FACHFREMD

In dieser Reihe begeben wir uns in Diszi­plinen, die denen des Fach­be­reichs 2 fern sind. Man muss ja nicht immer über Theater reden.

Eine kurze Geschichte des BHs

Ich mag es nicht, wenn mir die Vorteile digi­taler Lehre unter die Nase gerieben werden. Ich mag das meiste an digi­taler Lehre nicht. Trotzdem ist sie der Aufhänger für diesen Text:

Ein digi­tales Semester ist auch ein BH-armes Semester. Und das mag ich sehr.

Medizin und Ortho­pädie, Mode, Geschichte oder Politik: Es gibt einige fach­fremde Diszi­plinen, aus deren Perspek­tive der BH betrachtet werden kann. Ich habe mich hier für einen kurzen geschicht­li­chen Einblick entschieden, nicht ohne diesen auf die Gegen­wart zu beziehen. Denn schließ­lich geht es doch auch um die Frage, ob 2020 das Jahr ist, um BHs zu verbannen.

Das Prinzip einer Unter-Stüt­zung für Brüste ist alt. Das sehen wir an antiken Mosaiken von Sportler*innen mit Brust­bän­dern, an Klei­dungs­stü­cken aus dem 15. Jahr­hun­dert und seitdem an immer mehr erhal­tenen und doku­men­tierten Vorgänger*innen des jetzt bekannten Prin­zips. Ende des 19. Jahr­hun­derts wurden zahl­reiche neue Formen für den Halt und die Form von Brüsten entwi­ckelt. Chris­tine Hardt meldete 1899 das erste Patent für ein „Frau­en­leib­chen als Brust­träger“ an, es folgten zahl­reiche weitere inter­na­tio­nale Paten­tie­rungen ähnli­cher Modelle, manche ohne Stäb­chen, manche mit Fisch­gräten, wieder andere aus Hosen­trä­gern und Taschen­tü­chern. Allge­mein gilt Mary Phelps Jacob (Patent 1914) als die Erfin­derin des BHs, der nach und nach auch Mieder und Korsett ablöste.

Der BH, wie wir ihn heute kennen, ist in etwa hundert Jahre alt und seit den 1950er Jahren nicht mehr groß verän­dert worden. Neue­rungen und Verän­de­rungen finden sich seitdem kaum mehr in der Form, sondern in Mate­ria­lien, Farben, Spitzen oder Schleifen. Denn natür­lich geht auch Lingerie und Unter­wä­sche mit der Mode: Mal wird weniger Haut gezeigt, mal mehr, mal werden die Träger breiter, mal dünner und ob durch­sichtig oder nicht, ist ebenso eine mode­zeit­liche Frage wie die nach Spitzen und Bordüren.

Im Groben sind alle aktu­ellen BH-Formen so aufge­baut, wie in der Skizze dargestellt.

Wenn sich ein Produkt mit großem Nutzen über einen so langen Zeit­raum nicht verän­dert, könnte mensch eigent­lich darauf schließen, dass es gut so ist, wie es ist. Falsch gedacht. Es gibt verschie­dene Studien und Umfragen dazu, wie viele BH-Träger*innen die passende Größe tragen. Die Ergeb­nisse fallen unter­schied­lich aus, doch sind alle­samt ernüch­ternd. Zwischen 50 und 80% tragen die falsche Größe. Daraus resul­tieren oftmals ein unan­ge­nehmes Trage­ge­fühl, aber auch Schulter- und Rückenschmerzen.

Verant­wort­lich für diese hohen Prozent­zahlen sind zumin­dest teil­weise auch die leicht verwir­ren­denden Größen für BHs. Denn die weit verbrei­tete Annahme, Cup A sei klein, Cup B etwas größer, D nochmal größer und so weiter, stimmt nur bedingt. Denn die Cupgröße steht in Rela­tion zum Brust­um­fang (75, 80, 85, …). Die Cups beschreiben den Größen­un­ter­schied zum Umfang. Folg­lich ist der Cup bei 70B kleiner als bei 85B. Gleich­zeitig entstehen dadurch soge­nannte Kreuz­größen, zum Beispiel liegen 80A und 70C der Größe 75B am nächsten.

