VOM ANFANG ZUM PROZESS
Du bist gerade in den ersten Semestern deines Studiums? Voller Energie und Inspiration? Du willst endlich selbst kreativ werden, aber du weißt nicht so richtig, wo du anfangen sollst?
Ich habe oft tausend Ideen und scheue mich immer wieder vor der Umsetzung. Deshalb habe ich mich mit drei Hildesheimer Studierenden getroffen und bei einer Tasse Kaffee mit ihnen über Startpunkte, Inspirationsquellen und ihre ersten Projekte gesprochen.
AUFRUHR HINTERM VENUSHÜGEL!
Heute bin ich mit Milena Bonay und Anne Abrahams verabredet. Ich will mit ihnen über ihr neues Stück „Aufruhr hinterm Venushügel“ sprechen, zu dem gerade die ersten Proben begonnen haben. Die beiden studieren im Master Inszenierung der Künste und Medien und haben schon während ihrem Bachelor in Bayreuth zusammen Theater gemacht. Der Fokus ihrer kreativen Arbeit und ihrer künstlerischen Forschung liegt dabei auf feministischen Themen in der Popkultur und in der Performancekunst.
Wir treffen uns in Milenas WG und trinken Cappuccino.

Worum geht es in eurem neuen Stück und wie kam es dazu?
Milena: Unsere aktuelle Produktion hat den Namen „Aufruhr hinterm Venushügel“ und beschäftigt sich mit der Unsichtbarkeit und der Stigmatisierung der Vulva, der Menstruation und des Ausflusses. Sie entsteht im Rahmen des „Coming Out“-Programms am Staatstheater Hannover. Zu dem Projekt bin ich gekommen, weil ich mich im Bachelor schon mit der Darstellung der Vulva in Musikvideos beschäftigt habe. Und dann hat sich das so weiterentwickelt, dass ich im Master meinen eigenen künstlerischen Zugang dazu finden wollte. Und da ich schon sehr viel und sehr gerne mit Anne zusammen gearbeitet habe, habe ich sie gefragt, ob sie auch hier mitmachen will. Und so ist es dazu gekommen.
Wie habt ihr mit der Arbeit an dieser Produktion angefangen?
Milena: Das war eigentlich angekurbelt davon, dass ich die Bewerbungsfrist für das „Coming-Out“-Programm, also die Förderung, gesehen habe. Und ich wollte sowieso ein praktisches Projekt machen. Und das war ein guter Anlass, das Konzept nochmal so richtig auszuformulieren. Das hat alles ins Rollen gebracht.
Und auch das Seminar „Experimentelles Kostümdesign“, was ich letztes Semester besucht habe. Da habe ich auch dieses Vulva-Kostüm erstellt. Und das hat auch nochmal alles so ein bisschen ins Laufen gebracht. Weil ich da in die Praxis gekommen bin, weg von den verkopften Konzepten hin zu einem aktiven Arbeiten.
Anne: Für mich gibt nicht so einen Punkt, wo es anfängt, sondern viele verschiedene Puzzleteile, anhand derer sich noch was entwickeln kann. Und deshalb finde ich das auch ganz wichtig, Zufälle geschehen zu lassen und darin auch zu vertrauen, dass Dinge sich weiter entwickeln. Und auch mit einem offenen Blick durch die Welt zu gehen und vielleicht auch durch Seminare zu gehen und zu schauen, wo kann ich Anknüpfungspunkte für das, was ich realisieren möchte finden.
Was inspiriert euch?
A: Für mich ist tatsächlich die Probe die Haupt-Inspirationsquelle. Also Milena und ich brainstormen ganz viel inhaltlich und thematisch und kommen dann zu Über-Themen oder Überschriften. Zum Beispiel Menstruation und Krämpfe. Und leiten dann Aufgaben an, „Verkrampfe dich“ oder „Verziehe dich“. Und aus dieser Übergeordnetheit in der Projektion auf den Körper entsteht für mich ganz viel. Wir arbeiten grundsätzlich sehr wenig damit, dass wir mit einer vorgefertigten Idee auf die Perormer*innen auf die Performer*innen zukommen. Sondern geben eher Spielaufgaben, die vielleicht auch ein bisschen abstrakter sind. Und dann schauen wir, was daraus wird und entwickeln das dann im Nachgespräch auch noch weiter. Dann probieren wir vielleicht eine verdichtete Version in der nächsten Probe und so entwickelt sich dass dann langsam im Prozess.
M: Aus den Proben mit den Performer*innen entsteht ganz viel, deswegen würde ich auch sagen, dass die Performerinnen mich sehr inspirieren. Und auch ihre Bereitschaft, sich mit uns auf dieses Experiment einzulassen. Und ansonsten inspirieren mich auch andere Künstler*innen und Kommiliton*innen. Der Austausch mit Menschen in meinem Umfeld, mit Freundinnen, mit Kommilitoninnen, die sich auch mit solchen Themen auseinandersetzen, wie der Menstruation, der Vulva oder allgemein feministischen Themen, hat mich auch inspiriert, meinen eigenen künstlerischen Zugang dazu zu finden.
Was mich auch total interessiert ist immer zu versuchen, neu an Dinge heranzugehen oder auch Ideen, die entstehen, zu verwerfen und zu gucken, was kann ich anders machen.
A: Und das war auch nicht so ein Projekt, wo wir so stark inhaltlich gearbeitet haben. Da haben wir uns auch hin entwickelt, dass wir jetzt in der Lage sind auch solche Themen zu bearbeiten. Und damals haben wir nur gedacht: Wir wollen Theater machen. Und haben Theater ausgestellt. Und einfach drauf losgeprobt mit wahnsinnig viel Energie. Und die ssieht man auch im Endprodukt, und darauf bin ich stolz.

Ein Beitrag von Vanessa Flesch, Fotos: Milena Bonay, Lilly Kühn, Anne Abrahams
Veröffentlicht am 18. August 2022