Ästhetische Praxis und kulturwissenschaftliche Forschung

mardi, 09. octobre 2018 um 08:00 Uhr

Etwa 120 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Deutschland, der Schweiz und Österreich sowie aus Frankreich, Belgien und Tunesien tagen in dieser Woche auf dem Kulturcampus in Hildesheim. Professor Stefan Krankenhagen spricht im Interview über die ästhetische Praxis. „An der ästhetischen Praxis können wir beobachten und erkunden, wie nicht-notwendiges Handeln – etwa auf den Bühnen des Theaters, der Kunst oder der Populären Kultur – zu einem notwendigen Teil der Gesellschaft wird“, sagt der Hildesheimer Kulturwissenschaftler.

Am Donnerstag, 11. Oktober 2018, wird am Kulturcampus Domäne Marienburg die 4. Jahrestagung der Kulturwissenschaftlichen Gesellschaft eröffnet. Von 21 bis 24 Uhr können sich Besucherinnen und Besucher jeweils zur vollen Stunde von einer zwanzigminütigen Lichtinstallation des Künstlers Kurt Laurenz Theinert in den Bann ziehen lassen. Alle interessierten Hildesheimerinnen und Hildesheimer sind herzlich eingeladen.

Die Hauptvorträge halten die Kunsthistorikerin Beatrice von Bismarck aus Leipzig (am Donnerstag, 11. Oktober 2018) zum Thema „Das Kuratorische: Konstellation, Forschung und ästhetische Praxis“ und Dieter Mersch aus Zürich (am Freitag, 12. Oktober 2018). Der Professor für Ästhetik und Theorie spricht über die Erkenntnispraxis des Ästhetischen. Während eines Praxisrundgangs am Freitag, 12. Oktober, zeigen Studentinnen und Studenten eine Auswahl der Hildesheimer ästhetischen Praxis. Während einer öffentlichen Paneldiskussion am Samstag, 13. Oktober 2018, im Theater für Niedersachsen diskutieren die Fachleute über die Re-Politisierung der Kunst.

Über ästhetische Praxis und kulturwissenschaftliche Forschung spricht Professor Stefan Krankenhagen vom Institut für Medien, Theater und Populäre Kultur im Interview.

Programm der Konferenz

Interview mit dem Kulturwissenschaftler Prof. Dr. Stefan Krankenhagen

Herr Professor Krankenhagen, Sie organisieren die Jahrestagung der kulturwissenschaftlichen Gesellschaft. Die Konferenz findet vom 11. bis 13. Oktober auf dem Kulturcampus in Hildesheim statt. Warum in Hildesheim?

Weil Kollegen aus Hildesheim zu den Gründungsmitgliedern der 2013 ins Leben gerufenen Kulturwissenschaftlichen Gesellschaft gehören und weil unsere kulturwissenschaftliche Studiengänge sowie unsere hiesigen Forschungsleistungen relevante Positionen im deutschsprachigen Raum vertreten. Die prosaische Antwort lautet allerdings: einer muss es ja machen.

Das Thema der Konferenz lautet „Ästhetische Praxis und kulturwissenschaftliche Forschung“. Mit der Wendung „ästhetische Praxis“ rücken Sie das Handeln in den Vordergrund. Warum ist die Beschäftigung mit diesem Thema notwendig?

Wir rücken ja eine spezifische Form des Handelns in den Mittelpunkt unserer Beschäftigung, nämlich die ästhetische Praxis. An einer solchen Praxis kann, zum Beispiel, beobachtet und erkundet werden, wie nicht-notwendiges Handeln (auf den Bühnen des Theaters, der Kunst oder der Populären Kultur) zu einem notwendigen Teil der Gesellschaft wird.

Und welche Kriterien machen eine „ästhetische Praxis“ zu einer solchen? Können Sie da einmal ein Beispiel erläutern?

