Das Seminar des Grauens

Harmo­nie­lehre: Das Seminar, um das Musik-Studie­rende an der Domäne nicht herum­kommen. Doch wie schlimm ist diese gefürch­tete Wissens­dis­zi­plin wirk­lich? Ist es das Seminar des Grauens oder ist es doch nicht so schlimm, wie es immer behauptet wird?
In einem Inter­view mit dem Harmo­nie­lehre-Tutor Andre Zahn und drei Kommi­li­to­ninnen gehen wir dem Ganzen auf die Spur. Wie schlimm ist die Harmo­nie­lehre wirklich?

Andre Zahn im Interview

Wie gehst du mit verschieden Wissens­ständen bei Teilnehmer*innen deines Tuto­riums um?

Das kommt häufig vor. Es gibt viele Möglich­keiten, damit umzu­gehen. Gerne lasse ich einzelne Themen von Studie­renden mit mehr Vorwissen im Plenum erklären und ergänze gege­be­nen­falls. Manchmal ist es aber auch gut, wenn ich Ratschläge und Erklä­rungen wieder­hole. Dieje­nigen, die es dann erneut hören mussten, waren immer solidarisch.

Was würdest du Studie­renden raten, die sich bezüg­lich der Klausur sorgen machen?

Das kommt ganz auf den Zeit­punkt im Semester an. Ich kann verstehen, dass dieses Klau­sur­format etwas beängs­ti­gend sein kann, wenn die Sicher­heit noch nicht so ganz da ist. Lernt den Quin­ten­zirkel auswendig, trefft euch in Gruppen, um Gehör­bil­dung zu trai­nieren, und seht die Klausur als nicht so gefähr­lich an, wie sie viel­leicht wirken mag. Wenn ihr dran bleibt, schafft ihr das auf jeden Fall. Viel­leicht leckt ihr mit der regel­mä­ßigen Praxis Blut und kompo­niert bald den ganzen Tag. Wenn nicht, ist das aber auch nicht schlimm. Ich bringe euch auf jeden Fal sicher durch die Klausur, wenn ihr regel­mäßig ins Tuto­rium kommt.

Was sind Stra­te­gien, um Harmo­nie­lehre besser zu verstehen und das gehör zu trainieren?

In der Regel lieben alle Musik. Die beste Methode ist es also zu versu­chen, Musik, die man liebt, zu analy­sieren oder auch nur bewusst zu beob­achten. Die Dinge, die beispiels­weise im Seminar Harmo­nie­lehre vermit­telt werden, sind eher als Tools zu verstehen, welche ihr an eurem ganz eigenen Musik­ge­schmack erproben könnt. Mit dieser Moti­va­tion kann das Thema ein Kinder­spiel werden.

Inter­view mit Ilaria Heindrich

Inter­view mit einer anonymen Person

Inter­view mit Amber Duty

Wie hast du Harmo­nie­lehre empfunden?

Ich fand es im Allge­meinen ganz gut. Prin­zi­piell wurde alles ganz gut erklärt, aber vieles war auch zu schnell. Es war schwierig, da wir ja so durch­mischt waren: Manche konnten wenig, andere hatten ein biss­chen Ahnung. So war es dann oft schwierig, das Tempo richtig anzupassen.

Was war für dich schwie­riger, was war für dich leichter?

Für mich war das Melodie-Diktat anfangs ziem­lich schwierig, da ich so etwas nie in der Schule geübt hatte. Inter­valle hören und Gehör­bil­dung waren für mich in Ordnung, weil ich schon länger nach Gehör gespielt habe (Klavier) und dadurch viel­el­leicht ein biss­chen darauf vorbe­reitet war.

Hat dich die Harmo­nie­lehre als ange­hende Kultur­wis­sen­schaft­lerin weiter­ge­bracht oder siehst du Harmo­nie­lehre doch eher als eine Diszi­plin an, die es für die Kultur­wis­sen­schaft nicht braucht? 

Als Kultur­wis­sen­schaft­lerin nicht direkt. Sie hat mir aber im Studium inso­fern geholfen, dass ich meine Klavier­be­glei­tungen für Gesangs­prü­fungen verbes­sern konnte, da ich nun weiß, welche Akkorde benutzt werden können und welche Akkorde welchen "Zweck" erfüllen.

