Reflexionen zu den bibliographischen Sammlungen und Unterscheidungen

Die Geschichte der Philosophiegeschichtsschreibung ist bisher für den europäischen Raum vor allem in zwei großen Versuchen dargestellt worden. Der erste Versuch stammt von Lucien Braun und reicht bis zu Hegel. Der zweite Versuch wurde von Giovanni Santinello initiiert und reicht bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, wobei am Ende auch Russland einbezogen wird. Darüber hinaus hat Franz Martin Wimmer seit den 1980er Jahren an der Universität Wien Versuche unternommen, die Geschichte der Philosophiegeschichtsschreibung in globaler Perspektive zu erforschen und zu erweitern. Das Projekt "Geschichten der Philosophie in globaler Perspektive" steht in dieser Tradition und versucht die Ansätze von Wimmer fortzusetzen.

Ein zentrales Teilprojekt besteht darin, die Geschichte der Philosophiegeschichtsschreibung bis ins 21. Jahrhundert und in globaler Perspektive in den Blick zu bringen und anhand ausgewählter Beispiele zu erforschen. Um diese Forschungen zu ermöglichen und den Rahmen der Forschungen abzustecken, müssen umfangreiche bibliographische Materialien in verschiedenen Sprachen gesammelt werden. Allein die bibliographischen Sammlungen in den einzelnen Sprachen werfen erhebliche darstellerische und methodische Fragen auf. Da nicht nur die Materialien zur europäischen Philosophiegeschichte gesammelt werden, sondern alle Monographien – und darauf beschränkt sich die Sammlung –, die entweder im Titel das Wort „Philosophiegeschichte“ aufgreifen oder im weiteren Sinne sich selbst als eine Geschichte des „Denkens“ verstehen, werden auf der Grundlage des Materials Unterscheidungen eingeführt, die eine „Ordnung“ der philosophiegeschichtlichen Wissensbildung im Deutschen, Englischen, Chinesischen, Japanischen, Russischen, Türkischen usw. sichtbar werden lassen. Die dabei eingeführten Unterscheidungen werden jeweils im Rahmen der einzelnen Sprachen kritisch reflektiert. Denn keine „Ordnung des Wissens“ ist naturgegeben, sondern jede Ordnung trägt an das Material Unterscheidungen heran, die jeweils Vor- und Nachteile besitzen. Diese Probleme sollen in den Reflexionen zu den Unterscheidungen in den einzelnen Sprachen kritisch diskutiert werden.

Die Sammlung der bibliographischen Daten entsteht auf der Homepage vor den Augen der Öffentlichkeit, da alle Ergebnisse umgehend auf der Homepage zugänglich gemacht werden. Dieses Verfahren bringt ebenfalls Vor- und Nachteile. Ein zentraler Vorteil liegt darin, dass bereits jetzt umfangreiche Materialien zu den verschiedensten Gebieten und in den verschiedensten Sprachen zugänglich sind. Ein zentraler Nachteil liegt darin, dass nicht jeweils alle Bereiche einer Sprache sofort sichtbar werden und ein Anspruch auf Vollständigkeit in keinem Fall erhoben werden kann. Zugunsten der Vorteile werden derzeit die Nachteile in Kauf genommen.

Zu unserer Vorgehensweise

Ausgangspunkt unseres Forschungsprojekts sind umfassende Recherchen zu publizierten „Geschichten der Philosophie“ in allen Sprachen und aus allen Zeiten und Regionen der Welt. Wir gehen davon aus, dass einzelne Sprachen jeweils einen eigenen Diskursraum zur Philosophiegeschichtsschreibung bilden, der wiederum mit anderen Sprachen verflochten ist. Deshalb erfolgt die Grundunterscheidung zur Ordnung des vorliegenden Materials anhand von Sprachen und nicht anhand von Nationalgrenzen. Das Material in den jeweiligen Sprachen wurde der Übersichtlichkeit halber weiter geordnet nach Jahrhunderten, Kontinenten, Religionen bzw. Lehren, Völkern/Nationen, Epochen und Bereichen oder auch Geschlecht (zur Zuordnung von Geschichten der Philosophinnen). Ein Schwerpunkt des Materials liegt dabei auf dem 20. und 21. Jahrhundert.

Zur Zuordnung

Eine neue Kategorie wird eröffnet, sobald mindestens drei Werke vorliegen, die dieser zugeordnet werden können. Ausschlaggebend für die Zuordnung sind im Wesentlichen der Titel des Werkes sowie (sofern dies möglich ist) ein Blick ins Inhaltsverzeichnis.

