2021 - Preise für beste Abschlussarbeiten und für besonderes Engagement

Hildesheimer Dreiklang wird prämiert: Forschung | Erprobung | Vermittlung

„Ist eine Stadt attraktiv, ist sie auch ein attraktiver Studienort und umgekehrt“

24. Juni 2021, 17 Uhr: Ankommen im Rathaus Hildesheim. Erstmals seit vielen Wochen wurden die historischen Türen für eine Veranstaltung geöffnet. Auf der Empore der Rathaushalle fand unter strenger Einhaltung der zu diesem Zeitpunkt nach wie vor geltenden Infektionsschutzregeln die Ehrung der Preisträger*innen der Universitätsgesellschaft Hildesheim e.V. statt; maximal 15 Personen waren zugelassen und anwesend. Die Universitätsgesellschaft hat diese Herausforderung angenommen und die mit 500 Euro dotierten Förderpreise 2021 in Präsenz an Julia Hoffmeister (BA), Joelle-Jocelyne Lüdtke (MA) und Revert Klattenberg (Dissertation) verliehen. In diesem Jahr wurde zudem der jeweils mit 1000 Euro dotierte Preis an Lehrende und Studierende für besonderes Engagement an Prof. Dr. Jürgen Menthe und Aleen Hartmann, stellvertretend für das Studierendenprojekt „State of the Art“ vergeben. Zudem gab es erstmals in der Geschichte der Universitätsgesellschaft einen mit 1000 Euro dotierten Sonderpreis, mit dem Vizepräsident Prof. Dr. Martin Schreiner ausgezeichnet wurde. Würdigungen und Glückwünsche kamen vom Vorstand der Universitätsgesellschaft, vertreten durch den Vorsitzenden Heinz-Werner Ernst, der Präsidentin der Universität Hildesheim, Prof. Dr. May-Britt Kallenrode und dem Oberbürgermeister der Stadt Hildesheim, Dr. Ingo Meyer.

„Ist eine Stadt attraktiv, ist sie auch ein attraktiver Studienort und umgekehrt“, dieses Miteinander hob Oberbürgermeister Dr. Ingo Meyer in seiner Begrüßung hervor. Die Geschicke von Universität und Stadt seien eng miteinander verwoben, z. B. im Bereich Arbeit, Wirtschaft und in der Bearbeitung zukunftsorientierter Themen. Hier nannte er die gesellschaftliche Entwicklung insgesamt als Herausforderung und lobte das Engagement der Hildesheimer Wissenschaftler*innen und Studierenden in diesem Bereich. Die Präsidentin dankte dem Rathauschef ausdrücklich, dass es möglich sei, ins Rathaus zu kommen und dadurch auch im Herzen der Stadt sichtbar zu sein. Sie griff in ihrer Begrüßung die Relevanz von Preisen und Auszeichnungen auf und dankte insbesondere den Mitgliedern der Universitätsgesellschaft, dieses zu ermöglichen. Relevant sind die Preise einerseits für die Ausgezeichneten, weil sie zu Sichtbarkeit und Vernetzung führen – neben dem Preisgeld wird diese Auszeichnung auch im Lebenslauf aufmerken lassen. Andererseits zahlen die herausragenden Leistungen der Preisträger*innen auf die Universität und ihr Profil selber ein und wirken so wiederum in unsere Gesellschaft hinein. Im Kontext der Pandemie kamen dahingehend z. B. wichtige Impulse aus der Hildesheimer Universität und wiederum aus der Gesellschaft zurück in die Forschung.

Die Preisträger*innen wurden auf Empfehlung der Förderkommission ausgewählt und in ihren Leistungen und ihrem Engagement gewürdigt, indem die Begegnung von Stadt und Wissenschaft, sowie der Austausch mit in den Mittelpunkt der Preisverleihung gestellt wurde. Der Vorsitzende der Universitätsgesellschaft, Heinz Werner Ernst, trat jeweils ins Gespräch mit den Tandems aus Preisträger*in und Gutachter*in ein. Es war ein gelungener Ansatz. Denn in den Gesprächen kam die Freude an Fragestellungen und neuen Wegen zum Ausdruck und Erfolgsgeschichten wurden erzählt. Wissenschaft berührt und bereichert, davon konnten sich alle Anwesenden an diesem Nachmittag überzeugen. Alle zeigten sich begeistert von den Arbeiten und Leistungen, die insbesondere auch für Hildesheim so wertvoll seien.

Beste Bachelorarbeit

Julia Hoffmeister wurde für ihre Einzelfallstudie zur Wirksamkeit von Herzratenvariabilität-Biofeedback Training bei Angststörungen mit dem Förderpreis für die beste Bachelor-Arbeit ausgezeichnet. Vorgelegt wurde die Arbeit im Fachbereich Erziehungs- und Sozialwissenschaften, Studiengang Psychologie. Der Gutachter, Dr. Valentin Markov, lobte die forscherische Perspektive dieser Arbeit und die ausgesprochene Detailliertheit bei der Herausarbeitung neuer Verfahren.