Wie geht es dir damit, dass es zu einem Pflicht­fach für alle Musiker*innen an der Domäne gemacht wurde?

Ich kann es schon verstehen, da es im Allge­meinen hilft, das, was man da spielt, besser zu verstehen. Klar ließe sich jetzt darüber streiten, ob das fürs musi­ka­li­sche Schaffen wirk­lich nötig ist (Michael Jackson konnte nicht mal Noten lesen).

Wie hast du für die Klau­suren gelernt?

Ich habe viel in Gruppen gelernt. Außerdem habe ich mir Apps herun­ter­ge­laden (für Gehör­bil­dung). Alleine konnte ich eher nicht so viel lernen, da es auch im Internet nicht wirk­lich viele Beispiel­ana­lysen für klas­si­sche Stücke gibt.

Was würdest du allen Musiker*innen an der Domäne empfehlen, die dieses Seminar noch belegen müssen?

Ich würde empfehlen, dass man nicht mit 0% Kennt­nissen anfangen sollte. Ich bin der Meinung, dass das Ganze sonst ziem­lich viel wird. Man sollte wenigs­tens Grund­kennt­nisse besitzen (zum Beispiel Noten lesen).

Wie hast du Harmo­nie­lehre empfunden?

Als ein Seminar, das mit meinen eher geringen Vorkennt­nissen in Musik­theorie sehr arbeits­in­tensiv war und viel Eigen­in­itia­tive forderte, aber letzt­end­lich dann auch die notwen­digen Grund­lagen für das weitere Studium geschaffen hat.

Was war für dich schwie­riger, was war für dich leichter?

Gehör­bil­dung war für mich der deut­lich aufwen­di­gere und nerven­auf­rei­ben­dere Teil, da ich das Gefühl hatte, trotz Übens nur bedingt Kontrolle über meinen Lern­fort­schritt zu haben. Der rein theo­re­ti­sche Teil war dann ja im Prinzip „nur“ verstehen, lernen und die Anwen­dung üben.

Hat dich die Harmo­nie­lehre als ange­hende PKMlerin weiter­ge­bracht oder siehst du Harmo­nie­lehre doch eher als eine Diszi­plin an, die es für die Kultur­wis­sen­schaft nicht braucht?

Da ist viel­leicht eher die Frage, wie wichtig das Neben­fach Musik für mich persön­lich in der Zukunft sein wird. Für den Studi­en­be­reich Musik an sich habe ich es aber als wichtig empfunden, die theo­re­ti­schen Grund­lagen vermit­telt zu bekommen. Inwie­fern ich das Gelernte beispiels­weise für meinen Beruf später benö­tige, hängt dann doch sehr von der beruf­li­chen Ausrich­tung ab.

Wie geht es dir damit, dass es zu einem Pflicht­fach für alle Musiker*innen an der Domäne gemacht wurde?

Ich halte es in Hinblick auf die übrigen Musik­se­mi­nare für sinn­voll, erst einmal alle Studie­renden auf den glei­chen Stand zu bringen, was die theo­re­ti­schen Grund­lagen angeht.

Wie hast du für die Klau­suren gelernt?

Durch die regel­mä­ßige Teil­nahme am Tuto­rium, das Erle­digen der Übungs­auf­gaben und sehr viel Gehör­bil­dung, sowohl alleine als auch in Kleingruppen.

Was würdest du allen Musiker*innen an der Domäne empfehlen, die dieses Seminar noch belegen müssen?

Im Nach­hinein würde ich sagen, dass wenn man die Übungen konti­nu­ier­lich erle­digt und selbst­ständig lernt, es eigent­lich nicht nötig ist, sich allzu viel um das Bestehen des Semi­nars zu sorgen.

Wie hast du Harmo­nie­lehre empfunden?

