Zwischen Burg, Wall und Welt: Studierende des Hildesheimer Kulturcampus kooperieren mit internationalen Akteur*innen auf den Wallungen

mercredi, 24. mai 2023 um 13:12 Uhr

Im Zentrum der diesjährigen Wallungen stehen Ost- und Westafrika, genau genommen Ruanda, Uganda, Nigeria und Ghana. Insgesamt acht Gäste aus diesen Ländern, jeweils zwei pro Land, gestalten die Wallungen programmplanerisch mit. Vom 22. bis 26. April desselben Jahres waren Alumni der Sustainable Development Goal Graduate School des kulturpolitischen Instituts und des Centers for World Music im Rahmen eines Workshops in Hildesheim. Vier dieser Alumni sind dieses Jahr als artists-in-residence aus Nigeria und Ghana bei den Wallungen tätig.

Seit 2009 finden die Wallungen als Festival statt, sie präsentieren die regionale Kulturszene. Dieses Jahr setzen sie erstmalig internationale Schwerpunkte in Form eines Residency Programms in Zusammenarbeit mit Akteur*innen aus Ruanda, Uganda, Nigeria und Ghana. Die artists-in-residence aus Nigeria und Ghana waren anlässlich der SDG Graduate School zu Gast. Schon länger bringt sich das Institut für Kulturpolitik bei den Wallungen ein, welche die Interessengemeinschaft Kultur Hildesheim e.V. alle zwei Jahre und diesjährig unter anderem in Kooperation mit dem gemeinnützigen Verein PENGO e.V. veranstaltet. Das Institut für Kulturpolitik wirkt gemeinsam mit PENGO e.V. am internationalen Programm mit und organisiert Diskussionsreihen: Seit letztem Wintersemester findet am Institut für Kulturpolitik Prof. Dr. Julius Heinickes Doppelseminar zum Thema „Postkoloniale Ansätze der Kulturvermittlung“ statt, darüber hinaus leitet Julia Speckmann die Übung „Ein Begleitprogramm für das internationale Residenzformat der Wallungen 2023“. In beiden Veranstaltungen liegen Schwerpunkte auf internationaler Kulturarbeit, Studierende arbeiten mit internationalen Kulturschaffenden zusammen, tauschen ihre Perspektiven aus und diskutieren. Diese vielfältigen Räume des Austauschs sind, so Annika Rachor von PENGO e.V., „für ein Festival wie die Wallungen von großem Wert." PENGO e.V. kooperiert seit seiner Gründung mit Künstler*innen aus Uganda und Ruanda. Die Mitglieder von PENGO e.V. setzen sich aus Alumni und Studierenden zusammen und sind somit mit dem UNESCO Lehrstuhl der Uni Hildesheim und dem Fachbereich Kulturwissenschaften und ästhetische Kommunikation eng verbunden.

Lea Frauenknecht, Mitarbeiterin am UNESCO-Lehrstuhl und dem Center for World Music, koordinierte zugleich den Alumni-Workshop der SDG Graduate School. Sie erhofft sich aus der Zusammenarbeit mit dem Team um die Wallungen einen „Brückenschlag zwischen Forschung und Zivilgesellschaft und vor allem künstlerischer Praxis in Hildesheim.“ Sie spricht von einem „glokalen“ Ansatz, der genauso lokal wie global ausgerichtet ist: Globale Fragestellungen zu Community und Zusammenarbeit sollen mit lokalen Ansätzen erörtert werden. Dass sich die Gastländer alle zwei Jahre einbringen sollten, so Annika Rachor, früher selbst Studierende am Institut für Kulturpolitik und heute Hauptverantwortliche bei PENGO e.V., werden alle erkennen können, denn sie sollen immer auch „Partnerinstitutionen aus den Ländern mitbringen, die Künstler*innen empfehlen, die dann zur Residenz kommen und sich an Diskussionsreihen beteiligen“. Neben primären Darbietungsformen wie Musik und Theater, werden Diskussionen zu Grundsatzfragen aus den Bereichen Nachhaltigkeit und dem Umgang mit Kultur in den jeweiligen Gastländern gezeigt.

„Wir werden in den Austausch treten, Projekte haben, verschiedene Workshops mit verschiedenen Institutionen, Studierende erlernen interkulturelle Kompetenzen und Fähigkeiten im Projektmanagement, können ihr eigenes Blickfeld erweitern“, so Annika Rachor. Darüber hinaus wünscht sie sich nachhaltige Kooperationen; Projekte, die bestehen blieben.

Daran angeschlossen stellt sich die Frage, inwiefern die internationale Zusammenarbeit zwischen PENGO e.V. mit seinen personellen Verbindungen zum Institut für Kulturpolitik, zur SDG Graduate School Workshop und der Interessengemeinschaft Kultur in Hildesheim weiterhin nachhaltig gestaltet werden kann: PENGO e.V. legt inhaltliche Schwerpunkte auf Uganda und Ruanda, ist personell aber zugleich mit dem UNESCO Lehrstuhl verwoben, der viele Kontakte zu Kolleg*innen in arabischen und afrikanischen Ländern wie zum Beispiel Marokko, dem Libanon, Südafrika und Zimbabwe pflegt. Seit einem Jahr besteht eine Erasmuskooperation mit der Université Félix-Houphouët-Boigny Abidjan Cocody in Côte d’Ivoire.

Dass das Kulturpolitische Institut und der Fachbereich sich vermehrt auch in das kulturelle Geschehen in Hildesheim einbringen möchten, erläutert Dr. Daniel Gad, wurzele unter anderem in der vernetzend wirkenden Kulturhauptstadt-Bewerbung Hildesheims und der Erkenntnis, dass sich eine Hochschule immer auch mit seinem Standort beschäftigen und sich beteiligen sollte, für Studierende und Alumni ein förderliches Umfeld zu begleiten und so eigeninitiative Projekte zu fördern, an das Universitätsgeschehen anzudocken und dabei auch die im Vergleich zu früheren Zeiten kurze Verweildauer der Beteiligten in der Stadt zu verlängern.

In diesem Lichte ist auch Lea Frauenknechts Bestreben, einen Rahmen der Interaktion zu schaffen, in dem „zum Thema Community alle etwas beitragen können“ zu lesen. Auf die Fragen hin, was nach diesem Workshop geschehe, wünscht sie sich „Wallungen als Plattform akademischer, künstlerischer und zivilgesellschaftlicher Perspektiven“, „Perspektiven unterschiedlicher lokaler Kontexte“, „Guten Austausch“. Wie die Ergebnisse des SDG Alumni-Workshops selbst, in den sich Alumni der Graduate School in Form von Brainstormings zu Fragestellungen rund um „Community“ einbrachten, schlussendlich die Wallungen mitgestalten werden, zeige sich somit erst im Laufe der konkreten Residency.

Zugleich zieht Annika Rachor aus organisatorischer Sicht die Bilanz: „Die Uni kann noch mehr unterstützen, überdenken, wie eine solche Kooperation aussehen kann. Wir sind der Uni sehr dankbar für die Unterstützung in den letzten Jahren, und freuen uns, wenn da in Zukunft noch mehr zusammen machbar ist. In Hildesheim ist bei Geldern und Kulturarbeit noch viel Potential, auch wenn sich schon viel verändert hat.“


Zu sehen: Brainstorming während des Sustainable Development Goal Workshops. Foto: Viktoria Helene Ong