Burkina Faso: Für den Abschluss in das „Operndorf Afrika”

vendredi, 05. septembre 2014 um 10:02 Uhr

Vielleicht geht es um mehr als um den Bachelor, fern von Fernanalysen und Regelstudienzeiten. Doch das wird sich erst zeigen: Steven Solbrig, Student der Kulturwissenschaften und Ästhetischen Praxis an der Universität Hildesheim, geht mit dem PROMOS-Stipendium erst einmal für drei Monate nach Burkina Faso, um das „Operndorf Afrika“ zu besuchen – und um am Ende in seiner Bachelorarbeit eine Zwischenbilanz über den gegenwärtigen Zustand des Kunstprojekts zu ziehen. Ein Gespräch über Schlingensief, das Operndorf und seine Erwartungen an das Projekt. Die Fragen stellte Melanie Huber.

Ein Operndorf in Afrika. Das war der unvollendete Traum des verstorbenen Theatermachers Christoph Schlingensief (1960 bis 2010). Was war seine Idee – und wie sieht sie aktuell aus?

Steven Solbrig: Konzeptionell entspringt das „Operndorf Afrika“ der künstlerischen Maxime Schlingensiefs. Dieser wollte immer mit Kunst Denkprozesse beim Publikum und bei den Machern anstoßen. Er lehnte sich da meist an Brecht an, gerade bezogen auf das Theater. Für das Kunstprojekt „Operndorf Afrika“ hatte er oft auf den Aktionskünstler Joseph Beuys und seine „soziale Plastik“ verwiesen. Ihm schwebte ein Raum von Menschen für Menschen vor, in dem die Menschen sich durch ihre eigene Kunst als Subjekt („Jeder Mensch ist ein Künstler“) betrachten und darüber hinaus so in einem gesellschaftlichen System partizipieren können. Ich finde den beuy'schen Gedanken erst einmal prinzipiell gut. Natürlich begab sich Schlingensief mit dem internationalen „Operndorf Afrika“ in einen Fettnäpfchen-Gefahrenbereich der „Entwicklungszusammenarbeit“. Da gibt es schnell kritische Stimmen und das ist auch wichtig. Doch der Gedanke mit Kunst jeglicher Art ein Statement gegen konventionelle postkoloniale Abhängigkeiten zu schaffen, ist ja schon einmal was. Aktuell wird viel geplant und organisiert. Neuigkeiten und Berichte gibt es auf der Internetseite operndorf-afrika.com.

Wie bist du auf das Operndorf aufmerksam geworden?

Bei Dr. Daniel Gad vom Institut für Kulturpolitik hatte ich ein Seminar zum Thema „Kultur und Entwicklung“ besucht. In diesem Seminar sollten die Teilnehmenden ein wissenschaftliches Poster über ein kulturelles Projekt anfertigen, das im Kontext der „Entwicklungszusammenarbeit“ steht. Eine Kommilitonin brachte mich auf das „Operndorf Afrika“, auf die Internetseite und den Film „Knistern der Zeit“ (Deutschland 2012). Ich war und bin froh, dass es Künstler wie Schlingensief gibt und gab. Das macht Hoffnung. Doch da gab es dieses flaue Bauchgefühl nach dem Schauen der Dokumentation über das Operndorf. Bei allem Respekt gegenüber der Arbeit von Sybille Dahrendorf, sagte mir der Film über den eigentlichen Zweck des Projektes nicht viel, vielmehr erschien mir der todkranke Künstler Schlingensief zu sehr im Vordergrund. Dabei fragte ich mich: Was passiert denn nun nach seinem Tod? Wie soll das Projekt fortbestehen, wenn seine eigene Gallionsfigur nicht mehr da ist? Außerdem ist es ungerecht gegenüber den Mitstreitern. Denn so ein Projekt macht man ja nie alleine. Trotzdem empfand ich die Idee letzten Endes bei all seiner Widersprüchlichkeit erfrischend, wenn gar alternativ im konventionellen Kanon. Ich war wie schon so oft im Bachelorstudium an einem Zwiespalt angekommen: Kritische Fragen herunterschlucken und das jeweilige Modul schnellstmöglich abhaken? So entschied ich mich nach Laongo zu reisen.

