Hochschulmanagement ist Tagesgeschäft

mercredi, 17. janvier 2007 um 17:15 Uhr

Dr. Christoph Strutz über die Rolle eines hauptamtlichen Vizepräsidenten in einer Stiftungsuniversität

"Kanzler" war gestern. In vielen Hochschulen gibt es ihn nicht mehr, den mächtigen Kanzler, der als Herr über die Hochschuladministration gegenüber den Rektoren und Präsidenten einen gewaltigen Wissensvorsprung vorzuweisen hatte und der damit auch über entsprechende Macht verfügte. In Niedersachsen hat die Position des Kanzlers mit der Reform des Niedersächsischen Hochschulgesetzes 2002 ausgedient. An seine Stelle ist der Hauptamtliche Vizepräsident getreten. Seit Oktober 2006 ist Dr. Christoph Strutz in dieser Funktion an der Stiftung Universität Hildesheim tätig.

Als Bankkaufmann und Diplomkaufmann und promoviert über entwicklungspolitische Fragen hat er sich in den Bereichen Management, Internationalität und Forschung profiliert. In Hildesheim steht der Bereich Baumanagement ganz oben auf der Agenda. 100 Tage sind um und gestattet ist die Frage nach alten Zöpfen, die gekappt werden und neuen Herausforderungen, denen er sich stellt. Ein Interview von Dr. Iris Klaßen.

Als Bankkaufmann und Diplomkaufmann und promoviert über entwicklungspolitische Fragen hat er sich in den Bereichen Management, Internationalität und Forschung profiliert. In Hildesheim steht der Bereich Baumanagement ganz oben auf der Agenda. 100 Tage sind um und gestattet ist die Frage nach alten Zöpfen, die gekappt werden und neuen Herausforderungen, denen er sich stellt. Ein Interview von Dr. Iris Klaßen.

Uni-Journal: Herr Dr. Strutz, zeitgleich mit Beginn des Wintersemesters sind Sie vom hannoverschen Forschungsinstitut L3S an die Stiftung Universität Hildesheim gewechselt. Die Entfernung zwischen der Expo-Plaza und dem Hildesheimer Campus ist kaum der Rede wert, aber inhaltlich liegen zwischen Ihrer bisherigen Tätigkeit und dem neuen Amt doch sicher Welten?

Dr. Strutz: Nicht wirklich. Vielleicht ist es viel überraschender, dass ich nach vielen Jahren der Arbeit in Entwicklungsländern in Asien und Afrika und dann der Tätigkeit in deutschen Hochschulen auch keinen Schock bekommen habe.Management ist letztlich eine "Allerwelts-Funktion". Positiver ausgedrückt, man benötigt für die Tätigkeit Schlüsselqualifikationen, die es einem erlauben, relativ schwindelfrei zwischen natürlich durchaus unterschiedlichen Welten zu wandeln. Um zu Ihrer Frage zurückzukommen: Der Hauptunterschied ist sicherlich, dass eine Universität erheblich komplexer ist als ein - wenn auch noch so großes - einzelnes Forschungsinstitut. Die Teamarbeit im Präsidium ist deshalb besonders wichtig.

Uni-Journal: In Zeiten der Hochschulautonomie und eines Globalhaushalts agiert die Universität weitgehend losgelöst vom Ministerium. Ein Wandel, der sich besonders auf die Funktion des heutigen Hauptamtlichen Vizepräsidenten auswirkt. Konnte der Kanzler sich früher noch hinter die Vorgaben des Ministeriums zurückziehen, sind Sie heute direkt verantwortlich. Was hat Sie an dieser Position in der vordersten Reihe gereizt - zumal es nur schwer möglich sein wird, es allen Hochschulmitgliedern recht zu machen?

Dr. Strutz: Ihre Analyse des "Losgelöstseins vom Ministerium" in allen Ehren, richtig ist in jedem Fall, dass ich mich einzig und allein gegenüber der Universität verpflichtet fühle. Der Hochschulbereich ist zurzeit vielleicht der Gesellschaftsbereich, der sich am offensichtlichsten und am schnellsten verändert. Ich habe Verständnis dafür, dass dies für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und für viele Studierende oftmals große Schwierigkeiten mit sich bringt, andererseits bietet ein solcher Prozess aber auch die große Chance, die Veränderungen mitzugestalten und die sich eröffnenden Gestaltungsspielräume zu nutzen. Und ich sehe viele Akteure an dieser Universität, in der Verwaltung, in der Wissenschaft und auch bei den Studierenden, die dies genauso sehen, und das motiviert mich sehr. Als Einzelkämpfer hätte ich keine Chance.

Uni-Journal: Kosten- und Leistungsorientierung werden Sie nach innen vermitteln und einfordern müssen. Nach außen ist die Entwicklung einer Kundenperspektive auch noch relativ neu für eine Hochschule. Was werden Sie an den bisherigen Strukturen ändern bzw. wo werden Sie Neuerungen vorschlagen, um den veränderten Anforderungen gerecht zu werden?