Und die Moral von der Geschicht'…

ein paar Tipps zum passenden BH:

 

  • Berechne deine Größe (z.B. hier https://www.bh-guide.de/bh-groesse-berechnen.php) und probiere mehrere Alter­na­tiven an.
  • Rechne so, dass das Unter­brust­band (also der Teil, der am Rücken geschlossen wird), beim Kauf in die weitesten Haken schließt, so kannst du ihn länger passend tragen, wenn er nach und nach ausleiert. Wenn du das Band vom Rücken wegziehst und dein Hand­ge­lenk dazwi­schen passt, ist es zu weit.
  • Das Unter­brust­band sollte den Groß­teil der Arbeit über­nehmen, ziehe die Träger nicht zu eng, das kann leicht Schul­ter­schmerzen verur­sa­chen. Übri­gens ist es voll­kommen normal, wenn die Träger unter­schied­lich lang einge­stellt werden müssen.
  • Über­lege dir, wofür du BHs trägst: Wenn sie deine Brüste stützen sollen, setzte lieber auf non-stretch Mate­rialen (z.B. Leinen), statt auf Bügel: das ist nicht nur die bessere Stütze, sondern auch bequemer.

Am Schluss dieses kleinen Exkurses in die Welt der Mode sei gesagt: BHs sind politisch.

“How we support women physi­cally is a direct reflec­tion of how we support women in every way.” – Laura Tempesta

Dieses Zitat fasst viel zusammen, aber zuvor: Nicht alle Frauen haben Brüste. Und nicht alle Menschen mit Brüsten sind Frauen. Punkt. Ich nutze das Zitat, weil es eine gesell­schaft­liche Situa­tion zeigt, die leider binär denkt. Seit knapp 100 Jahren hat sich nichts am Prinzip BH geän­dert, Bügeln wird ein medi­zi­ni­scher Mehr­wert nach­ge­sagt, obwohl sie nur der Form dienen und ein Groß­teil der Tragenden besitzt die falsche BH-Größe. Das sagt doch sehr viel darüber aus, wie Menschen mit Brüsten in der Gesell­schaft begegnet wird. Wenn BHs euch guttun, wenn ihr euch wohler fühlt, sie euch wort­wört­lich Halt geben, dann tragt sie. Aber wenn ihr sie nur wider­willig tragt, sie Probleme verur­sa­chen, ihr die Kraft habt, star­rende Blicke wegzu­ste­cken, tut der Norma­li­sie­rung von Brüsten und Nippeln etwas Gutes und burn the bra!

Ein schönes BH-armes Semester wünscht / Ein Beitrag von Rebecca Fisch

 

Fach­fremd

In dieser Reihe begeben wir uns in Diszi­plinen, die denen des Fach­be­reichs 2 fern sind. Man muss ja nicht immer über Theater reden.

 

 

Ich mag es nicht, wenn mir die Vorteile digi­taler Lehre unter die Nase gerieben werden. Ich mag das meiste an digi­taler Lehre nicht. Trotzdem ist sie der Aufhänger für diesen Text:

Ein digi­tales Semester ist auch ein BH-armes Semester. Und das mag ich sehr.

Medizin und Ortho­pädie, Mode, Geschichte oder Politik: Es gibt einige fach­fremde Diszi­plinen, aus deren Perspek­tive der BH betrachtet werden kann. Ich habe mich hier für einen kurzen geschicht­li­chen Einblick entschieden, nicht ohne diesen auf die Gegen­wart zu beziehen. Denn schließ­lich geht es doch auch um die Frage, ob 2020 das Jahr ist, um BHs zu verbannen.

 

Das Prinzip einer Unter-Stüt­zung für Brüste ist alt. Das sehen wir an antiken Mosaiken von Sportler*innen mit Burst­bän­dern, an Klei­dungs­stü­cken aus dem 15. Jahr­hun­dert und seitdem an immer mehr erhal­tenden und doku­men­tierten Vorgänger*innen des jetzt bekannten Prin­zips. Ende des 19. Jahr­hun­derts wurden zahl­reiche neue Formen für den Halt und die Form von Brüsten entwi­ckelt. Chris­tine Hardt meldete 1899 das erste Patent für ein „Frau­en­leib­chen als Brust­träger“ an, es folgten zahl­reiche weitere inter­na­tio­nale Paten­tie­rungen ähnli­cher Modelle, manche ohne Stäb­chen, manche mit Fisch­gräten, wieder andere aus Hosen­trä­gern und Taschen­tü­chern. Allge­mein gilt Mary Phelps Jacob (Patent 1914) als die Erfin­derin des BHs, der nach und nach auch Mieder und Korsett ablöste.

