Konkur­renz am Kultur­campus: Wie wir dem stän­digen Verglei­chen entfliehen können

von | Apr. 1, 2023

Im Kunst­hoch­schul-Kontext wird häufig von Konkur­renz gespro­chen. Insbe­son­dere dann, wenn es um Eignungs­prü­fungen und Ausstel­lungen geht, werden Druck und Konkur­renz­ge­fühle zum Thema gemacht. Wie empfinden das Studie­rende am Kulturcampus?

Foto: Pixabay

An dem Kultur­campus finden nicht nur theo­re­ti­sche Lehr­ver­an­stal­tungen statt, sondern insbe­son­dere auch prak­ti­sche Erfah­rungen haben hier ihren Platz. Theater, Musik, lite­ra­ri­sches Schreiben und Kultur­jour­na­lismus gehören gemeinsam mit den szeni­schen Künsten zur Band­breite an Möglich­keiten, um im Zusam­men­hang mit den theo­re­tisch orien­tierten Semi­naren einen aktiven Diskurs zu ermög­li­chen. Dieser Campus versucht Theorie und Praxis zusam­men­zu­führen und sich auf die Fahne zu schreiben, dass hier Raum zum Studieren und Auspro­bieren gegeben wird. Doch gibt es an diesem Ort Konkurrenzgedanken?

Ich habe Studie­rende aus verschie­denen Fächern und Semes­tern anonym befragt. Das Ergebnis war ambi­va­lent, aber dennoch eindeutig.

Konkur­renz als Motivation?

Viele der befragten Studie­renden gaben an, dass sie sich vor Beginn ihres Studiums auf dem Kultur­campus kaum Gedanken über mögliche Konkur­renz gemacht hatten. Wenn über­haupt, hatten sie Sorgen in Bezug auf die Aufnah­me­prü­fung oder eine gewisse Angst, in der Masse unter­zu­gehen. Die Erfah­rungen während des Studiums zeigten jedoch, dass es große Unter­schiede in Bezug auf die Ausprä­gungen und Hinter­gründe mögli­cher Konkur­renz und daraus resul­tie­render Belas­tungen gibt. So berich­teten mehrere Studie­rende der szeni­schen Künste von einem gewissen Druck, in bestimmte Kunst­an­for­de­rungen seitens der Insti­tu­tion und der Lehr­be­auf­tragten zu passen. Philo­so­phie­stu­die­rende hingegen spra­chen eher von einem unter­schwel­ligen, meist im Indi­vi­duum selbst veran­kerten Druck: Wenn sie sahen, wie viel Grund- und Vorwissen Mitstu­die­rende bereits hatten oder welche philo­so­phi­schen Bücher sie auch neben dem Studium lasen, konnten Selbst­zweifel entstehen. Aber auch der Ansporn, einem bestimmten Stan­dard gerecht zu werden, um mitreden zu können, konnte ein mögli­ches Ergebnis sein.

Es geht auch darum, mitreden zu können, in den Studi­en­gängen des lite­ra­ri­schen Schrei­bens: Hier schaut man häufig, wer schon veröf­fent­licht hat und wessen Namen bei den Dozie­renden als viel­ver­spre­chend vermerkt sind. In den meisten Fächern sind das jedoch Druck­ge­fühle, die auch einen gewissen Ansporn oder zumin­dest das Gefühl mit sich bringen, dass man an der Domäne am rich­tigen Ort ist. Zu sehen, dass ein anderer Mensch bereits ähnliche Ziele errei­chen konnte, die man sich selbst viel­leicht gesetzt hat, kann auch zeigen, dass man das Rich­tige studiert. Diese Gefühle von Druck und Konkur­renz werden dabei nur in den seltensten Fällen offen ausge­tragen und führen beinahe nie zu Span­nungen inner­halb der Studierendengruppen.

Doch wie sieht das an anderen Kunst­hoch­schulen aus?