Beste Masterarbeit

Joelle-Jocelyne Lüdtke hat im Studiengang Lehramt an Grundschulen die beste Masterarbeit vorgelegt und sich darin mit Sport in der Corona-Krise befasst. Die von ihr herausgearbeiteten Auswirkungen der Krise auf die sportliche Aktivität während der COVID-19 bedingten Einschränkungen überraschten. Sie beleuchtete mit ihrer Arbeit eine Nische und mahnte an, dass Sport in seinen Auswirkungen auf unsere Lebensqualität bisher unterschätzt und insbesondere im Schulunterricht viel zu häufig als Nebensache betrachtet werde. Dr. Dennis Wolff, Gutachter der Arbeit, unterstrich die Ergebnisse und nannte den zunehmenden Trend zum Individualsport als Forschungsfeld, das sich für ihn wiederum aus dieser Arbeit ergeben hat.

Beste Dissertation

Revert Klattenberg hat die Bedeutung von Forschung im Kontext der Lehrer*innenausbildung herausgestellt. In seiner Dissertation im Fachbereich Sprach- und Informationswissenschaften untersuchte er Unterrichtskommunikation und wendete sich mit gesprächsanalytischen Methoden dem Classroom Management (CM) zu. Dabei behandelte er ein Phänomen, das bisher meist unter primär erziehungswissenschaftlicher Perspektive betrachtet wurde. Aber Klassenführung, Unterrichtsführung oder Klassenmanagement wie CM meist im Deutschen bezeichnet wird, sind keineswegs auf Disziplinierung zu beschränken. Vielmehr sind darunter alle Aktivitäten zu fassen, die Lehrkräfte im Klassenzimmer unternehmen, um eine Lernumgebung zu gestalten, die sowohl curriculares als auch emotionales und soziales Lernen ermöglicht, zu verstehen. Gerade jetzt, wenn die Schüler*innen nach der Corona-Krise wieder zurück in die Schule kommen, sei es wichtig, sie wieder neu zum Lernen zu motivieren. Mit welcher Sprache, welchen Mechanismen und Aktivitäten das gelingen kann, hat Revert Klattenberg anhand seiner linguistischen Analyse erforscht. Prof. Dr. Friedrich Lenz, Gutachter der Arbeit, betonte, dass es vor allem auch in der Lehramtsausbildung wichtig sei, Forschung und Praxis zu verbinden und Studierende dazu zu motivieren, sich für Forschung zu begeistern. Viel zu häufig kommen begabte Studierende nicht an die Uni zurück, wenn sie erst einmal im Schulalltag Fuß gefasst haben. Dabei sei Bildungsforschung ein zentraler Erfolgsfaktor für unsere Gesellschaft.

Alle Preisträger*innen zeichneten sich in ihrem Vorgehen durch intrinsische Motivation, Kreativität, wissenschaftliche Expertise und Freude an Forschung aus. Sie eint die Fähigkeit, praktische Erfahrungen in theoretische Betrachtungen zu überführen und Erkenntnisse daraus wieder in der Praxis umzusetzen. Dieses dialogische Prinzip zählt zum Charakter wissenschaftlicher Tätigkeit und ist so wertvoll für unsere Gesellschaft insgesamt.

Die Preise für besonderes Engagement: Lehren, lernen und leisten

Im zweiten Teil der Festveranstaltung wurden die Preise für besonderes Engagement vergeben. Eine besondere Aufmerksamkeit galt den Urkunden selbst. Darauf wurde das Logo der Universitätsgesellschaft per Schreibmaschine erstellt. Diese Form, analoge Kommunikation ins Bild zu rücken und sich der Unverrückbarkeit von einmal "Getipptem" zu erinnern, ist u. a. Leitgedanke eines Seminars im Institut für Kunst und Kunstwissenschaft unter der Leitung von Jan Schönfelder. Die Urkundengestaltung folgte seiner Idee.

Den Preis für die Lehrenden erhielt Prof. Dr. Jürgen Menthe, seit 2015 Professor für Chemie und ihre Didaktik an der Universität Hildesheim, für sein Engagement in der Vermittlung von Naturwissenschaften an eine breite Öffentlichkeit, insbesondere an Kinder und Jugendliche. Im Gespräch mit Matthias Ullrich, Mitglied im Vorstand der Unigesellschaft und Geschäftsführer der Hildesheimer Wirtschaftsförderungsgesellschaft HI-Reg, berichtete er über seine vielfältigen Kooperationen und wie wichtig es sei, angehende Lehrkräfte frühzeitig mit der Praxis in Verbindung zu bringen, eben Experimentierfelder zu schaffen, wo Schüler*innen und Lehramtsstudierende frühzeitig gemeinsam miteinander in Kontakt kommen. Dafür setze er sich ein. Matthias Ullrich betonte, wie wertvoll dieses Engagement für die Stadtgesellschaft und auch für die Unternehmen vor Ort sei und benannte außerschulische Lernorte, wie das Explore Sciencenter oder auch die Sternwarte, die als solche Praxisfelder bereits erfolgreich gestaltet werden und wirken.