Der BH wie wir ihn heute kennen, ist in etwa hundert Jahre alt und seit den 1950er Jahren nicht mehr groß verän­dert worden. Neue­rungen und Verän­de­rungen finden sich seitdem kaum mehr in der Form, sondern in Mate­ria­lien, Farben, Spitzen oder Schleifen. Denn natür­lich geht auch Lingerie und Unter­wä­sche mit der Mode: Mal wird weniger Haut gezeigt, mal mehr, mal werden die Träger breiter, mal dünner und ob durch­sichtig oder nicht, ist ebenso eine mode­zeit­liche Frage wie die nach Spitzen und Bordüren.

Im Groben sind alle aktu­ellen BH-Formen so aufge­baut, wie in der Skizze dargestellt.

Wenn sich ein Produkt mit großem Nutzen über einen so langen Zeit­raum nicht verän­dert, könnte mensch eigent­lich darauf schließen, dass es gut so ist, wie es ist. Falsch gedacht. Es gibt verschie­dene Studien und Umfragen dazu, wie viele BH-Träger*innen die passende Größe tragen. Die Ergeb­nisse fallen unter­schied­lich aus, doch sind alle­samt ernüch­ternd. Zwischen 50 und 80% tragen die falsche Größe. Daraus resul­tieren oftmals ein unan­ge­nehmes Trage­ge­fühl, aber auch Schulter- und Rückenschmerzen.

Verant­wort­lich für diese hohen Prozent­zahlen sind zumin­dest teil­weise auch die leicht verwir­ren­denden Größen für BHs. Denn die weit verbrei­tete Annahme, Cup A sei klein, Cup B etwas größer, D nochmal größer und so weiter, stimmt nur bedingt. Denn die Cupgröße steht in Rela­tion zum Brust­um­fang (75, 80, 85, …). Die Cups beschreiben den Größen­un­ter­schied zum Umfang. Folg­lich ist der Cup bei 70B kleiner als bei 85B. Gleich­zeit entstehen dadurch soge­nannte Kreuz­größen, zum Beispiel liegen 80A und 70C der Größe 75B am nächsten.

Und die Moral von der Geschicht'…

Ein paar Tipps zum passenden BH:

  • Berechne deine Größe (z.B. hier https://www.bh-guide.de/bh-groesse-berechnen.php) und probiere mehrere Alter­na­tiven an.
  • Rechne so, dass das Unter­brust­band (also der Teil, der am Rücken geschlossen wird), beim Kauf in die weitesten Haken schließt, so kannst du ihn länger passend tragen, wenn er nach und nach ausleiert. Wenn du das Band vom Rücken wegziehst und dein Hand­ge­lenk dazwi­schen passt, ist es zu weit.
  • Das Unter­brust­band sollte den Groß­teil der Arbeit über­nehmen, ziehe die Träger nicht zu eng, das kann leicht Schul­ter­schmerzen verur­sa­chen. Übri­gens ist es voll­kommen normal, wenn die Träger unter­schied­lich lang einge­stellt werden müssen.
  • Über­lege dir, wofür du BHs trägst: Wenn sie deine Brüste stützen sollen, setzte lieber auf non-strech Mate­rialen, statt auf Bügel: das ist nicht nur die bessere Stütze, sondern auch bequemer.

Am Schluss dieses kleinen Exkurses in die Welt der Mode sei gesagt: BHs sind politisch.

“How we support women physi­cally is a direct reflec­tion of how we support women in every way.”

– Laura Tempesta

Dieses Zitat fasst viel zusammen, aber zuvor: Nicht alle Frauen haben Brüste. Und nicht alle Menschen mit Brüsten sind Frauen. Punkt. Ich nutze das Zitat, weil es eine gesell­schaft­liche Situa­tion zeigt, die leider binär denkt. Seit knapp 100 Jahren hat sich nichts am Prinzip BH geän­dert, Bügeln wird ein medi­zi­ni­scher Mehr­wert nach­ge­sagt, obwohl sie nur der Form dienen und ein Groß­teil der Tragenden besitzt die falsche BH-Größe. Das sagt doch sehr viel darüber aus, wie Menschen mit Brüsten in der Gesell­schaft begegnet wird. Wenn BHs euch guttun, wenn ihr euch wohler fühlt, sie euch wort­wört­lich Halt geben, dann tragt sie. Aber wenn ihr sie nur wider­willig tragt, sie Probleme verur­sa­chen, ihr die Kraft habt, star­rende Blicke wegzu­ste­cken, tut der Norma­li­sie­rung von Brüsten und Nippeln etwas Gutes und burn the bra!

Ein schönes BH-armes Semester wünscht / Ein Beitrag von Rebecca Fisch