Studierende sammeln Praxiserfahrungen in der regionalen Wirtschaft

mercredi, 06. février 2019 um 15:15 Uhr

Studentinnen und Studenten der Hildesheimer IT‐Studiengänge tauschen sich beim „IT-Speed Dating“ mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus regionalen Unternehmen aus. Die Universität verzeichnet in diesem Jahr eine Rekordbeteiligung. Im Interview spricht der Unternehmer Tobias Eierund über die Chancen des Universitätsstandortes für die regionale Wirtschaft. „Digitalisierung ist das derzeitige Hauptthema unserer Arbeit. Sowohl Fachkräfte als auch Informationsveranstaltungen sind von Nöten, um am Puls der Zeit zu bleiben“, sagt Eierund.

Angela Loboda studiert Wirtschaftsinformatik im dritten Semester und sucht einen Praktikumsplatz im Bereich Prozessmodellierung. „Ich schaue mir Prozesse an, wie sie momentan ablaufen und überlege dann gemeinsam mit der IT, wie man die Abläufe optimieren kann.“ Als sie ihr Studium aufnahm, kannte sie die Prozessmodellierung noch nicht, dann besuchte sie Vorlesungen bei Professor Ralf Knackstedt, ein Fachmann für die Optimierung von Geschäftsprozessen. „Da habe ich erkannt, wie spannend die Wirtschaftsinformatik ist. Jetzt suche ich einen Platz für das Wirtschaftspraktikum.“

Ein Wirtschaftspraktikum ist ein Pflichtbestandteil in den IT-Studiengängen „Informationsmanagement und Informationstechnologie“ (Bachelor of Science) und „Wirtschaftsinformatik“ (Bachelor of Science). Studentinnen und Studenten absolvieren die Praktika bei Unternehmen in der Region.

Die Nachfrage von Unternehmen aus der Region nach Partnerschaften mit den IT-Studiengängen der Universität Hildesheim wächst. Seit 2013 veranstaltet die Universität ein IT-Speed-Dating. Bei der ersten Auflage waren 15 Unternehmen dabei, in 2018 bereits 27. Diese Zahl wurde 2019 nochmals deutlich übertroffen: 36 Unternehmen interessieren sich für die Hildesheimer IT-Studierenden als Praktikantinnen und Praktikanten.

Auch auf Seiten der Studierenden ist das Interesse groß, sagt der Betriebswirtschaftler Felix Hahne. Mehr als 75% der bisher rund 180 teilnehmenden Studierenden haben nachfolgend ein Praktikum bei einem der anwesenden Unternehmen absolviert.

Durch das IT-Speed-Dating sind für 97% der teilnehmenden Studentinnen und Studenten regionale Unternehmen in den Blick geraten

Durch das IT-Speed-Dating sind für 97% der teilnehmenden Studentinnen und Studenten regionale Unternehmen in den Blick geraten, die sie zuvor nicht nicht kannten. Die Unternehmen kommen vor allem aus der Region Hildesheim sowie aus der Metropolregion Wolfsburg, Hannover und Braunschweig.

„Beim IT-Speed-Dating lerne ich viele regionale Unternehmen kennen, die ich bisher nicht wahrgenommen und über eine Suchmaschine nicht gefunden hätte“, sagt Angela Loboda. Sie ist eine von 40 Informatikstudentinnen und Informatikstudenten, die an dem diesjährigen IT-Speed-Dating teilgenommen haben, welches das Institut für Betriebswirtschaft und Wirtschaftsinformatik jedes Frühjahr veranstaltet.

Beim IT-Speed-Dating haben die Studierenden die Gelegenheit, reihum für je fünf Minuten mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus regionalen Unternehmen zu sprechen, sich vorzustellen.

„Das IT-Speed-Dating ist ein interessantes Format, um die Universität mit der Wirtschaft zu verknüpfen“, sagt Professorin Julia Rieck. Seit einem Jahr forscht und lehrt sie als Professorin für Betriebswirtschaftslehre in Hildesheim. Zuvor war die Wissenschaftlerin in der Wirtschaft tätig.