Einige Zuordnungen ergeben sich nicht aus den Titeln oder Inhaltsverzeichnissen, sondern nur aus den Inhalten der Werke. Das betrifft vor allem jene Sprachen und Philosophietraditionen, in denen Philosophiegeschichtsschreibung unter anderen Begrifflichkeiten als in europäischen Sprachen erfolgte, aber dennoch ein klar philosophiehistorisches Bewusstsein deutlich wird. Dieses Vorgehen wird in den einzelnen Sprachen gesondert erläutert.

Zur Kategorie Europäische/Westliche Philosophie

Auch die Zuordnung zur Kategorie Europäische/Westliche Philosophie erfolgt nicht anhand des Titels. In den europäischen Sprachen finden sich sehr wenige Bücher mit dem Adjektiv ‚europäisch‘ oder ‚westlich‘ im Titel, etwas häufiger ist der Begriff ‚abendländisch‘ zu finden. Erst in jüngster Zeit kennzeichnen einige Titel, dass es sich um eine Geschichte der europäischen Philosophie handelt. Ein Blick ins Inhaltsverzeichnis zeigt jedoch, dass in Büchern mit allgemeinen Titeln wie Geschichte der Philosophie, Allgemeine Geschichte der Philosophie, Handbuch oder auch Grundriss der Philosophie meist ausschließlich europäische Philosophiegeschichte behandelt wird. Hieran kann man besonders gut Stereotype und Vorurteile der (europäischen) Philosophiegeschichtsschreibung erkennen, wie die Annahme, dass eine sehr spezifische regionale Philosophiegeschichte die Entwicklung der Philosophie im Allgemeinen darstelle. Um solche Probleme sichtbar zu machen, wurde die Kategorie Europäische/Westliche Philosophie von uns eingeführt, um Werke einzuordnen, die den westlichen Horizont nicht überschreiten. Damit ist diese Kategorie ein wichtiger Bestandteil unseres Projekts: Sie verweist auf unser Anliegen, mit der eurozentrischen Tradition der Philosophiegeschichtsschreibung zu brechen und die Pluralität sowie die Verflechtungsgeschichten der Philosophien in den Vordergrund zu stellen. Geschichten der Philosophie, die den europäisch-westlichen bzw. den auf eine regionale Philosophietradition begrenzten Horizont überschreiten, werden gesondert im Bereich „Globale Philosophiegeschichten in verschiedenen Sprachen“ gesammelt.

In nicht-europäischen Sprachen wie dem Chinesischen oder Japanischen hingegen werden Begriffe wie ‚westliche‘, ‚europäische‘ oder auch ‚ausländische‘ Philosophie verwendet, um die Geschichte der Philosophie in Europa und Nordamerika – in Abgrenzung zur eigenen Philosophiegeschichte – zu bezeichnen. Diese Einteilungen werden in den einzelnen Sprachen näher erläutert.

Epocheneinteilungen

Wir haben uns entschieden, Epochen den jeweiligen Regionen oder dem jeweiligen Land zuzuordnen. Damit wollen wir zum einen deutlich machen, dass die Einteilung in Antike – Mittelalter – Renaissance – Moderne eine europäische Form der Periodisierung darstellt, die nicht ohne weiteres verallgemeinert werden kann. Ohnehin sind diese Epocheneinteilungen auch im europäischen Rahmen nicht unumstritten. Zum anderen musste Raum gegeben werden für andere Formen der Periodisierung, wie wir sie u.a. im Chinesischen und Japanischen finden.

Forschungsausblick

Anhand der Zuordnung der Titel werden unterschiedliche Schwerpunkte und Forschungsinteressen in der Philosophiegeschichtsschreibung in den verschiedenen Sprachen deutlich, die nunmehr weiter untersucht werden müssen.

Dass auch unsere Grundeinteilungen bisher einem eher klassischen Muster folgen (räumlich-geographisch, zeitlich und systematisch), ist uns bewusst und wird ständig mitreflektiert. Aus diesem Grund trägt unser Ansatz einen transformativen, prozesshaften Charakter. Wir versuchen dabei stets auch die blinden Flecken in unserem eigenen Vorgehen aufzuspüren und in den Blick zu bringen. So haben verschiedene Einteilungen bereits mehrfache Veränderungen erfahren. Das Projekt ist offen für Neuentdeckungen ebenso wie für Kritik und versteht sich selbst als einen geschichtsproduktiven Prozess, der naturgemäß nicht abschließbar ist.

 

Reflexionen zu den Unterscheidungen in einzelnen Sprachen (im Aufbau)

Altgriechisch

Arabisch

Chinesisch

Deutsch

Englisch

Japanisch

Latein

Türkisch