über die Veranstalter

Die Europäische Union als Verantwortungsgemeinschaft

gestern - heute - morgen

 

Das Projekt im Kontext der Ausschreibung ‚Zukunftsdiskurse‘

„Die Wahl des Projektthemas sollte sich an den großen gesellschaftlichen Themen der Zeit orientieren. Dazu gehören unter anderem die Frage nach einer europäischen Identität angesichts der Krise der Europäischen Union.“ Das Projekt setzt an dieser Stelle und will die Europäische Union als Verantwortungsgemeinschaft aus geistes- und sozialwissenschaftlicher Perspektive beleuchten und so auf ihren Aktualitätsbezug sowie ihre Relevanz für die Zukunft hin befragen.

Konzeptioneller Ausgangspunkt ist die Zusammenführung von aus historischer und ethischer Sicht relevanten Fragestellungen, die durch die Perspektiven weiterer Disziplinen wie der Politikwissenschaft und aus der politischen Praxis noch zusätzlich bereichert werden sollen. Wichtig ist dabei, gemeinsame Diskussionen zu führen, sowohl unter den einzelnen wissenschaftlichen Disziplinen als auch mit der Bürgergesellschaft und den hiesigen Schüler/innen und Studierenden.

Ein Projekt im Miteinander von Geschichtswissenschaften und Ethik

Der besondere Zuschnitt des geplanten Zukunftsdiskurses soll im Miteinander von Geschichts-, Sozialwissenschaft und Ethik liegen. Innerhalb dieser Disziplinen bildet die Europäische Union ein sehr wichtiges Thema, das weiterer Bearbeitung, Erforschung und Reflexion bedarf. Die gewählten Themen erheben den Anspruch, auf ein breites Interesse innerhalb verschiedener Disziplinen zu stoßen und entsprechend anschlussfähig zu sein.

 

Ethik, primär verstanden als praxisorientierte Reflexionstheorie der Moral, und Politik gehören eigentlich zusammen. Dies zeigt sich in Deutschland immer wieder beispielhaft, insbesondere in den letzten Jahren, in Diskussionen um medizin- (bspw. Präimplantationsdiagnostik, Stammzellforschung, Suizidbeihilfe) oder militärethische (bspw. beim Einsatz von Drohnen und autonomen Waffensystemen) Themen. Als Beratungsgremium der Deutschen Bundesregierung fungiert in diesen Fragen der Deutsche Ethikrat, zu dem auch mehrere Ethiker zählen (aktuell sind dies z.B. die Professoren: Franz-Josef Bormann, Andreas Lob-Hüdepohl, Peter Dabrock).

Auf der Ebene der Europäischen Union ist ein zumindest in Ansätzen vergleichbares Gremium mit der European Group on Ethics in Science and New Technologies (kurz: EGE) gegeben, das jedoch aufgrund struktureller Vorgaben in seiner inhaltlichen Arbeit limitiert ist. Ethische Überlegungen werden dadurch oft wenig tragfähig artikuliert und entsprechend selten wahrgenommen, obgleich sich die EU selbst mit ihrem klar formulierten Wertefundament (EU-Vertrag von Lissabon Art. 2) und als Friedensnobelpreisträgerin (2012) einem hohen ethischen Anspruch verschreibt:

„Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demo­kratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedsstaaten in einer Gesell­schaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.“

Diesem gerecht zu werden, wird gegenwärtig und auf absehbare Zukunft allen voran durch Themen wie Sicherheit, Klimawandel, Sanktionsmaßnahmen, Migrations- und Fluchtkrise sowie die Bedrohung durch atomare Waffen herausgefordert. Die Frage nach der Verantwortung der EU wird laut. Inmitten der (inter-)nationalen und realpolitischen Interessenabwägungen sowie des europapolitischen Alltagsgeschäfts werden ethische Überlegungen jedoch zunehmend an den Rand gedrängt.

 

Mehr denn je stellen sich heute Aufgaben resultierend aus Geschichts- und Friedens-, Sicherheits- und Verteidigungs- sowie Erweiterungs- und Zuwanderungsverantwortung. Erst seit 1979 existiert ein allgemein, direkt und frei gewähltes Europäisches Parlament. Kontinuierlich sinkende Beteiligungen an Europawahlen sind kein Zufall. Aus der Methode Monnet „Der Weg ist das Ziel“ erwuchs die bis heute ungelöste Problematik der „Finalität“, d.h. die Frage nach dem Endzweck der EU: Was soll sie sein, wo enden ihre Grenzen? Daraus erwächst auch die Notwendigkeit der Beantwortung der Frage nach der Erweiterungs- und somit auch der Zuwanderungsverantwortung. Im Falle internationaler Krisen wird noch mit Einstimmigkeit entschieden. Die „Politische Union“ steht bis heute auf dem Papier. Eine „Sozialunion“ fehlt und wäre dringlicher als die schon beschlossene „Energieunion“.

