KI-gestütztes Übersetzungstool soll barrierefreie Gesundheitskommunikation ermöglichen

mardi, 16. avril 2024 um 10:56 Uhr

Das Land Niedersachsen unterstützt ab Mai eine wegweisende Forschungskooperation der Forschungsstelle Leichte Sprache an der Universität Hildesheim in Zusammenarbeit mit der Wort & Bild Verlagsgruppe (u.a. Apotheken Umschau) und dem deutschen KI-Unternehmen SUMM AI. Das gemeinsame Ziel: Verständliche Gesundheitsinformationen für alle zugänglich machen mittels eines KI-gestützten Übersetzungstools in Einfacher Sprache.

Wissen über die eigene Gesundheit ermöglicht den Menschen ein gesünderes, zufriedeneres und längeres Leben. Der Gemeinschaft nutzt eine hohe Gesundheitskompetenz der Bevölkerung insbesondere in den Bereichen Gesundheitsversorgung, Wirtschaft und Soziales. In diesem Sinne unterstützt das Land Niedersachsen ab Mai 2024 im Rahmen seines Förderprogramms „Zukunftsdiskurse“ mit rund 120.000 Euro ein neues Forschungsprojekt: Für einen direkten gesellschaftlichen Nutzen und einen praxisnahen Wissenstransfer wird das Projekt „KI-GesKom“ (KI-gestützte Gesundheitskommunikation in Einfacher Sprache) der Forschungsstelle Leichte Sprache an der Universität Hildesheim in Kooperation mit der Wort & Bild Verlagsgruppe, vertreten durch ihr auflagenstarkes Gesundheitsmagazin Apotheken Umschau, und dem Startup-Unternehmen SUMM AI umgesetzt.

Wissenstransfer zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Technik

Die drei starken Partner wollen wissenschaftlich fundierte, technisch ausgereifte und praxistaugliche Maßstäbe in der KI-gestützten Gesundheitskommunikation setzen: Gemeinsames Ziel ist es, KI-generierte Texte in Einfacher Sprache wissenschaftlich zu prüfen und damit Standards für die Erstellung von barrierefreien Angeboten mittels KI zu setzen. Das KI-gestützte Übersetzungstool wird von SUMM AI zur Verfügung gestellt: Es soll komplexe medizinische und pharmazeutische Inhalte in eine besonders leicht verständliche Form der Einfachen Sprache (Sprachniveau: „Leichte Sprache Plus“) übersetzen können und so Informationen für Menschen mit Kommunikationseinschränkungen und Verständnisschwierigkeiten maximal verständlich machen.

„Das Projekt „KI-GesKom“ nimmt an der aktuellen gesellschaftlichen Debatte zur Nutzung von KI bei der Erstellung von barrierefreien Angeboten teil. Sind Texte im Gesundheitswesen zu schwer, werden sie von ihren Zielgruppen nicht verstanden, was beträchtliche Folgen haben kann. Deswegen sind Texte in Einfacher Sprache in der Gesundheitskommunikation für viele Menschen wichtig. Durch die Anwendung von KI kann die Textproduktion effizienter gestaltet werden. Damit aber die daraus resultierenden Texte tatsächlich zugänglich und funktional sind, müssen die Arbeitsprozesse und ihre Ergebnisse wissenschaftlich geprüft werden. Somit ist „KI-GesKom“ ein zukunftsweisendes Projekt, auch im Hinblick auf den Nationalen Aktionsplan Gesundheitskompetenz, in dem Einfache Sprache als Instrument für die Gesundheitsförderung angegeben wird. Wir freuen uns auf die Förderung und auf die Zusammenarbeit. Wir sind davon überzeugt, dass viele Expert*innen und Zielgruppen der Barrierefreien Kommunikation von den Forschungsergebnissen profitieren können“, sagt Geschäftsführer Hernández Garrido im Namen der Forschungsstelle Leichte Sprache. Seit 2014 gibt es die Forschungsstelle unter Leitung von Prof. Dr. Christiane Maaß am Institut für Übersetzungswissenschaft und Fachkommunikation.

Kooperationspartner betonen die Bedeutung von leicht verständlichen Gesundheitsinformationen

Dr. Dennis Ballwieser, Geschäftsführer der Wort & Bild Verlagsgruppe und Chefredakteur der Apotheken Umschau sagt: „Die Kernkompetenz unseres Verlags ist die laienverständliche Vermittlung komplexer medizinischer Zusammenhänge. Diesen ´menschlichen Goldstandard`, unsere Erfahrung und unsere Praxisnähe wollen wir in dieses Projekt einbringen. Denn wir sehen einen riesigen Bedarf an solch einfach verständlichen, lebenswichtigen Informationen. KI birgt hier eine große Chance, die es verantwortungsvoll einzusetzen gilt: Anhand quantitativer und qualitativer Studien wollen wir deshalb die Vor- und Nachteile von KI in der Gesundheitskommunikation untersuchen und klären, wie sich KI auf diesem sensiblen Feld am besten einsetzen lässt. Unser Ziel ist es, dass alle Menschen sich möglichst barrierefrei über medizinische Themen informieren können.“

Die Apotheken Umschau aus dem Wort & Bild Verlag als die größte Gesundheitszeitschrift Deutschlands mit einer monatlichen Auflage von 6,8 Millionen Exemplaren (IVW 4/2023) und 7, 14 Mio. Unique Usern (agma 3/2023) auf apotheken-umschau.de verfolgt schon lange das Ziel, auch den kommunikativen Bedürfnissen von Menschen mit geringeren Lesekompetenzen gerecht zu werden. Seit 2019 stellt die Redaktion der Apotheken Umschau  in Zusammenarbeit mit der Forschungsstelle Leichte Sprache der Universität Hildesheim auf ihrer Website umfängliche Informationen in einer besonders leicht verständliche Form der Einfachen Sprache (Sprachniveau: „Leichte Sprache Plus“) zur Verfügung. 

