Kulturcampus kaum Gedanken über mögliche Konkurrenz gemacht hatten. Wenn überhaupt, hatten sie Sorgen in Bezug auf die Aufnahmeprüfung oder eine gewisse Angst, in der Masse unterzugehen. Die Erfahrungen während des Studiums zeigten jedoch, dass es große Unterschiede in Bezug auf die Ausprägungen und Hintergründe möglicher Konkurrenz und daraus resultierender Belastungen gibt. So berichteten mehrere Studierende der szenischen Künste von einem gewissen Druck, in bestimmte Kunstanforderungen seitens der Institution und der Lehrbeauftragten zu passen. Philosophiestudierende hingegen sprachen eher von einem unterschwelligen, meist im Individuum selbst verankerten Druck: Wenn sie sahen, wie viel Grund- und Vorwissen Mitstudierende bereits hatten oder welche philosophischen Bücher sie auch neben dem Studium lasen, konnten Selbstzweifel entstehen. Aber auch der Ansporn, einem bestimmten Standard gerecht zu werden, um mitreden zu können, konnte ein mögliches Ergebnis sein.
Es geht auch darum, mitreden zu können, in den Studiengängen des literarischen Schreibens: Hier schaut man häufig, wer schon veröffentlicht hat und wessen Namen bei den Dozierenden als vielversprechend vermerkt sind. In den meisten Fächern sind das jedoch Druckgefühle, die auch einen gewissen Ansporn oder zumindest das Gefühl mit sich bringen, dass man an der Domäne am richtigen Ort ist. Zu sehen, dass ein anderer Mensch bereits ähnliche Ziele erreichen konnte, die man sich selbst vielleicht gesetzt hat, kann auch zeigen, dass man das Richtige studiert. Diese Gefühle von Druck und Konkurrenz werden dabei nur in den seltensten Fällen offen ausgetragen und führen beinahe nie zu Spannungen innerhalb der Studierendengruppen.
Doch wie sieht das an anderen Kunsthochschulen aus?
Ich habe Sophie Ramirez, die unter dem Namen "Soff" an der Kunstakademie Düsseldorf arbeitet, befragt. Sie selbst kann Konkurrenzgedanken gar nicht zulassen, da sie der Überzeugung ist, dass sie niemanden weiterbringen würden. Sie seien ein falscher Ansatzpunkt, insbesondere im Kunstbereich, da jeder Mensch verschieden sei und kein Werk mit einem anderen direkt in Konkurrenz und Vergleich gesetzt werden könne, so Soff. Insbesondere wenn sie Ausstellungen eröffnet, mit namhaften Künstlern zusammenarbeitet oder neue Bilder für ein neues Magazin veröffentlicht, stößt Soff auf Konkurrenzgedanken, die ihr entgegengebracht werden. Vielleicht ist "Neid" das richtige Wort, um zu beschreiben, was aus Konkurrenzgedanken erwächst, wenn man nicht in einen gemeinsamen Diskurs tritt? Soff hatte sich vor allem einen Austausch mit Menschen erhofft, die ähnlich wie sie selbst sind — ausgefallen, bereits im Leben stehend und das Gegenteil von Konkurrenzgedanken, die aus Selbstzweifeln entstehen.
Ausgefallen aussehende Menschen
Auch hier zeigt sich, dass Kleidung ein Transportmittel für Druck sein kann, von dem Studierende aus unterschiedlichen Fachbereichen berichten. Es gibt eine unausgesprochene Erwartung, einem außergewöhnlichen und doch stereotypischen Mode-Ideal zu entsprechen, damit Außenstehende auf den ersten Blick erkennen können, wer einem kreativen Studiengang nachgeht. Dabei geht es darum, sich von der Masse abzuheben, ohne die eigene Individualität zu verlieren, um dazuzugehören. Diese Werte werden vom Philosophie-Institut ausdrücklich abgelehnt, obwohl es vor allem Philosophiestudierende sind, die von diesem Druck berichten.
