Das populäre Museum: EU-Projekt startet in Schweden

vendredi, 05. juillet 2013 um 11:06 Uhr

Besucher einbinden – aber wie? Im Herbst entwickeln Studierende am Museum of World Culture in Göteborg Formate, um neue Besuchergruppen zu erreichen. Eine Bewerbung ist noch möglich. Ein Gespräch mit Prof. Dr. Stefan Krankenhagen über mehr Teilhabe in Museen.

Wie populär ist das Museum?

Stefan Krankenhagen: Mit Studierenden – Kulturwissenschaftler, künftige Kunstvermittler und Kulturmanager – haben wir im letzten Semester Museen und Ausstellungen aufgesucht, die in Inhalt oder Form als populäre Orte bezeichnet werden können: das Computerspiele-Museum zum Beispiel, das Currywurstmuseum oder das Museum der Dinge in Berlin. Dabei fällt auf, dass es weniger die Inhalte, denn die Formen der Vermittlung sind, die Museen und Ausstellungen popularisieren.

In meinem Forschungsbereich geht es um die Frage, inwieweit das Populäre die Institution des Museums ergriffen hat. Traditionell waren und sind Museen Orte des bürgerlichen Publikums, des gelenkten Blicks und des konzentrierten Sehens. Nicht zuletzt ökonomischer Druck führt zu Herausforderungen, die diese Tradition in Frage stellen Das Zauberwort heute lautet deshalb: neue Besuchergruppen.

Erreichen Museen die bisher „Unerreichten“ durch mehr Teilhabe?

…Teilhabe steht im Zentrum der Popkultur, ob beim Konzert oder im Zirkus, man ist aktiv dabei – und Museen schauen sich möglicherweise dieses Verfahren ab, mit unterschiedlichen Konsequenzen für die Ausstellungsarbeit. Die Angebote reichen von mehr oder weniger geglückten Mitmach-Stationen, über die Erweiterung der Objektpräsentation in digitalen Netzwerken bis zu Ausstellungen, die ihren Besucher eine kuratorisch-gestaltende Rolle anbieten. Darüber hinaus sind Museen heute an vielen Stellen nicht mehr national gebunden. Ein transnationales Publikum verlangt und braucht aber andere Angebote; darauf stellen sich die Museen erst langsam ein.

Was können digitale Technologien dazu beitragen?

Viele Museen binden digitale Medien ein, kaum eines kommt heute ohne mehrsprachigen Audio-Guide und Internetauftritt aus. Weil aber Museen Objekte im Raum inszenieren, haben die digitalen Medien im Moment eher informativ ergänzenden Charakter. Der Besuch einer Internetseite mit 360-Grad-Ansicht kann jenen im Museum nicht ersetzen. Ein Besucher-Guide allein reicht nicht. Am Museum of World Culture in Göteborg zeigt sich, dass es einer klugen Verbindung von Digitalisierung, traditioneller Bildungsarbeit und populären Ausstellungs- und Vermittlungsformaten bedarf.

Das Museum ist recht jung, liegt zentral in der Stadt und bespielt alle Medien ziemlich virtuos (etwa hier: youtube-Kanal Världskulturmuseet). Das Team des Museums bindet das Viertel mit ein, sucht Rat bei Stadtbewohnern, fragt Besucher und Nicht-Besucher, was sie von „ihrem“ Museum erwarten. Mit Erfolg: Über 60 % der Besucher sind unter 30.

Für den Beginn eines EU-Projekts haben Sie deshalb Göteborg ausgewählt. Die EU fördert das Vorhaben mit maximal 150.000 Euro, verteilt auf drei Jahre.

Im zweiwöchigen Seminar „Being Visitors – Becoming Producers" (jetzt bewerben) am Museum of World Culture werden wir Formen der Partizipation erforschen und praktisch erproben. Lehrende und Studierende der Universität Hildesheim, der Universität Oslo, der Reinwardt Academy Amsterdam sowie der MoMe Art University in Budapest sind beteiligt. Wir arbeiten eng mit den Kuratoren des Museums zusammen. Mit welchen Formaten können wir das traditionelle Rollenverhältnis von Produzenten und Rezipienten herausfordern? Studierende aus vier Ländern und unterschiedlichen Disziplinen – Museologie, Kunst und Design, Kulturwissenschaften – entwickeln dafür vor Ort Ideen und Formate. Der DAAD fördert das EU-Projekt mit etwa 50.000 Euro – und ermöglicht damit diesen starken und internationalen Praxisbezug in der Lehre. Über die Zusage freue ich mich sehr – 90 % der Kosten erhalten die Studenten erstattet.

Was am Ende entsteht und vorgestellt wird, hängt von den beteiligten Studierenden ab. Ich gehe davon aus, dass sie sich sehr stark einbringen können. Auch die Kuratoren in Göteborg haben signalisiert, dass sie die Studentengruppe so praxisnah wie möglich einbinden wollen. 2014 dann, sofern die Anschlussförderung bewilligt wird, werden wir mit dem Ludwig-Art-Museum in Budapest, 2015 mit dem Tropenmuseum Amsterdam zusammenarbeiten. Wir steigern also unsere international ausgerichteten Seminare.

Vielen Dank für das Gespräch.

EU-Museums-Projekt: Studierende können sich ab sofort bewerben

Vom 29. September bis zum 12. Oktober 2013 findet das internationale Master Seminar „Being Visitors – Becoming Producers” am Museum of World Culture in Göteborg statt. Lehrende und Studierende aus Hildesheim, Oslo, Amsterdam sowie Budapest erforschen Formen der Partizipation. Das Seminar wird im europäischen Mobilitätsprogramm des DAAD gefördert. Prof. Dr. Stefan Krankenhagen, Professor für Kulturwissenschaft und Populäre Kultur an der Universität Hildesheim, leitet das Projekt. Studierende können erbrachte Leistungen im Studium anrechnen. Die Ausgaben für Reise und Unterkunft werden zu 90% gedeckt. Für Studierende aus Hildesheim stehen 10 Plätze zur Verfügung. Kurzbewerbungen (bisherige Studienschwerpunkte in Theorie und Praxis, Interesse am Thema, kurzer Lebenslauf) können ab sofort, spätestens bis zum 29. Juli an Prof. Stefan Krankenhagen (z.Hd. Silvia Dudek: dudeks@uni-hildesheim.de) geschickt werden. Rückmeldungen erfolgen sehr zeitnah in der ersten August-Woche. Unterkunft und Flüge werden zentral gebucht.

Das Gespräch führte Isa Lange.


Teilhabe gehört zur Popkultur, ob beim Konzert oder im Zirkus – Museen schauen sich dieses Verfahren ab, sagt Prof. Dr. Stefan Krankenhagen von der Uni Hildesheim. Studierende aus Hildesheim, Oslo, Budapest und Amsterdam erproben in einem EU-Projekt Formen der Teilhabe.

Teilhabe gehört zur Popkultur, ob beim Konzert oder im Zirkus – Museen schauen sich dieses Verfahren ab, sagt Prof. Dr. Stefan Krankenhagen von der Uni Hildesheim. Studierende aus Hildesheim, Oslo, Budapest und Amsterdam erproben in einem EU-Projekt Formen der Teilhabe.