Die Macht von Gewohnheiten

Wie entstehen eigent­lich Gewohn­heiten? Wie kann ich neue Gewohn­heiten trai­nieren? Und was hat das mit der Online-Lehre zu tun?

Ausschlafen, tags­über chillen, nachts arbeiten: Ideal­zu­stand? Seit einem halben Jahr kann das Studie­ren­den­leben so oder so ähnlich beschrieben werden. Es ist uns selbst über­lassen, wann wir Texte lesen, wie wir uns die asyn­chrone Lehre einteilen und ob wir über­haupt das Haus verlassen. Auf eine neue Art und Weise müssen wir unseren Alltag struk­tu­rieren und versu­chen, nicht in gefähr­liche YouTube- oder Netflix-Untiefen abzu­rut­schen. Doch ist der Modus der Online-Lehre wirk­lich ideal? Wie ändert sich unsere Struktur, wie entwi­ckeln wir neue Gewohn­heiten? Bedeutet dieser neue Alltags­rhythmus, dass wir häufiger Entschei­dungen bewusst treffen müssen, konkret mehr Hirn­leis­tung notwendig ist? In diesem Beitrag wird danach gefragt, wie Gewohn­heiten entstehen und mit was für Stra­te­gien wir diese ändern können.

DIE GEWOHNHEITSSCHLEIFE

Die soge­nannte Gewohn­heits­schleife ist als Antrieb unserer Gewohn­heiten attes­tiert worden. Dabei sollen insge­samt über 40% unserer Hand­lungen, die wir tagtäg­lich ausführen, auf gewohnte Muster zurück­gehen. Jede dieser Gewohn­heiten beruht auf einer ursprüng­lich bewussten Entschei­dung, die wir dann so auto­ma­ti­siert haben, dass irgend­wann viel­leicht die Gründe, die zu dieser Entschei­dung geführt haben, vergessen sind, so Charles Duhigg, Autor des Buches „Die Macht der Gewohn­heit“. Wenn so viele Entschei­dungen unbe­wusst getroffen werden: Wie weiß unser Gehirn dann, dass es Zeit für diese oder jene Gewohn­heit ist?

Nehmen wir das Beispiel Zähne­putzen. Jeden Abend und Morgen führen wir diese Tätig­keit aus und dabei läuft die Aktion wie von selbst. Sobald es abends in Rich­tung Bett geht oder bevor wir morgens das Haus verlassen, kommt aus dem Nichts der Gedanke ans Zähne­putzen und wir führen die Hand­lung aus. Bestimmte Gedanken, Stim­mungen oder Tages­zeiten liest unser Gehirn als Auffor­de­rung, nun ins Bad zu gehen. Es gibt somit einen Auslö­se­reiz, welcher als Start­punkt für eine Gewohn­heit fungiert und welcher sich über die Wieder­ho­lungen immer besser und treff­si­cherer zu Wort meldet. Dieser Auslö­se­reiz gibt unserem Gehirn den Wink, nun die Gewohn­heit abzu­spulen. Wir laufen wie fern­ge­steuert ins Bad, nehmen unsere Zahn­bürste, öffnen die Zahn­pas­ta­tube, beschmieren die Bürste und fangen an zu schrubben. Diese Schritte (und noch viele mehr) benö­tigen keinerlei aktive Entschei­dungen. Nachdem diese Routine fertig ist (Zahn­bürste befindet sich wieder am gewohnten Ort), erhält unser Gehirn nach dem Prinzip der Gewohn­heits­schleife eine Beloh­nung. In unserem Beispiel wäre ndas ein sauberes Gefühl im Mund und ein frischer Atem.

Das Schema der Gewohn­heits­schleife lautet: Auslö­se­reiz – gewohnte Hand­lung – Beloh­nung. Nach diesem Prinzip funk­tio­nieren alle unsere Gewohn­heiten. Gewohn­heiten können als ener­gie­spa­rend betrachtet werden, da sie unbe­wusst ablaufen und unser Gehirn sich nebenher mit anderen Gedanken beschäf­tigen kann. Laut Charles Duhigg entstehen Gewohn­heiten sogar nur, weil das Gehirn ständig nach neuen Wegen sucht, sich weniger anzustrengen.

UND WAS IST MIT GEWOHNHEITEN, DIE WIR GERNE ÄNDERN WÜRDEN?

Eine als negativ bewer­tete Gewohn­heit sein zu lassen und neue Gewohn­heiten zu trai­nieren ist eine Heraus­for­de­rung. Am deut­lichsten ist dies bei den guten Neujahrs­vor­sätzen spürbar, welche in der Regel nach einigen Tagen schon wieder vergessen sind. Nach dem Prinzip der Gewohn­heits­schleife ist es möglich, Gewohn­heiten zu ändern, wenn zuerst die zu ändernde Gewohn­heit genauer unter­sucht wird. Dabei wird nach dem Auslö­se­reiz und der Beloh­nung geschaut. Sind diese beiden Bausteine entlarvt, so ist es der nächste Schritt, diesen Auslö­se­reiz und diese Beloh­nung beizu­be­halten und das Herz­stück, die gewohnte Hand­lung, zu verändern.

Nehmen wir hierfür ein anderes Beispiel als Anschau­ungs­ma­te­rial: Serie schauen. Hierbei kann der Auslö­se­reiz beispiels­weise Konzen­tra­ti­ons­mangel, Müdig­keit oder eine bestimmte Uhrzeit sein. Die Beloh­nung ist viel­leicht Entspan­nung und Abschalten. Würden wir hier die Routine, also den Akt des Schauens, durch eine Runde Joggen ersetzen, könnten wir Auslö­se­reiz und Beloh­nung beibehalten.

Doch zurück zum Online-Semester und den verän­derten Gewohn­heiten. Viele Gewohn­heiten fallen auto­ma­tisch durch den neuen Rhythmus weg und es haben sich bei uns allen neue gebildet, darunter sicher­lich auch welche, die als störend und eher negativ einge­stuft werden. Viel­leicht hilft euch dieser kleine Beitrag, ein oder zwei davon zu ändern. Dabei sollte nicht uner­wähnt bleiben, dass behauptet wird, eine neue Gewohn­heit müsse 66 Mal durch­laufen werden, bevor sie gefes­tigt von alleine auf den Auslö­se­reiz reagiert und unter­be­wusst abläuft. Vergesst dabei nicht, dass unser Gehirn bequem ist und anfangs alles dafür geben wird, doch die alte Gewohn­heit abzu­spulen. Denn, wie sagt es der Spruch so schön: „Der Mensch ist ein Gewohnheitstier“.

Die verän­derten Alltags­struk­turen können wir als Chance sehen, Gewohn­heiten zu ändern oder neue nach dem Prinzip der Gewohn­heits­schleife einzu­leiten, viel­leicht etwas, was wir schon lange vorhatten. Somit können wir selbst beein­flussen, ob wir die Online-Lehre als Chance begreifen und —wenn auch viel­leicht kein Ideal­zu­stand — das Beste draus machen.

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Falls jemensch Inter­esse bekommen hat, sich tiefer in die Thematik einzu­lesen: Das Buch „Die Macht der Gewohn­heit — Warum wir tun was wir tun“ von Charles Duhigg ist verständ­lich mit vielen Beispielen geschrieben.

Quelle: Duhigg, Charles, Die Macht der Gewohn­heit. Warum wir tun, was wir tun. Piper Verlag, München, 2014.

Verfasst von Moira Hanel, Dezember 2020.

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