Uni und Familie: Familienkodex

mercredi, 22. juillet 2015 um 18:54 Uhr

Die Universität Hildesheim hat in dem „Familienkodex“ ihre Führungskräfte auf einen familiengerechten Führungsstil verpflichtet. Eine Broschüre ist ab sofort online abrufbar. Darin äußern sich auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Studierende.

„Familien- und Pflegeaufgaben sollen keinen Nachteil für Studium und Karriere bringen, Führungskräfte an der Universität sollen diese Lebensphasen berücksichtigen“, sagt Frauke Beuter, Mitarbeiterin des „audit familiengerechte hochschule“ im Gleichstellungsbüro der Universität.

Das Gleichstellungsbüro hat eine Broschüre „Familienkodex: Empfehlungen für familiengerechtes Führen in Wissenschaft und Verwaltung“ (PDF) veröffentlicht. Führungskräfte „übernehmen Personalverantwortung und haben dadurch maßgeblichen Einfluss auf die Studien- und Arbeitsbedingungen und damit auch darauf, inwiefern eine familiengerechte Organisationskultur tatsächlich gelebt wird“, schreiben Universitätspräsident Professor Wolfgang-Uwe Friedrich und der hauptberufliche Vizepräsident Matthias Kreysing in der Broschüre. „Die Universität will die Vereinbarkeit von Studium beziehungsweise Beruf und Familie für alle Mitglieder der Hochschule gewährleisten, deshalb schafft sie familienfreundliche Arbeits- und Studienbedingungen und entwickelt ein soziales Umfeld, in dem Studieren, Arbeiten und Forschen mit Familie möglich ist“, heißt es dort.

Die Universität habe sich dazu mit dem Erwerb des Zertifikats „audit familiengerechte hochschule“ verpflichtet. Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Studium, Beruf, Pflege und Familie werden regelmäßig begutachtet und weiterentwickelt. So wurde zum Beispiel ein Familienraum am Hauptcampus für Beschäftigte und Studierende mit Kindern eingerichtet und für die Verwaltungsmitarbeiter_innen alternierende Telearbeit eingeführt.

Mit dem Familienkodex wendet sich die Hochschule nun direkt an Führungsverantwortliche: Darin werden Empfehlungen in den Bereichen Information und Kommunikation, Arbeitszeit, Arbeitsorganisation sowie Personalentwicklung getroffen. So sollen zum Beispiel Führungskräfte in Wissenschaft und Verwaltung Informationen und Wissen über familiengerechte Angebote an ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Studierende weitergeben, zum Beispiel über die uni-nahe Kita „Rasselbande“, die flexible Kinderbetreuung „flexi“, den Familienraum am Hauptcampus (Raum I 001) und eine Internetseite zum Thema Pflege informieren. Außerdem sollen sie Termine frühzeitig und „unter Angabe der Sitzungsdauer“ festlegen und sich dabei „an den Kernbetreuungszeiten der Kinderbetreuungseinrichtungen orientieren“. Wenn Studierende aus familiären Gründen fehlen, sollen Lehrende „soweit möglich alternative Formen der Leistungserbringung“ ermöglichen.

Nachgefragt – vier Beispiele zur Vereinbarkeit von Studium/Arbeit und Familienaufgaben:

„Das ist überhaupt der größte Vorteil von Telearbeit, dass ich mir die Arbeitszeit ganz individuell einteilen kann. Außerdem bin ich zuhause noch ungestörter als im Büro. Und die Wegezeit spare ich obendrein. Trotzdem bin ich immer telefonisch erreichbar, da ich mein Telefon auf mein Handy umgeleitet habe. Für mich ist Telearbeit eine sehr gute Sache, die es mir erlaubt, die Anforderungen meines Berufs und meiner Familie besser unter einen Hut zu bekommen“, sagt Angelika Obstoj, Leiterin des Dezernats für Studienangelegenheiten. Sie nutzt das Angebot alternierender Telearbeit an der Universität Hildesheim.