Also allge­mein fand ich Harmo­nie­lehre immer sehr inter­es­sant. Vom Gesamt­erlebnis würde ich sagen, dass es auf jeden Fall ganz schön anspruchs­voll und schwer war am Anfang. Mit der Zeit wurde es aber immer besser. Für mich war es eine Heraus­for­de­rung, die ich gerne meis­tern wollte und die mich im posi­tiven Sinne gefor­dert hat. Insge­samt hat es mir auf jeden Fall geholfen, es hat mich weiter­ge­bracht und ich bin sehr froh darüber, was ich alles gelernt habe. Auch gut fand ich das Tuto­rium, das alles gut ergänzt hat und den Charakter von gemein­samem Lernen hatte. Obwohl es viele Studie­rende gab, die schon Vorkennt­nisse hatten, und ich da frisch rein kam, ohne Grund­la­gen­kent­nisse, hat man sich gegen­seitig unter­stützt. Dadurch ist eine gute Gemein­schaft entstanden.

Was war für dich schwie­riger, was war für dich leichter?

Für mich war die Gehör­bil­dung extrem schwierig, nicht nur weil ich kein Klavier da hatte (ich hab mir dann einfach eine App runter­ge­laden), sondern auch weil es schwierig war, Lied­an­fänge für die Inter­valle zu finden, die man dann einfach immer direkt im Kopf hatte. Ich fand auch allein schon schwierig, eine Note zu hören und dann wissen zu müssen, welche Note das dann ist. Im zweiten Semester wurde es noch kompli­zierter mit den Jazz­ak­korden und Skalen.

Ich merke aber auch, dass es mir im Nach­hinein sehr viel gebracht hat und sich meine Hörfä­hig­keit sehr verbes­sert hat. Am schwersten fiel mir jedoch das Rhyth­mus­diktat, da ich damit vorher keine Berüh­rungs­punkte hatte. Das kam mir dann einfach zu kurz. Viel­leicht hatte ich aber auch zu wenig Vorwissen. Für mich war dafür die Theorie leicht. Beson­ders leicht fiel es mir, den Quin­ten­zirkel mit all seinen Vorzei­chen auswendig zu lernen sowie das Erkennen der Neben­noten in der Analyse von klas­si­schen Stücken. Später konnte ich Noten schnell lesen. Am schwie­rigsten war dann im Endef­fekt jedoch Gehör, Rhythmus und Theorie kombi­niert auf Zeit­druck in der Klausur. Das hat für mich dann über­haupt nicht mehr funktioniert.

Hat dich die Harmo­nie­lehre als ange­hende Kultur­wis­sen­schaft­lerin weiter­ge­bracht oder siehst du Harmo­nie­lehre doch eher als eine Diszi­plin an, die es für die Kultur­wis­sen­schaft nicht braucht?

Für die Kultur­wis­sen­schaft bin ich mir nicht sicher, ob es notwendig wäre, da die meisten, die später beruf­lich in diese Rich­tung gehen wollen, schon das Vorwissen mit sich bringen und es nicht noch mal im Seminar lernen müssten. Gleich­zeitig glaube ich jedoch, dass es von Vorteil ist, alles zu wieder­holen und aufzu­fri­schen. Ein frei­wil­liger Charakter würde dem Seminar aber nicht schlecht tun, damit die Teilnehmer*innen einfach selbst entscheiden können, ob sie es brau­chen. Ande­rer­seits, wenn man es schon kann, ist es eine Möglich­keit, gute Punkte abzu­räumen. Mich hat es auf jeden Fall weiter­ge­bracht. Ohne Harmo­nie­lehre wäre ich wahr­schein­lich komplett aufge­schmissen gewesen in meinen rest­li­chen Musik­se­mi­naren. Für mich war es eine Grund­basis, die man eigent­lich schon in der Schule hätte erhalten können.

Ich würde es aber trotzdem eher zu einer frei­wil­ligen Veran­stal­tung machen oder zu einem Tuto­rium. So etwas hätte ich mir persön­lich auch vorstellen können. Im Bezug auf die Kultur­wis­sen­schaft sehe ich für mich persön­lich jetzt nicht die Rele­vanz. Ich würde es viel­leicht in einem anderen Format anbieten.

Wie geht es dir damit, dass es zu einem Pflicht­fach für alle Musiker*innen an der Domäne gemacht wurde? 