Unsere Annahme ist, dass sich ästhetische Praxis immer nur im Moment der Praxis als solche beschreiben lässt. Es gibt also keine eindeutigen Kriterienkatalog, gerade weil jener Begriff als ein Motor der Entgrenzung auftritt. Alltagshandlungen – ein Videospiel spielen – können also zu Momenten ästhetischer Praxis werden. Nicht nur dann, wenn das Videospielen immer häufiger auf Theaterbühnen stattfinden, sondern auch dann, wenn das eigene Spielen ästhetisch in eine Form gebracht wird. Etwa, indem es aufgenommen, auf soziale Plattformen hochgeladen und damit der öffentlichen Bewertung und Kommentierung ausgesetzt wird. Gleichzeitig kann das Videospielen immer eine Alltagshandlung bleiben.

„Die Kunst ist eine Form der Wissenserzeugung“

Ein Merkmal der Hildesheimer kulturwissenschaftlichen Studiengänge ist die Verbindung von Theorie und Praxis. Was bedeutet das für die Forschung? Wie verändert sich der Forschungsprozess und die Wissensproduktion unter Einbeziehung der Produktion von Kunst?

Die Kunst ist vielleicht einfach eine andere Form der Wissenserzeugung; sollte also nicht als Ersatz einer traditionellen epistemischen Praxis missverstanden werden. Wir brauchen weiterhin eine auf Begriffen, auf Quellen und auf öffentlicher Transparenz fundierende Wissenschaftspraxis. Die ästhetische Praxis, die eben nicht das selbe ist wie das institutionalisierte Feld der Kunst, stellt andere Fragen oder führt die Handelnden zu diesen anders gelagerten Fragen.

Welche Chancen und Probleme entstehen in der Wissensproduktion, wenn ein Wissenschaftler oder eine Wissenschaftlerin zugleich als Künstler oder Künstlerin zum Beispiel im Theater tätig ist?

Das eher implizit erworbene Wissen einer Künstlerin und eines Künstlers braucht erstens Zeit, und muss zweitens adäquat kommuniziert werden. Deshalb sind die Herausforderungen für den Universitätsbetrieb auch so groß: wir brauchen Zeit für Erfahrungen und Zeit für ein gemeinsames Vokabular.

Die Fragen stellte Isa Lange.

Öffentliche Podiumsdiskussion

Das Programm am Samstag, 13. Oktober 2018, schließt mit einer Podiumsdiskussion zum Thema „Die Ästhetisierung des politischen Widerstands“ an der Rachida Triki, Professorin für Ästhetik an der Universität in Tunis, Christian Demand, Herausgeber des Merkur aus Berlin, Yasser Almaamoun vom Zentrum für Politische Schönheit und Markus Schäfer vom Theaterkollektiv Markus&Markus teilnehmen. Die Podiumsdiskussion ist öffentlich und findet von 12.30 bis 14 Uhr im Foyer 1 des Theaters für Niedersachsen statt. Interessierte sind auch hierzu herzlich eingeladen.


Stefan Krankenhagen forscht und lehrt als Professor für Kulturwissenschaft mit dem Schwerpunkt Populäre Kultur seit 2011 an der Universität Hildesheim. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören Kul­turtheorien der Moderne, Museumstheorie und Museumspraxis, die Inszenierung von Geschichte in den Künsten, Medien und in der Populären Kultur sowie die Theorie und Praxis partizipatorischer Medien. Foto: Daniel Kunzfeld, Kulturcampus: Andreas Hartmann

Stefan Krankenhagen forscht und lehrt als Professor für Kulturwissenschaft mit dem Schwerpunkt Populäre Kultur seit 2011 an der Universität Hildesheim. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören Kul­turtheorien der Moderne, Museumstheorie und Museumspraxis, die Inszenierung von Geschichte in den Künsten, Medien und in der Populären Kultur sowie die Theorie und Praxis partizipatorischer Medien. Foto: Daniel Kunzfeld, Kulturcampus: Andreas Hartmann