„In einer Vorlesung hat mein Handy geklingelt, der Kindergarten: Jannis ist krank und ich muss ihn sofort holen. Dann kam die Anmerkung von vorne: kein Thema, gehen Sie, gute Besserung. In der nächsten Woche, als ich den Mathematikprofessor im Flur getroffen habe, hat er sich sofort bei mir erkundigt, wie es meinem Sohn geht und ob er wieder auf dem Damm ist“, sagt Carsten Kästner. Er studiert „Informationsmanagement und Informationstechnologie“. Der Familienvater hat zwei Kinder, drei und vier Jahre alt.

„Die Lehrenden der Uni Hildesheim im Fachbereich Kulturwissenschaften und Ästhetische Kommunikation haben Verständnis bei Abgabeterminen, und ich bekomme für Modulabschlüsse die Zeit, die ich brauche“, sagt Peggy Rieckmann über die Vereinbarkeit von Studium und Pflege. Sie hat in Hildesheim Kulturwissenschaften studiert und wirbt für mehr Offenheit. Sie wünscht sich, dass Universitäten Verständnis haben für die Lebenssituation von jungen Menschen, die Angehörige pflegen. Universitäten sollten das Thema offensiv ansprechen und es als eine Selbstverständlichkeit des Uni-Alltags wahrnehmen.

„Eine Mutter, die derzeit bei uns studiert, wohnt in Braunschweig und kann die Kinderbetreuung, das Abholen der Kinder und Ähnliches nicht organisieren, wenn sie das Praktikum nicht vor Ort in Braunschweig absolvieren kann. Wenn Studierende ein Vollzeitpraktikum in der Region Hildesheim nicht neben ihrem Erziehungspart schaffen, dann erhalten sie eine Ausnahmegenehmigung. Das kann ich als Vater nun deutlich besser nachvollziehen“, sagt Felix Hahne über die Unterstützung Studierender mit Familienaufgaben. Er ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik. Der Familienvater hat zwei kleine Kinder im Alter von eineinhalb und fünf Jahren.

Familienkodex veröffentlicht

Wer sich für das Thema interessiert, kann sich an die Gleichstellungsbeauftragte Dr. Silvia Lange (auditfgh@uni-hildesheim.de) sowie an Dr. Matthias Kreysing (kreysing@uni-hildesheim.de), Hauptberuflicher Vizepräsident und Projektleiter des „audit familiengerechte hochschule“, wenden sowie bei Fragen und Interesse an der gedruckten Broschüre Frauke Beuter (auditfgh@uni-hildesheim.de) kontaktieren.

Lesetipp: Arbeiten und Studieren mit Kind

Auf dem Schreibtisch des Wissenschaftlers entdeckt man statt Familienfotos Ordner, Mappen und Computer. In der Lehre setzt sich Felix Hahne für eine familiengerechte Hochschule ein und nimmt auf Lebenslagen von studentischen Eltern und Alleinerziehenden Rücksicht, etwa als Praktikumsbeauftragter der IT-Studiengänge. Ein Einblicke in den Alltag des Wissenschaftlers und Familienvaters. [... zum Interview mit Felix Hahne]


Sie geben in einer Broschüre Auskunft über den Alltag zwischen Familie und Universität: Der Betriebswirtschaftler Felix Hahne ist zweifacher Vater; Peggy Rieckmann, die in Hildesheim Kulturwissenschaften studiert hat, wünscht sich mehr Verständnis für die Pflege von Angehörigen; Angelika Obstoj über Telearbeit von zu Hause aus; Carsten Kästner mit seinen Kindern in der Uni. Fotos (3): Isa Lange/Uni Hildesheim

Sie geben in einer Broschüre Auskunft über den Alltag zwischen Familie und Universität: Der Betriebswirtschaftler Felix Hahne ist zweifacher Vater; Peggy Rieckmann, die in Hildesheim Kulturwissenschaften studiert hat, wünscht sich mehr Verständnis für die Pflege von Angehörigen; Angelika Obstoj über Telearbeit von zu Hause aus; Carsten Kästner mit seinen Kindern in der Uni. Fotos (3): Isa Lange/Uni Hildesheim