Sie befasst sich in der Forschung mit der Produktion, Logistik, Projektplanung und Ressourcenplanung, mit Produktionsprozessen und Produktionssystemen, mit Transportabläufen und Transportnetzwerken sowie mit Material‐ und Informationsflüssen und wie diese geplant und gesteuert werden. „Ich untersuche die Logistik, Tourenplanung und Produktionsprozesse in der Wirtschaft. Wie werden Maschinen belegt, wie kann ein Unternehmen den Umgang mit Energieressourcen optimieren? Wie wandern Waren von A nach B? Ich beschäftige mich gerade viel mit LKW-Transport und nachhaltigem Logistikmanagement. Bei all diesen Prozessen spielt IT stark mit hinein, Unternehmen müssen große Datenmengen verarbeiten und vernetzt arbeiten“, so Rieck.

Überall ist Software, überall sind Daten, überall ist Informationsaustausch. Die regionale Wirtschaft, so die Wissenschaftlerin, habe „massives Interesse, unsere IT-Studierenden kennenzulernen“.

Interessante Aufgabenstellungen in der regionalen Wirtschaft

„Den meisten Studierenden sind interessante Aufgabenstellungen wichtig, und eine gute Arbeitsatmosphäre, weniger der große Unternehmensname“, sagt Felix Hahne. Und so haben gerade regionale mittelständische Unternehmen die Chance, beim IT-Speed-Dating „in die Köpfe unserer Studierenden zu gelangen“.

Das bestätigt Marc Herbach. Er studiert Wirtschaftsinformatik. „Ich möchte während meines Wirtschaftspraktikums vor Ort erfahren, wie eine Unternehmensstruktur aufgebaut ist und wie ein Betrieb erfolgreich arbeitet“, sagt der Student. „Das  Wirtschafts-praktikum ist eine Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis, ich kann in den zehn Wochen einen vernünftigen Einblicke erhalten und werde in das Unternehmen eingebunden, das hilft mir für meinen weiteren Berufsweg sehr weiter.“

Nach drei Stunden IT-Speed-Dating und zwei Dutzend Gesprächen halten Funda Akpulat und Antonia Schulz, beide Studentinnen im 5. Semester, einen Stapel an Informationen in den Armen. „Das IT-Speed-Dating ist eine gute Chance, sich den Unternehmen vorzustellen“, sagt Akpulat. „Es ist relativ schnell im Gespräch klar, ob es passt, ich suche einen Praktikumsplatz im betrieblichen Bereich, zum Beispiel Controlling.“

Gerade unter den kleinen mittelständischen Unternehmen seien viele Firmen dabei, die „Chancen bieten“, sagt Funda Akpulat. „Erst einmal denkt man an die großen Firmennamen. Nach fünf Minuten Gespräch mit kleinen Betrieben, die man bisher nicht kennt, merkt man: Das ist eine gute Option.“ Die Unternehmen erstellen Stellenprofile, bieten vielfältige Plätze an, „so läuft die Recherche nach einem Praktikumsplatz viel schneller ab, als wenn ich mich im Internet auf die Suche begebe“, sagt Antonia Schulz.

Aus den Praktika entstehen nicht selten Werkstudententätigkeiten, Projekt- und Abschlussarbeiten oder auch feste Arbeitsverhältnisse. Für einige Partnerunternehmen ist das Vorhandensein der IT-Studiengänge in Hildesheim zum wichtigen Standortfaktor geworden, sagt Felix Hahne.  „Das IT-Speed Dating kann als ein Beitrag der Universität Hildesheim zur Bekämpfung des IT-Fachkräftemangels angesehen werden.“

Interview

„Wir wollen am Puls der Zeit bleiben“

Interview mit dem Hildesheimer Unternehmer Tobias Eierund

Das Textilunternehmen Eierund wurde vor etwa 100 Jahren in Algermissen gegründet, 1961 erfolgte die Eröffnung in Hildesheim. Heute arbeiten etwa 45 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in dem Unternehmen. Besonders innovativ sei der Online-Shop, der bereits vor zehn Jahren online ging und mittlerweile im Hosen-Bereich europaweit großen Anklang findet, sagt Tobias Eierund. Im Interview spricht der Unternehmer über die Chancen des Universitätsstandortes für die regionale Wirtschaft.

Herr Eierund, Sie leiten ein Unternehmen in Hildesheim und nehmen am IT-Speed-Dating teil. Wie fällt die erste Bilanz aus, wie sinnvoll ist das Format?

Sehr sinnvoll. Es werden Studentinnen und Studenten auf uns aufmerksam, die noch nie von uns gehört haben und wir können aus Erfahrung sagen, dass die Überraschung dann doch zumeist groß ist, wenn wir unsere Praktikumsmöglichkeiten vorstellen.

