Das TZH Base 29 in der Richthofenstraße bietet günstige Büroräume und Coworkingspaces in einem Bürogebäude neben der Robert-Bosch-Gesamtschule in Hildesheim. An einem Donnerstagmorgen, genau genommen dem 1. Juni 2023, betritt eine Mitarbeiterin der Universität Hildesheim das Bürogelände, um den jüngeren der beiden Gründer von der HappyWorx GmbH zu interviewen. Sie steigt in den Aufzug, denn die Büroräume der Gebrüder Fritsch befinden sich im 4. Stockwerk. Zufällig fällt ihr Blick auf einen weiteren Eintrag, sie erkennt den Namen des Start-ups „agent.ally“ wieder, im Juni 2021 gegründet von Antonia Sensen. Woher die Interviewerin dies weiß? Sie hatte Antonia Sensen erst am Dienstag derselben Woche zum Thema Start-up-Gründung interviewt.
Am Donnerstag sollte die Interviewerin erfahren, dass die Überschneidungen zwischen agent.ally und der HappyWorx GmbH umfangreicher sind als anfangs erwartet: Zum einen waren die Gründer*innen während des Anfangsstadiums noch Studierende in Informatikstudiengängen. Zum anderen, und dies ist der Grund für die Berichterstattung, wurden beide während des Gründungsprozesses durch die Kompetenzwerkstatt für Entrepreneurship und Transfer (KET) der Universität Hildesheim gefördert. Die KET fördert Gründungen aber nicht durch eigene finanzielle Unterstützung, sondern vor allem mit Qualifizierungsangeboten, Ansprechpartner*innen, Seminare, Werkstätten, Büroräume und persönliche Beratung. Tobias Fritsch sagt, diese strukturelle Hilfe selbst sei „fast noch mehr Wert“ als Geld.
Die gebotenen Seminare sind dabei curricular in allen vier Fachbereichen der Universität verankert, aber auch oft ein extracularer Zusatz, für die sich alle Interessierten anmelden können. Jedes Jahr im November organisiert die KET eine für alle Interessierten offene Gründungswoche. Auch das KrEaTivcafé als Workshop- und Netzwerkangebot und der Ideenwettbewerb gehören zum festen Bestandteil des alljährlichen Programms. Die zwei ‚Gründer*innen‘ der KET, Dr. Astrid Lange und Prof. Dr. Athanassios Pitsoulis, forschen schon lange zum Thema und haben die Etablierung eines Gründungsservices an der Universität Hildesheim seit 2014 vorbereitet. Im Jahr 2020 erhielten sie dann aus der Förderlinie „EXIST-Potentiale“ des BMWK sowie aus Landesmitteln eine finanzielle Förderung, sodass sie mit der Gründungsförderung an der Universität zwar praktisch bei Null, aber nicht mit Null anfangen konnten.
Obwohl beide Start-ups in der Hinsicht ähnlich agieren, dass sie für ihren Bereich ein ‚Rundum-Paket‘ bieten, realisierten Antonia Sensen und Tobias Fritsch ihr Leistungsspektrum fachlich unterschiedlich: Antonia Sensen entschied sich für eine Marketingagentur; Tobias Fritsch blieb seinem Kernfach treu und spezialisierte sich auf das Umsetzen von Digitalisierungsprozessen vor dem Hintergrund von Datenschutz und Datensicherheit. Antonia Sensens Situation war dabei sehr besonders: Wie sie auf der Entrepreneurship Education Fachkonferenz am 25. Mai 2023 in Hildesheim als Teilnehmer*in an einer Panel-Diskussion berichtete, wollte sie schon während ihrer Schulzeit mit elf Jahren gründen. Inzwischen hat sie sich unternehmerisch etabliert, empfindet es aber nach wie vor als Herausforderung, ein passendes Geschäftsmodell zu finden, um direkt Geld zu verdienen ohne über viel eigenes Startkapital zu verfügen. Am Ende entschied sie sich für den Dienstleistungsbereich und ging anfangs gemeinsam mit zwei weiteren Studentinnen mit einer klaren Idee zur KET: eine soziale Marketingagentur gründen, die Menschen in Projekte miteinbezieht, die es „trotz toller Qualifikationen sonst schwerer haben auf dem Arbeitsmarkt (wieder) Fuß zu fassen,“ wie der Internetauftritt von agent.ally verrät. Sie fand erste Kundinnen und Kunden, erhielt den zweiten Platz des KET-Gründungswettbewerbs, fand zwei Mitarbeiter*innen und steht nun vor ihrer zweiten Gründung.
Tobias Fritsch möchte eines Tages die „112 für Datenschutz und Datensicherheit“ sein, diese Gewissheit hatte er jedoch nicht von vornherein. Über Tätigkeiten als Werkstudent, unter anderem bei der Robert-Bosch-GmbH im Bereich Softwareentwicklung und Datenschutzberatung, wurde sein Wille zur Selbstständigkeit erst später konkret, ihm fiel die KET wieder ein, die er im Vorfeld aus einem Modul eines früheren Studienabschnitts kannte. Anders als Antonia Sensen hängt er an das Bachelorstudium aktuell noch einen Master dran und ist somit einer Doppelbelastung aus Studium und Arbeit ausgesetzt, hat aber eine zusätzliche Qualifikation vorzuweisen, sofern sein Start-up doch nicht funktioniert.
Mit ihrem dritten Geburtstag beginnt nun das letzte Jahr der Projektförderung für die KET und die Herausforderung, das Wirken der KET zu erhalten und ihre Angebote zu verstetigen. Das Team der KET wird sich dieser Aufgabe zuwenden und hofft dabei auf Unterstützung aus der Region.