„Wir sind stolz, als Technologie-Unternehmen Teil dieser einzigartigen Kooperation zu sein! Die Förderung des Projekts ist eine wichtige Bestätigung der hohen gesellschaftlichen Relevanz, die das Thema Teilhabe vor allem bei Gesundheitsinformationen haben muss. Wir sind uns unserer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst und setzen als KI-Expert:innen am Entwicklungs- und Forschungsstandort Deutschland nun einen technischen Quantensprung in Sachen verständlicher Gesundheitsinformationen um“, betont Geschäftsführerin und Gründerin Flora Geske. Das Startup-Unternehmen SUMM AI aus München hat bereits eine automatische Vereinfachung von Textinhalten in Leichte Sprache mittels ihres KI-Systems entwickelt, die bei diversen Kommunen deutschlandweit zum Einsatz kommt. Das Technologie-Unternehmen wird diese nun im Laufe des Forschungsprojekts noch stärker nach den Kriterien der Leichten Sprache Plus im medizinischen Kontext und den Bedürfnissen verschiedener Zielgruppen ausrichten.

Über die Forschungsstelle Leichte Sprache der Universität Hildesheim

Die Mitarbeiter*innen der Forschungsstelle Leichte Sprache führen unter Leitung von Prof. Dr. Christiane Maaß Praxisprojekte mit Begleitforschung durch im Sinne der Verbindung der Universität mit der Gesellschaft (sogenannte Third Mission). Die Expert*innen untersuchen, wie sprachliche Teilhabe in verschiedenen Gesellschaftsbereichen für Personen mit besonderem kommunikativen Bedarf und Präferenzen bestmöglich gelingen kann. Ein Projekt, welches die Forschungsstelle seit 2019 umsetzt, ist die Übersetzung von Texten der Apotheken-Umschau in Einfache Sprache. Dadurch erhalten auch Personen mit eingeschränkter Lesekompetenz Zugang zu wichtigen medizinischen Inhalten.

Zur Website

Über den Onlineservice in „Einfacher Sprache“ auf apotheken-umschau.de

Leichte und Einfache Sprache sind Varianten des Deutschen mit deutlich erhöhter Verständlichkeit. Leichte Sprache richtet sich an Menschen mit Kommunikations-einschränkungen und ist maximal verständlich: große Schrift, keine Nebensätze, ganz einfache Wortwahl. Einfache Sprache ist dem Standardsprachlichen näher und richtet sich an Menschen, die bei fachlichen, zum Beispiel medizinischen Texten, Verständnisschwierigkeiten haben, weil sie eben Laien sind. Seit 2019 veröffentlicht apotheken-umschau.de Texte auf Sprachniveau „Leichte Sprache Plus“, einer besonders leicht verständlichen Form der Einfachen Sprache.

Alle apotheken-umschau.de-Texte in Einfacher Sprache sind doppelt fachlich geprüft, sowohl von der medizinischen Fachredaktion des Wort & Bild Verlags als auch sprachwissenschaftlich von der Forschungsstelle Leichte Sprache an der Universität Hildesheim. Die Texte sind thematisch ins Portal integriert, sodass Nutzer*innen mit einem Klick von einem Ratgeberartikel zur Übersetzung in Einfache Sprache wechseln können.

Adressat*innen des Angebots sind Menschen mit kognitiver Einschränkung oder abweichenden Bildungschancen, Demenz, Seh- und Hörschädigungen, sprachlichen Beeinträchtigungen (z. B. nach Schlaganfall) sowie Menschen mit geringen Deutschkenntnissen oder mangelnder Sprachkompetenz (z. B. aufgrund von Migrationserfahrung). Der Bedarf an verständlich aufbereiteten Gesundheitsinformationen ist auch in der Gesamtbevölkerung sehr hoch: Mehr als die Hälfte der Deutschen hat demnach erhebliche Schwierigkeiten, gesundheitsrelevante Informationen ausfindig zu machen, zu verstehen, zu beurteilen und zu nutzen. Studien zur Gesundheitskompetenz in Deutschland zeigen, dass der Bedarf an barrierefreien Gesundheitsinformationen nochmals gestiegen ist.


Prof. Dr. Christiane Maaß ist Direktorin der Forschungsstelle Leichte Sprache. Foto: Stefanie Loos / re:publica

Sergio Hernández Garrido ist Geschäftsführer der Forschungsstelle. Foto: Privat

Prof. Dr. Ekaterina Lapshinova-Koltunski lehrt und forscht am Institut für Übersetzungswissenschaft und Fachkommunikation. Foto: Privat

Sarah Ahrens ist Mitarbeiterin bei der Forschungsstelle Leichte Sprache. Foto: Christian Gossmann

Silvana Deilen ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Übersetzungswissenschaft & Fachkommunikation. Foto: Privat