Ich habe Sophie Ramirez, die unter dem Namen "Soff" an der Kunst­aka­demie Düssel­dorf arbeitet, befragt. Sie selbst kann Konkur­renz­ge­danken gar nicht zulassen, da sie der Über­zeu­gung ist, dass sie niemanden weiter­bringen würden. Sie seien ein falscher Ansatz­punkt, insbe­son­dere im Kunst­be­reich, da jeder Mensch verschieden sei und kein Werk mit einem anderen direkt in Konkur­renz und Vergleich gesetzt werden könne, so Soff. Insbe­son­dere wenn sie Ausstel­lungen eröffnet, mit namhaften Künst­lern zusam­men­ar­beitet oder neue Bilder für ein neues Magazin veröf­fent­licht, stößt Soff auf Konkur­renz­ge­danken, die ihr entge­gen­ge­bracht werden. Viel­leicht ist "Neid" das rich­tige Wort, um zu beschreiben, was aus Konkur­renz­ge­danken erwächst, wenn man nicht in einen gemein­samen Diskurs tritt? Soff hatte sich vor allem einen Austausch mit Menschen erhofft, die ähnlich wie sie selbst sind — ausge­fallen, bereits im Leben stehend und das Gegen­teil von Konkur­renz­ge­danken, die aus Selbst­zwei­feln entstehen.

Ausge­fallen ausse­hende Menschen

Auch hier zeigt sich, dass Klei­dung ein Trans­port­mittel für Druck sein kann, von dem Studie­rende aus unter­schied­li­chen Fach­be­rei­chen berichten. Es gibt eine unaus­ge­spro­chene Erwar­tung, einem außer­ge­wöhn­li­chen und doch stereo­ty­pi­schen Mode-Ideal zu entspre­chen, damit Außen­ste­hende auf den ersten Blick erkennen können, wer einem krea­tiven Studi­en­gang nach­geht. Dabei geht es darum, sich von der Masse abzu­heben, ohne die eigene Indi­vi­dua­lität zu verlieren, um dazu­zu­ge­hören. Diese Werte werden vom Philo­so­phie-Institut ausdrück­lich abge­lehnt, obwohl es vor allem Philo­so­phie­stu­die­rende sind, die von diesem Druck berichten.

Das Neben­fach Lite­ratur ist schuld: Von enttäu­schenden Erwar­tungen und fehlenden Zugängen

Insbe­son­dere Studie­rende der Studi­en­gänge "Philo­so­phie, Künste und Medien" sowie "Kultur­wis­sen­schaften" berichten von Konkur­renz­ge­danken und Ärger im Neben­fach Lite­ratur. Hier sei es schwierig, in bestimmte Schreib­prak­tiken hinein­zu­kommen, um mit den ansonsten oft theo­rie­be­zo­genen Haupt­fä­chern in einen wirk­li­chen Diskurs treten zu können. Obwohl es uniin­terne oder von der Univer­sität ausge­hende Zeit­schriften, Bücher und sogar einen Podcast gibt, sei es für Neben­fach­stu­die­rende fast unmög­lich, diese Medien zu bespielen. Beispiels­weise bietet die Land­partie nur Haupt­fach­stu­die­renden und lite­ra­ri­schen Schrei­benden die Möglich­keit, ihre Arbeit zu veröf­fent­li­chen. Auch zur univer­si­tären Lite­ra­tur­zeit­schrift "Bella Triste", die heute jedoch auch darüber hinaus agiert, gibt es kriti­sche Stimmen. Hier seien nicht nur wieder­holte Einsen­dungen, sondern auch gute Kontakte notwendig, um im Magazin einen Platz zu bekommen. Insge­samt enttäu­sche das Neben­fach Lite­ratur mehr, als es verspricht – so die Kritik. Es falle schwer, eine Idee vom Arbeits­markt zu bekommen, wenn bereits der Weg zu univer­si­tären Veröf­fent­li­chungen und Feed­back­runden so steinig ist, so schil­dert es eine Person im persön­li­chen Gespräch. Durch dieses Phänomen entstehe Konkur­renz: Neben­fach­stu­die­rende spra­chen vermehrt von Konkur­renz­ge­danken dem Lite­ra­tur­in­stitut und den lite­ra­ri­schen Schrei­benden gegen­über, einfach aus Frust darüber, selbst keinen Zugang zu Semi­naren und zur Praxis zu haben, den sie sich gewünscht hätten.