Der Preis für die Studierenden wurde an das Studierendenprojekt „State of the Art“ vergeben. Aleen Hartmann hat die Auszeichnung stellvertretend für die Gruppe entgegengenommen. Das „State of the Art“ wurde 2009 von Studierenden des Fachbereichs II Kulturwissenschaften und Ästhetische Kommunikation der Stiftung Universität Hildesheim gegründet. Seitdem findet es jährlich statt und ergänzt das aus Theorie und Praxis bestehende universitäre Curriculum. Es wird von den Studierenden selbst und sehr professionell organisiert. Das wurde besonders hervorgehoben. Als selbsternanntes Diskursfestival hatte es von Beginn an den Anspruch, möglichst vielen Studierenden eine Plattform zu bieten, ihre Projekte zu zeigen und daraus gemeinsam mit Kommiliton*innen, Dozierenden und anderen Interessierten eine Gesprächskultur zu entwickeln und zu praktizieren. Im Gespräch mit Lene Wager, selbst Absolventin der Hildesheimer Kulturwissenschaften, Mitglied im Vorstand der Unigesellschaft und Leiterin der Stabstelle Kultur und Stiftungen der Stadt Hildesheim, betonte Aleen Hartmann, wie wichtig es sei, Kultur als systemrelevant zu wertschätzen und zu finanzieren. Der Preis sei in der Hinsicht ein wichtiges Signal das einmal mehr hervorzuheben. Für das aktuelle 13. Festival, das vom 29. bis 31. Oktober 2021 stattfindet, habe man sich Barrierefreiheit auch im Hinblick auf die Vermittlung an eine breite Öffentlichkeit als Ziel gesetzt. Das Projekt werde wieder in die Stadt kommen und sprachliche Barrieren überwinden, um verständlich zu sein und für die Bedeutung für Kultur in der Gesellschaft und die Hildesheimer Kulturwissenschaften zu werben. Nichts sei selbstverständlich.

Der Sonderpreis 2021

Prof. Dr. Martin Schreiner, seit 1997 Professor für Religionspädagogik an der Universität Hildesheim, wurde für sein langjähriges Wirken für die Verbindung von Universität und Stadt mit einem Sonderpreis gewürdigt. Erstmals in der Geschichte der Universitätsgesellschaft habe man entschieden, einen Sonderpreis zu vergeben, um Schreiners Engagement angemessen zu wertschätzen, erläuterte Heinz Werner Ernst diesen Preis.

Glauben Kinder an Gott? Wie stellen sie sich Gott vor? Was bedeutet Religiosität für den Nachwuchs? Drei Grundsatzfragen waren es, die Professor Dr. Martin Schreiner bei seinem Ankommen zum Sommersemester 1997 in Hildesheim beschäftigt und mit der Stadt in Verbindung gebracht haben. Seitdem ist Hildesheim sein Lebens- und Wirkungsort. Im Gespräch mit Oberbürgermeister Dr. Ingo Meyer erzählte er eine kleine Geschichte seines Ankommens in der Domstadt. Es sei ein Miteinander vom ersten Moment an gewesen. Er erinnerte sich daran, wie er am 15. Januar 1996 an einem Tisch in den Amtshausstuben des Knochenhauer Amtshauses eine Postkarte an seine Familie geschrieben habe. Am Folgetag stand sein Vortrag im Hörsaal S 2 an. Er hatte das Gefühl, dass es der Beginn einer wunderbaren Zeit sein werde. Dieses Gefühl war richtig. Er bekam den Ruf auf die Professur und fühlt sich mit seiner Familie bis heute in Hildesheim zu Hause. Die Bedeutung des Ankommens knüpft an eine Idee der Präsidentin an, die neuen Professor*innen im Rahmen eines Stadtspaziergangs zu begrüßen. Oberbürgermeister Dr. Meyer zeigte sich dieser Idee sehr aufgeschlossen gegenüber und begrüßte es, diese Initiative vielleicht schon zum kommenden Wintersemester zu starten. So gestaltete sich die Verleihung des Sonderpreises als Impuls für neue Möglichkeiten einer Willkommenskultur zwischen Uni und Stadt.

 

Fotos: Daniel Kunzfeld