Tagung: Menschliche Freiheit und Erbsündenlehre

mardi, 26. novembre 2019 um 08:53 Uhr

„Erlösung“, „Rettung“ und „Befreiung“ sind wichtige Begriffe in der christlichen Religion. Dabei stellt sich die Frage, ob denn alle Menschen erlöst, gerettet oder befreit werden müssen? Darauf versucht die auf Augustinus zurückgehende „Erbsündenlehre“ eine Antwort zu geben, mit der sich eine internationale Tagung beschäftigt hat. Die Konferenz wurde vom Institut für Katholische Theologie der Universität Hildesheim und vom Lehrstuhl für Fundamentaltheologie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt ausgerichtet.

Veranstalter der Tagung waren Prof. Dr. René Dausner (Institut für Katholische Theologie der Universität Hildesheim) und Prof. Dr. Christoph Böttigheimer (Lehrstuhl für Fundamentaltheologie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt). Die Ausrichtung der Tagung förderte die Deutsche Forschungsgemeinschaft.

Die Erbsündenlehre wurde auf dem Konzil von Trient im Ur-/Erbsündendekret (17.6.1546) dogmatisiert und steht im Zentrum der christlichen Erlösungslehre. „Allerdings hat sich das Erbsündenkonstrukt in der Geschichte der Kirche mitunter äußerst verhängnisvoll ausgewirkt, vom Zwang der Kindertaufe bis hin zu einer extrem verkrampften Einstellung zur Sexualität, wurde doch im Zeugungsakt lange Zeit die Vererbung der sogenannten ,Erbsünde‘ verortet“, erklärt Böttigheimer. Vor dem Hintergrund des heutigen naturwissenschaftlichen Weltbildes sei eine solche biologistische Lehre nicht mehr haltbar, ebenso wenig wie der im Deutschen verwendete Begriff der „Erbsünde“. In anderen Sprachen sei darum auch von einer Original- oder Ursünde die Rede.

Problematisch ist aber nicht nur die Begrifflichkeit oder die geschichtliche Wirkung der Erbsündenlehre, vielmehr wurde auf der Tagung zunächst auf die Widersprüchlichkeiten, die dem Erbsündenkonstrukt selbst innewohnen, hingewiesen. Wenn die Vorstellung von Sünde immer schon Freiheit voraussetzt, wie kann dann ein Mensch für eine Sündentat eines anderen Menschen verantwortlich gemacht werden? Diese Grundproblematik führt zu einer weitgehenden Unverständlichkeit der Lehre von einer Originalsünde. In den einzelnen Vorträgen wurde daher wiederholt hervorgehoben, dass die Lehre von einer Ursünde in Spannung stehe zu einem aufgeklärten Freiheitsverständnis, zumal wenn dieses vom Gedanken der Autonomie geleitet wird. Vor diesem Hintergrund stand die Frage im Raum, ob diese Lehre gänzlich aufzugeben sei oder wie sie andernfalls so zu verändern wäre, dass sowohl ihrer Widersprüchlichkeit als auch Unverständlichkeit überwunden werden kann. Dies führte zu einem intensiven Austausch über das theologische Verständnis menschlicher Freiheit.

Für die Verstehbarkeit der Lehre von der Original-/Ursünde wurde in einer globalisierten Welt der im 20. Jahrhundert aufgekommene Begriff der „strukturellen Sünde“ herausgearbeitet. Dieser Begriff stammt aus der lateinamerikanischen Befreiungstheologie und markiert die Dominanz von Herrschafts- und Unrechtssystemen, in die der einzelne Mensch hineingeboren wird. Das, was mit der Ur-/Originalsünde angesprochen wird, nämlich, dass alle Menschen sündigen und schuldig werden, führt dazu, dass sich kein Mensch über einen anderen erheben darf. Diese egalisierende Wirkung der Lehre von der Original-/Ursünde wurde auf der Tagung mehrfach betont.

„Einigkeit bestand unter den Teilnehmenden darin, dass eine sündenfixierte Erlösungslehre, wie sie in der Vergangenheit vorherrschte, nicht länger aufrechterhalten werden kann und darf; als konkrete Lösungsmöglichkeiten wurde etwa vorgeschlagen, in der Verkündigung nicht länger die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen zu betonen, sondern eher von einer sehr viel umfassenderen Heilsbedürftigkeit des Menschen auszugehen“, schildert Böttigheimer. Dadurch werde deutlich, dass der Mensch auf Sehnsucht nach Heil ausgerichtet sei und des „Ganzseinkönnens“ bedürfe.

Die einzelnen Vorträge werden nun für eine Veröffentlichung weiter ausgearbeitet. Indes habe sich schon auf der Tagung gezeigt, dass die gegenwärtige Kirchenkrise letztlich von einer Krise ihres Glaubens herrühre: „Angesichts der Folgen europäischer Aufklärung sowie der Erkenntnisse der modernen Naturwissenschaften ist die entscheidende Frage nicht das Wie des Glaubens, sondern das Was. Bestimmte Glaubensinhalte werden heute zunehmend problematisch, was innerhalb der Kirche bislang allerdings kaum, wenn überhaupt, angesprochen wird“, so Böttigheimer.


Professor René Dausner (6.v.l.) vom Institut für Katholische Theologie der Universität Hildesheim und Professor Christoph Böttigheimer (5.v.r.) von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt gemeinsam mit den Referentinnen und Referenten der Tagung. Foto: Schulte Strathaus