Das habe ich ja so ähnlich schon beant­wortet. In meinen Augen muss es kein Pflicht­fach sein. Die Studie­renden können selbst einschätzen, inwie­weit sie das brau­chen und ob sie die Anfor­de­rungen für dieses Studium erfüllen. Ich hätte jetzt  gesagt, dass man auch erst mal Arbeits­blätter im Lear­nweb hoch­lädt, damit die Studie­renden für sich selbst testen können, wie "fit" sie in Harmo­nie­lehre sind, und damit einschätzen können, ob sie das Seminar besu­chen sollten oder nicht. Ich glaube nicht, dass es als Pflicht­se­minar gemacht werden muss. Ich weiß halt auch, dass viele Teilnehmer*innen in meinem Seminar bereits schon so gut darin waren, in dem was gefor­dert war, dass die jenigen sich dann doch eher gelang­weilt haben. Was ich auch noch mal erwähnen möchte, ist, dass ich am Anfang gar nicht wusste, dass es eine Pflicht­ver­an­stal­tung ist. Viel­leicht könnte man das also noch mal irgendwie deut­li­cher machen.

Wie hast du für die Klau­suren gelernt?

Im ersten Semester habe ich viel auswendig gelernt und mir viele Skizzen mit bunten Farben gemacht. Die hab ich mir dann direkt vor meinem Schreib­tisch an die Wand geklebt, sodass ich immer diese Skizzen vom Quin­ten­zirkel, Inter­vallen und den Drei­klängen vor mir hatte. Das war meine Stra­tegie für das erste Semester. Ich bin dann auch immer ins Tuto­rium gegangen und hab mich mit anderen in den Übezellen an der Domäne getroffen, um Gehör­bil­dung zu üben. Ich hatte dafür auch eine App, mit der es jedoch schwie­riger war und nicht so viel Spaß gemacht hat, wie wenn man zusammen geübt hat. Es war auch schön zu sehen, wie sich die anderen damit geschlagen haben, und dass man sich gegen­seitig helfen konnte. Das zweite Semester war schwie­riger aufgrund der Corona-Situa­tion. Da habe ich mir auch wieder viele Skizzen und Tabellen gemacht und mir Lern­zettel ange­fer­tigt. Und ich habe meine Schwester gebeten, mir Inter­valle vorzu­spielen. Aber es war auch ganz schön schwer, weil sie auch nicht direkt Jazz­skalen spielen konnte. Dann habe ich die Power­points, die wir zur Verfü­gung gehabt hatten, ausge­druckt und mir dazu Sachen notiert. Was ich richtig gut fand, war die Übeklausur und die kleinen Aufgaben bezüg­lich Gehör­bil­dung, die aufge­nommen wurden. Manche aus dem Kurs haben etwas aufge­nommen und an alle anderen verschickt, sodass man dann für sich testen konnten, ob man alles raus­hören kann.

Was würdest du allen Musiker*innen an der Domäne empfehlen, die dieses Seminar noch belegen müssen ?

Alle, die sich sicher fühlen, können sich relativ entspannt zurück­lehnen, gucken, was auf sie zukommt, und die Leute unter­stützen, die neu in die Thematik einsteigen. Allen, für die Harmo­nie­lehre Neuland ist, würde ich raten, sich darauf einzu­lassen und alles aufzu­saugen, was erwähnt wird. Aber auch einfach Spaß bei der Sache zu haben. Also ich hatte viel Spaß daran, Neues zu lernen und zu sehen, wie es mich weiter­bringt. Basis­wissen zu haben und darauf aufzu­bauen. Vor allem auch weil es eines der wenigen Semi­nare ist, in denen es nicht darum geht, Texte zu lesen, zu verstehen und zu schreiben. Es hatte mehr den Charakter von Mathe­matik. Es spricht das Gehirn noch einmal ganz anders an als die rest­li­chen Semi­nare. Das fand ich wirk­lich schön.

Ich würde sagen, sucht euch Leute, mit denen ihr euch zusammen an Gehör­bil­dung setzen könnt. Bildet eine Gruppe, besucht das Tuto­rium und habt Spaß bei der Sache. Geht offen darauf zu, nicht jedem liegt es und nicht jede versteht es sofort. Nehmt die Klausur nicht zu ernst. Ich hab auch gemerkt, dass ich vieles erst nach der Klausur verstanden habe und es erst mal sacken musste.

Ein Beitrag von Elsa Vogels