Das von den Mitgliedern getragene verspätet direkt demokratisierte, nicht-konstitutionelle und multipräsidentielle Konstrukt stellt eine europäische Vertragsgemeinschaft dar, ein höchst komplexes, kaum mehr zu überblickendes und schwer durchschaubares, geschweige denn leicht zu erklärendes Gebilde, welches die Fragen der benannten Verantwortlichkeiten, d. h. letztlich ihrer Endzweckbestimmung (Finalität) und damit ihre Weiterbildung beantworten wird müssen, um den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts erfolgreich begegnen zu können.

 

Die EU kann in gegenseitigem Austausch als Geschichtssubjekt einerseits und ethisches Zukunftsprojekt andererseits geistes- und sozialwissenschaftlich erschlossen werden. Die Innovationskraft des geplanten Projektes zu bisherigen Europa-Debatten lässt sich damit wie folgt festmachen:

  1. Die gemeinsame Ausgangsperspektive von Ethik und Geschichtswissenschaft, eine entsprechende Themenauswahl und deren Bereicherung um weitere geisteswissenschaftliche Perspektiven.
  2. Eine fächerübergreifende Perspektive, um für die EU als Geschichtssubjekt zu sensibilisieren, das sich in seiner gegenwärtigen Gestalt nur aus der Vergangenheit erklären und hinsichtlich seiner Zukunftsmöglichkeiten angemessen verstehen lässt.
  3. Neben einer wissenschaftlichen Verortung des Themas geht es vor allem um den Wissenstransfer in die Bürgergesellschaft, das Herausgehen aus der Universität, und die damit verbundene Bewusstseinsstärkung angesichts der bevorstehenden Europawahlen. Zu denken ist ferner an die Bewerbung Hildesheims als europäische Kulturhauptstadt 2025. Die Attraktivität des Projekts liegt damit gerade auch in der zeitlichen Nähe zum europäischen Urnengang und zum Zukunftsprojekt „Hi2025“ begründet.
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Raum: W2-008 - Gebäude W (Tilsiter Straße) - Hauptcampus
Sprechzeit: Herr Prof. Gehler bietet folgende Sprechzeiten in der vorlesungsfreien Zeit an: 1.8. 8.8. 15.8. 29.8. 12.9. 19.9. jeweils 8h30-9h45 Uhr und nach Ver
Homepage: https://www.uni-hildesheim.de/fb1/institute/geschichte/das-institut/michael-gehler/ Homepage

Tätigkeitsbereiche:

  • Institut für Geschichte [Geschäftsf. Leiter]
  • Institut für Geschichte [Professor_innen]
  • Auswahlkommission Lore-Auerbach-Stipendien / Deutschlandstipendien Fachbereich 1 [Vertreter Gruppe Professor_innen (P)]
  • Auswahlkommission Minerva-Stipendien Fachbereich 1 [Vertreter Gruppe Professor_innen (P)]

Ausgewählte Publikationen

  1. Europa. Ideen – Institutionen – Vereinigung – Zusammenhalt, Reinbek/Hamburg 2018 (1318 Seiten) [komplett überarbeitete und erheblich erweiterte Neufassung der Version von 2010].
  2. Europa. Von der Utopie zur Realität (Haymon Taschenbuch 138), Innsbruck – Wien 2014 (423 S.) (stark erweiterte und aktualisierte Neuauflage von Europa. Von der Utopie zum EURO).
  3. Europa-Räume. Von der Antike bis zur Gegenwart (Historische Europastudien 14), hrsg. gem. m. Peter Müller und Peter Nitschke, Hildesheim – Zürich – New York 2016 (508 S.).
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Raum: HC.W1.0.05
Sprechzeit: z.Zt. nach elektronischer Vereinbarung
Homepage: https://www.uni-hildesheim.de/kath-theologie/institut/mitglieder/juniorprofessur-fuer-theologische-ethik/ Homepage

Tätigkeitsbereiche:

Ausgwählte Publikationen

  1. Schlüsselbegriff Resilienz. Die europäische Sicherheitsagenda in ethischer Lesart, in: Amosinternational 11 (2017) 2, 30-36.
  2. The European Union and its Values - Normative Guiding Principles or Moral 'Fig Leaf'?, in: Ethics and Armed Forces (2018) 2, 4-9. / Die Europäische Union und ihre Werte - normative Leitvorstellungen oder moralisches "Feigenblatt"?, in: Ethik und Militär (2018) 2, 4-9.
  3. Die Europäische Union als ethisches Projekt im Spiegel ihrer Außen- und Sicherheitspolitik (Studien zur Friedensethik 63), Münster/Baden-Baden 2018. (zus. mit Bernhard Koch)