Mögli­cher­weise stecken auch falsche Erwar­tungen an einen höheren Praxis­an­teil hinter der Unzu­frie­den­heit der Studie­renden – aber studiert ein Mensch dann noch mit Frei­raum, wenn ihm Zugänge verwehrt werden?

Ist auf dem Kultur­campus Platz für jede Kunst?

Aktive Konkur­renz­ge­danken mit mögli­chen Verstim­mungen oder Ausein­an­der­set­zungen unter den Studie­renden zeigen sich demnach am Kultur­campus kaum. Verbrei­teter hingegen ist die Angst, inner­halb des breiten Spek­trums an Auswahl­mög­lich­keiten auf dem Arbeits­markt unter­zu­gehen, wenn man keine passende Nische findet. Der Druck, den Anfor­de­rungen gerecht zu werden, ist jedoch spürbar. Insbe­son­dere im Bachelor- und Master­stu­di­en­gang der szeni­schen Künste wird viel geklagt. Hier häufen sich Ängste, sich zu Wort zu melden oder eigene Ideen umzu­setzen, so schil­dert es eine Mehr­heit der Befragten. Studie­rende der Philo­so­phie hingegen fragen sich, ob es für sie über­haupt vorge­sehen ist, Kunst zu schaffen. Die Möglich­keiten seien, zumin­dest in Bezug auf Medien- und Thea­ter­kol­lek­tive, vorhanden, außerdem gebe es die Möglich­keit, inner­halb der Philo­so­phie selbst eigene Projekte durchzuführen.

Insge­samt lassen sich Konkur­renz- und Druck­ge­fühle auf dem Kultur­campus in unter­schied­li­chen Kontexten finden.

Konkur­renz- und Druck­ge­fühle wirken sich dabei in den meisten Fällen auf den Erfolg aus und sind je nach Studi­en­gang unter­schied­lich ausge­prägt. Während am Lite­ra­tur­in­stitut vorrangig Konkur­renz­ge­danken hinsicht­lich mögli­cher Berufs­chancen bestehen, treten bei Studie­renden der Philo­so­phie oder der Kultur­wis­sen­schaften verglei­chende Muster in Bezug auf den Wissens­stand auf. Im Bereich der szeni­schen Künste hingegen richtet sich die Konkur­renz auf das eigene Schaffen, teil­weise noch bevor die Kunst über­haupt entsteht.

 

 

Das Lite­ra­tur­in­stitut aus der Sicht der Nebenfächer*innen

Viele der befragten Studie­renden äußerten Vorur­teile gegen­über dem Lite­ra­tur­in­stitut, insbe­son­dere dieje­nigen, die im Neben­fach Lite­ratur studieren. Hier wird vermutet, dass es beson­ders viel Konkur­renz und Druck gibt. Diese Vorur­teile gründen vor allem auf eigenen Erfah­rungen, wie beispiels­weise falschen Erwar­tungen an einen höheren Praxis­bezug im Neben­fach Lite­ratur oder dem Ärger darüber, dass man nicht für uniin­terne Veröf­fent­li­chungen schreiben kann. Der eigene Frust wird auf das Institut als solches über­tragen und prägt damit ein Bild von Konkurrenz.

Das Lite­ra­tur­in­stitut aus der Sicht der Hauptfächler*innen

Diese Annahme von Konkur­renz wird vom Lite­ra­tur­in­stitut selbst vehe­ment abge­lehnt. Studie­rende des lite­ra­ri­sches Schrei­bens nehmen Konkur­renz in der Form nicht wahr. Hier sei viel­mehr ein ange­nehmes und unter­stüt­zendes Ambi­ente an der Tagesordnung.

Deut­lich wird: Die Insti­tute wirken von außen oft anders, als sie in der Praxis dann tatsäch­lich sind.

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