Das Nebenfach Literatur ist schuld: Von enttäuschenden Erwartungen und fehlenden Zugängen
Insbesondere Studierende der Studiengänge "Philosophie, Künste und Medien" sowie "Kulturwissenschaften" berichten von Konkurrenzgedanken und Ärger im Nebenfach Literatur. Hier sei es schwierig, in bestimmte Schreibpraktiken hineinzukommen, um mit den ansonsten oft theoriebezogenen Hauptfächern in einen wirklichen Diskurs treten zu können. Obwohl es uniinterne oder von der Universität ausgehende Zeitschriften, Bücher und sogar einen Podcast gibt, sei es für Nebenfachstudierende fast unmöglich, diese Medien zu bespielen. Beispielsweise bietet die Landpartie nur Hauptfachstudierenden und literarischen Schreibenden die Möglichkeit, ihre Arbeit zu veröffentlichen. Auch zur universitären Literaturzeitschrift "Bella Triste", die heute jedoch auch darüber hinaus agiert, gibt es kritische Stimmen. Hier seien nicht nur wiederholte Einsendungen, sondern auch gute Kontakte notwendig, um im Magazin einen Platz zu bekommen. Insgesamt enttäusche das Nebenfach Literatur mehr, als es verspricht – so die Kritik. Es falle schwer, eine Idee vom Arbeitsmarkt zu bekommen, wenn bereits der Weg zu universitären Veröffentlichungen und Feedbackrunden so steinig ist, so schildert es eine Person im persönlichen Gespräch. Durch dieses Phänomen entstehe Konkurrenz: Nebenfachstudierende sprachen vermehrt von Konkurrenzgedanken dem Literaturinstitut und den literarischen Schreibenden gegenüber, einfach aus Frust darüber, selbst keinen Zugang zu Seminaren und zur Praxis zu haben, den sie sich gewünscht hätten.
Möglicherweise stecken auch falsche Erwartungen an einen höheren Praxisanteil hinter der Unzufriedenheit der Studierenden – aber studiert ein Mensch dann noch mit Freiraum, wenn ihm Zugänge verwehrt werden?
Ist auf dem Kulturcampus Platz für jede Kunst?
Aktive Konkurrenzgedanken mit möglichen Verstimmungen oder Auseinandersetzungen unter den Studierenden zeigen sich demnach am Kulturcampus kaum. Verbreiteter hingegen ist die Angst, innerhalb des breiten Spektrums an Auswahlmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt unterzugehen, wenn man keine passende Nische findet. Der Druck, den Anforderungen gerecht zu werden, ist jedoch spürbar. Insbesondere im Bachelor- und Masterstudiengang der szenischen Künste wird viel geklagt. Hier häufen sich Ängste, sich zu Wort zu melden oder eigene Ideen umzusetzen, so schildert es eine Mehrheit der Befragten. Studierende der Philosophie hingegen fragen sich, ob es für sie überhaupt vorgesehen ist, Kunst zu schaffen. Die Möglichkeiten seien, zumindest in Bezug auf Medien- und Theaterkollektive, vorhanden, außerdem gebe es die Möglichkeit, innerhalb der Philosophie selbst eigene Projekte durchzuführen.
Insgesamt lassen sich Konkurrenz- und Druckgefühle auf dem Kulturcampus in unterschiedlichen Kontexten finden.
Konkurrenz- und Druckgefühle wirken sich dabei in den meisten Fällen auf den Erfolg aus und sind je nach Studiengang unterschiedlich ausgeprägt. Während am Literaturinstitut vorrangig Konkurrenzgedanken hinsichtlich möglicher Berufschancen bestehen, treten bei Studierenden der Philosophie oder der Kulturwissenschaften vergleichende Muster in Bezug auf den Wissensstand auf. Im Bereich der szenischen Künste hingegen richtet sich die Konkurrenz auf das eigene Schaffen, teilweise noch bevor die Kunst überhaupt entsteht.
Das Literaturinstitut aus der Sicht der Nebenfächer*innen
Viele der befragten Studierenden äußerten Vorurteile gegenüber dem Literaturinstitut, insbesondere diejenigen, die im Nebenfach Literatur studieren. Hier wird vermutet, dass es besonders viel Konkurrenz und Druck gibt. Diese Vorurteile gründen vor allem auf eigenen Erfahrungen, wie beispielsweise falschen Erwartungen an einen höheren Praxisbezug im Nebenfach Literatur oder dem Ärger darüber, dass man nicht für uniinterne Veröffentlichungen schreiben kann. Der eigene Frust wird auf das Institut als solches übertragen und prägt damit ein Bild von Konkurrenz.
Das Literaturinstitut aus der Sicht der Hauptfächler*innen
Diese Annahme von Konkurrenz wird vom Literaturinstitut selbst vehement abgelehnt. Studierende des literarisches Schreibens nehmen Konkurrenz in der Form nicht wahr. Hier sei vielmehr ein angenehmes und unterstützendes Ambiente an der Tagesordnung.
Deutlich wird: Die Institute wirken von außen oft anders, als sie in der Praxis dann tatsächlich sind.