Dr. Strutz: Die Stiftung Universität Hildesheim hat m. E. schon eine Menge Schritte in Richtung "Serviceorientierung" unternommen, das sollte man nicht vergessen. Doch "Kosten- und Leistungsorientierung" klingen in einer Hochschule irgendwie immer noch fremd. Da denkt jeder an Unternehmensberatung und Wegrationalisieren von Arbeitsplätzen. In den meisten anderen Lebensbereichen ist es aber für uns selbstverständlich, den bestmöglichen Service für uns selber einzufordern. Qualität von Forschung und Lehre für die Studierenden UND gleichzeitig qualitativ anspruchsvolle und zufrieden stellende Tätigkeiten für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das ist das Spannungsfeld einer Universität und eines hauptamtlichen Vizepräsidenten. Gewachsenene Strukturen halte ich nicht für schlecht, weil sie existieren, sie sind aber auch nicht sakrosankt und vor allem nicht vor kritischen Fragen zu schützen. Ich versuche mir, allmählich ein möglichst vollständiges Bild von den komplexen Strukturen dieser Universität zu machen, und dann eher mit sehr vielen kleinen als mit wenigen großen Schritten kleine Veränderungen schrittweise durchzuführen, und dies natürlich auch nicht im Alleingang, sondern zusammen mit den Beteiligten.

Uni-Journal: Selten muss man ein Rad neu erfinden, um nach vorne zu kommen. Welches sind Ihre Netzwerke, in denen Sie sich austauschen und aus denen Sie innovative Ideen schöpfen?

Dr. Strutz: Gute Frage! Ich versuche, möglichst viele Anregungen von möglichst vielen aufzugreifen und einfach offene Augen und Ohren zu haben. Gute Ideen habe ich auch schon beim Abwaschen oder beim Jogging bekommen... Es gibt einen Arbeitskreis der hauptamtlichen Vizepräsidenten in Niedersachsen, in dem viele allgemeingültige Problemlagen der Universität diskutiert werden. Für innovative und kreative Ideen sind es aber eher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Uni selbst, auf die ich baue. "Lokales Wissen" ist wieder so ein Erfahrungsschatz aus der Entwicklungszusammenarbeit, den es gilt zu entdecken und zu heben.

Uni-Journal: Die Universität Hildesheim hat akuten Raumbedarf. Welches Bauprojekt werden Sie besonders vorantreiben, um hier Abhilfe zu schaffen?

Dr. Strutz: Zuerst einmal möchte ich festhalten, dass ich es schon bei meinen ersten Kontakten erstaunlich fand, dass sich die Universität Hildesheim für gleich mehrere große Bauprojekte gleichzeitig engagiert. Die Universität Hildesheim vermittelt auch nach außen Dynamik und Kreativität. Der Ausbau der Domäne Marienburg wird prioritär vorangetrieben und wird wahrscheinlich ab 2008 Entlastung für den Fachbereich Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis bringen. Auf dem Hauptcampus stehen wir erst noch am Anfang der Neubau-Planung, doch auch hier investieren wir viel Zeit, um eine gute Lösung zu finden. Dennoch wird es erst einmal darum gehen, möglichst schnell eine übergangslösung zu finden.

Uni-Journal: Neben der Pflicht gibt es die Kür, zu der für Sie welche Bereiche oder auch Projekte zählen?

Dr. Strutz: Pflicht und Kür lassen sich eigentlich kaum trennen. Das ist das Schöne und auch Aufregende dieser Arbeit, dass es eigentlich keine "Randbereiche" gibt. Was für den einen "exotisch" erscheint, ist für den anderen Alltagsgeschäft an dieser Universität. Aber sagen wir einmal so: das Center for World Music auf der Domäne Marienburg entstehen zu sehen, wird mir eine besonders große Freude sein!

Uni-Journal: Persönlichkeit im Alltag des Hochschulmanagements ist gefragt. Sie sind Interessensvertreter dieser Universität. Welche Ihrer Stärken werden Studierende, Lehrende und die Verwaltung nach Ablauf Ihrer ersten Amtszeit 2012 zu schätzen wissen?

Dr. Strutz: Ich möchte daran gemessen werden, dass ich möglichst vielen Interessenvertretern und Interessenvertreterinnen und möglichst vielen Gruppen an dieser Universität gerecht werden kann. Ich hoffe, dass man in einigen Jahren sagen wird, dass sich vieles geändert hat, dass viele neue Projekte realisiert werden konnten, dass die Universität Hildesheim noch besser in der niedersächsischen Hochschullandschaft aufgestellt ist als heute, und dass bei der Frage nach den "Verlierern" dieser Prozesse niemandem etwas einfallen wird...

Uni-Journal: Damit ist sind interessante Aspekte genannt, an denen die Hochschule Sie messen kann. Vielen Dank für Ihre Antworten und einen erfolgreichen Start in das neue Jahr!