Staatsauftrag „Kultur für alle“: Kulturvermittlung in der DDR Einladung zur Tagung und zur Präsentation der Forschungspublikation

vendredi, 02. octobre 2020 um 09:06 Uhr

30 Jahre deutsche Einheit: Auf welche Weise wurde in der DDR versucht, über betriebliche Kulturarbeit Kunst und Kultur in den Alltag der Bevölkerung zu integrieren? Gelang es auch, nicht kunstaffine Werktätige aus wenig bildungsorientierten Schichten für „ernste Kultur“ zu interessieren? Welche Freiräume und welche Begrenzungen gab es in der künstlerischen und kulturellen Arbeit?

Diese und weitere Fragen stehen im Zentrum der Tagung „Kulturelle Teilhabe und Kulturvermittlung in der DDR – Impulse für die Gegenwart“ der Friedrich-Ebert-Stiftung, der Universität Hildesheim und der Zentral- und Landesbibliothek Berlin. Die Tagung findet am Donnerstag, 29. Oktober 2020, von 10.00 bis 19.00 Uhr, in der Berliner Stadtbibliothek, Breite Straße 30 – 36, 10178 Berlin statt und kann online und live besucht werden kann. (Anmeldekontakt siehe unten)

Dabei präsentieren Prof. Dr. Birgit Mandel und Dr. Birgit Wolf ihre Forschungspublikation „Staatsauftrag „Kultur für alle - Ziele, Programme und Wirkungen kultureller Teilhabe und Kulturvermittlung in  der DDR“ (diese erscheint im Oktober im Transcript Verlag Bielefeld).

Birgit Mandel ist Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Kulturpolitik und Professorin für Kulturmanagement und Kulturvermittlung an der Universität Hildesheim

Birgit Wolf ist Kulturwissenschaftlerin und Lehrbeauftragte am Institut für Kulturpolitik an der Universität Hildesheim


Der Inhalt der Forschungspublikation:

Durch den staatlichen Auftrag, „Kultur für alle“ als Teil sozialistischer Persönlichkeitsentwicklung zu garantieren, wurden in der DDR in einem engmaschigen System mit beträchtlichen finanziellen und personellen Ressourcen niedrigschwellige und sozialräumlich verankerte Aktivitäten der Kulturvermittlung etabliert: vom Kindergarten über die Betriebe bis in die staatlichen Wohnanlagen und die Kulturhäuser auf den Dörfern. Vor allem über die betriebliche Kulturarbeit sollten alle Menschen in ihrem Alltag als Rezipienten und Produzenten von Kunst und Kultur erreicht werden. Das sogenannte „künstlerische Volksschaffen“ wurde als Massenbewegung ausgebaut, anfänglich sogar mit der Perspektive, die Grenzen zwischen Laienkunstschaffen und professionellem Kunstschaffen zunehmend aufzulösen.

„Die Förderung der Künste, der künstlerischen Interessen und Fähigkeiten aller Werktätigen und die Verbreitung künstlerischer Werke und Leistungen sind Obliegenheiten des Staates und aller gesellschaftlichen Kräfte. Das künstlerische Schaffen beruht auf einer engen Verbindung der Kulturschaffenden mit dem Leben des Volkes“, so formulierte die Verfassung der DDR den staatlichen Auftrag einer „Kultur für und von allen“.


Die Fragestellung:

Auf welche Weise, mit welchen Strukturen, Formaten und welchem Verständnis von Kulturvermittlung und kultureller Bildung wurde in der Kulturpolitik der DDR versucht, Kunst und Kultur der breiten Bevölkerung und v.a. den Arbeitern und Bauern zugänglich zu machen? Wurden Ziele einer „Kultur für alle und von allen“ erreicht? Gelang es, auch nicht kunstaffine Werktätige aus wenig bildungsorientierten Schichten zum einen für sogenannte Hochkulturformen zu interessieren, zum anderen sie zum eigenen künstlerisch-kreativen Schaffen zu motivieren?

Inwieweit verhinderte die ideologische Funktionalisierung kultureller Arbeit als sozialistische Persönlichkeitsbildung kulturelle Selbstbildungsprozesse? Welche Freiräume gab es in den Künsten und der kulturellen Arbeit? Und welche Impulse lassen sich aus den Erfahrungen der DDR Kulturarbeit für aktuelle Diskurse zur kulturellen Teilhabe und kulturellen Bildung gewinnen?


Das Forschungsprojekt:

In einem Forschungsprojekt der Universität Hildesheim unter Leitung von Prof. Dr. Birgit Mandel, in das auch Studierende der Hildesheimer Kulturwissenschaften eingebunden waren, wurden diese Fragen zu Zielen, Strukturen und Wirkungen von Maßnahmen kultureller Teilhabe in der DDR aufgearbeitet auf Basis von Originaldokumenten der SED Kulturpolitik, Praxisanleitungen für Kulturfunktionäre, Studien von DDR Kultursoziologen sowie rückblickenden Analysen zur Kulturpolitik. Zentrale Erkenntnisse konnten vor allem aus 65 Interviews mit Zeitzeug_innen sowie aus 33 Interviews mit Expert_innen aus Kulturwissenschaft, Kulturvermittlung, Kulturpolitik und Kunstschaffenden gewonnen werden.


Diskussion der Forschungsergebnisse mit prominenten Expert_innen:

Auf der Tagung werden Ergebnisse des Forschungsprojekts präsentiert und mit Expertinnen und Experten, die in der DDR in den Bereichen Kulturvermittlung, Kulturwissenschaft, Kulturpolitik und Kunst aktiv waren, reflektiert. Unter den Gästen sind Wolfgang Thierse, Gerd Dietrich, Dieter Mühlberg, Birgit Jank, Susanne Binas-Preisendörfer. Mit Expertin_innen aus aktuellen Kontexten Kultureller Bildung und Kulturpolitik (u.a. Kerstin Hübner, Tobias Knoblich, Manja Schüle) wird darüber diskutiert, inwiefern diese Erfahrungen für die Ausgestaltung einer teilhabeorientierten Kulturpolitik der Gegenwart bieten können.

Die Veranstaltung findet in Kooperation mit der Friedrich-Ebert-Stiftung, der Landesbibliothek Berlin und der Kulturpolitischen Gesellschaft statt.


Anmeldung:

Die Anmeldung erfolgt per E-Mail an: Forum.kbz@fes.de
Aufgrund Corona-bedingter Auflagen sind nur 40 Teilnehmende zur Tagung vor Ort zugelassen. Alternativ ist eine online Teilnahme an der Tagung möglich unter:
https://www.fes.de/forum-berlin/politik-in-ostdeutschland/30-jahre-deutsche-einheit/zur-lage-der-generation


Birgit Mandel/Birgit Wolf: Staatsauftrag „Kultur für alle“ - Ziele, Programme und Wirkungen kultureller Teilhabe und Kulturvermittlung in der DDR
(Publikation erscheint im Oktober im Transcript Verlag Bielefeld)


Kontakt zu den Autorinnen:

Birgit Mandel, E-Mail: mandel@uni-hildesheim.de
Birgit Wolf, E-Mail: wolfbi@uni-hildesheim.de

 

 


Foto: Kulturhaus Wolfen

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