Welchen Vorteil erfahren Sie, wenn Sie nicht nur eine Bewerbung schriftlich lesen, sondern die jungen Menschen im Gespräch kennen lernen können?

Schon die ersten 5 Minuten des Gesprächs reichen für beide Seiten, um einen Trend zu bekommen ob ein Praktikum sinnvoll ist oder nicht. Eine schriftliche Bewerbung allein reicht hier meistens nicht aus.

Was können IT-Studentinnen und IT-Studenten bei Ihnen im Unternehmen erlernen und welche Voraussetzungen sollten sie mitbringen?

Die Facetten der Praktika bei uns im Haus sind vielfältig und gehen von der Analyse bis hin zur Programmierung. In der Regel reichen die Programmierkenntnisse aus den Vorlesungen aus, um bei uns einen Einstieg zu finden. Java, html und php Kenntnisse sind von großem Vorteil. Die Studenten lernen die Strukturen eines Unternehmens kennen und eigenständiges Arbeiten. Je nach Praktikumsthema werden die Kenntnisse vertieft, dies kann zum Beispiel auch das Erlernen einer neuen Programmiersprache wie php sein.

Mit welchen Aufgaben haben sich IT-Studierende bisher befasst?

Wir hatten im letzten Jahr fünf Praktikanten bei uns im Haus. Jeder hat sein eigenes Praktikumsthema und hat dieses von A bis Z bearbeitet. Ein Thema ist zum Beispiel der Usability-Test des Frontends unseres Online-Shops und ein anderes Projekt ist die Programmierung eines Größenfilters für unseren Online-Shop.

Welche Bedeutung hat für die Unternehmensentwicklung die Digitalisierung? Wo erhoffen Sie sich seitens der Universität Impulse, etwa im Bereich der Fachkräfte, im Wissenstransfer?

Digitalisierung ist das derzeitige Hauptthema unserer Arbeit. Sowohl Fachkräfte als auch Informationsveranstaltungen sind von Nöten, um am Puls der Zeit zu bleiben.

Die Fragen stellte Isa Lange.

Kurz erklärt:

Informatik in Hildesheim studieren

In Hildesheim studieren derzeit knapp 800 IT-Studentinnen und IT-Studenten. Die Studentinnen und Studenten lernen, wie man große Informationsmengen managt und höchst performante Algorithmen umsetzt. Absolventinnen und Absolventen der „Angewandten Informatik“ beherrschen moderne Technologien der Softwareentwicklung. Das Auffinden relevanter Informationen ist heute eine Kernherausforderung in vielen Berufen. Im Studiengang „Informationsmanagement und Informationstechnologie“ werden Studierende optimal auf diese Herausforderung vorbereitet, sie verknüpfen Inhalte der Informatik und der Informationswissenschaft. Absolventinnen und Absolventen des Studiengangs „Wirtschaftsinformatik“ verbessern Unternehmensprozesse mit IT und entwickeln neue digitale Geschäftsmodelle.

IT in Hildesheim studieren:
Die Bewerbung um einen Bachelorstudienplatz ist bis zum 1. März 2019 möglich

Wie läuft das IT-Speed-Dating ab?

Das seit 2013 jeweils zu Jahresbeginn durchgeführte „IT-Speed Dating“ hat sich als sehr beliebtes und erfolgreiches Instrument zur Anbahnung von Praktika erwiesen. Im Fünf-Minuten-Takt wechseln die Studierenden die Stationen und lernen die Unternehmen kennen und umgekehrt. Die Studierenden haben eine standardisierte Kurzbewerbung dabei, die Unternehmen konkrete Praktikumsangebote für 2019.

Ansprechpartner:

Fragen zum Wirtschaftspraktikum und IT-Speed Dating beantwortet Dr. Felix Hahne vom Institut für Betriebswirtschaft und Wirtschaftsinformatik der Universität Hildesheim (Telefon 05121 883 40514, E-Mail: hahne[at]bwl.uni-hildesheim.de).


Der Betriebswirtschaftler Felix Hahne und Professorin Julia Rieck unterstützen Studentinnen und Studenten in den IT-Studienprogrammen bei der Suche nach einem Platz für das Wirtschaftspraktikum. Beim IT-Speed-Dating bauen Studierende Kontakte zur regionalen Wirtschaft auf. Fotos: Isa Lange/Uni Hildesheim

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