Was erhoffst du dir von deinem Aufenthalt?

Dass ich hinterher im besten Fall ein wenig klüger bin… Doch ich erwarte mir vom Aufenthalt an sich erst einmal nicht viel – das ist gut und auch wichtig. Denn sonst reise ich voreingenommen, mit eben den (post)kolonialen Bildern nach Afrika. Die möchte das Projekt ja gerade angehen und das ist nach wie vor dringend nötig. Dass ich die nicht ganz weg kriege, fällt mir gelegentlich auf und auch das ist wichtig zu bemerken. Doch der muss da raus, dieser ethnoverkitscht-innere Schweinehund. Schlingensiefs Ansatz „Von Afrika lernen“ würde ich mir gerne innen auf meine Augenlider tätowieren. Hätte ich einen Wunsch frei, würde ich mir für Afrika – ja für jedes vom Westen betitelte „Entwicklungsland“ – die eigene Bildung eines kulturellen Selbstbewusstseins wünschen, um Schlingensief zu zitieren „und in dem hat keine Bleichnase was drin zu suchen“. Das würde unweigerlich nämlich zu einem „Nord/Süd-Dialog“ auf gleicher Augenhöhe führen und dann wären wir ganz schnell bei dem eigentlichen versteckten Problem: die eigenen westlichen Ängste, dieses aufgesetzte schlechte Ur-Gewissen über die von uns ausgehende globale Ungerechtigkeit und das daraus resultierende halbherzige Helfersyndrom. Es wird, Zeit dass das alles konsequenter und ehrlicher angegangen wird.

Für den 13. September hast du eine Solidaritätsparty im Bei Chéz Heinz in Hannover organisiert. Was erwartet die Gäste?

Die Party haben Freundinnen und Freunde organisiert, die schon eine ganze Weile kritisch über das Projekt diskutiert und nun beschlossen haben, das Operndorf auf diese Weise zu unterstützen. Es sind einige Unterstützerinnen aus unterschiedlichen Bereichen bereits zusammen gekommen, der AStA Hannover, der Verein Kulturherberge und Viva Con Agua. Wer Lust hat an jenem Abend sich einzubringen oder gar zu spenden ist herzlich willkommen. Natürlich kann da auch wieder gesagt werden: Eine Spendengala ist jetzt auch nicht gerade das bessere Gelb vom Ei. Am 13. September ab 20:00 Uhr zeigen wir jedenfalls erst einen Mitschnitt des Theaterstücks „Via Tolleranza II“, da dieses Stück wohl am stichhaltigsten Schlingensiefs Haltung zum Thema „Entwicklungszusammenarbeit“ behandelt. Danach wird getanzt, zu ziemlich sexy überregional, facettenreichem Electro. Der Erlös geht komplett nach Afrika. Je mehr kommen, umso besser.

Das Interview führte Melanie Huber.


Steven Solbrig fährt nach Burkina Faso, um zu erfahren, wie das Kunstprojekt „Operndorf Afrika“ nach dem Tod des Künstler fortbesteht. Er hat sich mit dem Thema zuvor im Seminar „Kultur und Entwicklung“ an der Universität Hildesheim auseinandergesetzt.

Steven Solbrig fährt nach Burkina Faso, um zu erfahren, wie das Kunstprojekt „Operndorf Afrika“ nach dem Tod des Künstler fortbesteht. Er hat sich mit dem Thema zuvor im Seminar „Kultur und Entwicklung“ an der Universität Hildesheim auseinandergesetzt.

Steven Solbrig fährt nach Burkina Faso, um zu erfahren, wie das Kunstprojekt „Operndorf Afrika“ nach dem Tod des Künstler fortbesteht. Er hat sich mit dem Thema zuvor im Seminar „Kultur und Entwicklung“ an der Universität Hildesheim auseinandergesetzt.