Über Jahrzehnte hatte sich die christliche Friedensarbeit den Grundsatz „Frieden schaffen ohne Waffen“ auf die Fahnen geschrieben. Und der sei mit der Stellungnahme der katholischen Bischöfe auch sicher nicht über Bord geworfen, sagt Prof. Dr. Alexander Merkl. „Der Grundsatz gilt nach wie vor, und wird vor allem von Seiten des Papstes, aber auch von pazifistischen Friedensbewegungen hochgehalten."
Dennoch erfordere das konkrete und aktuelle Geschehen eine differenzierte Betrachtung. „Es kann Situationen geben, in denen die Anwendung von Gewalt ethisch begründbar ist und nicht mehr kategorisch ausgeschlossen werden kann", sagt der katholische Theologe und Ethiker. In solchen Situationen könne „(ein zumindest zeitweiser) Friede nicht mehr ohne Waffen geschaffen werden und die Gewaltanwendung selbst im Dienst der Überwindung der Gewalt stehen". Eine wirkliche Lösung des Konflikts aber seien Waffenlieferungen nicht, allenfalls ein kleineres Übel.
Die Ethik in Zeiten des Krieges - ein Podcast mit Prof. Dr. Alexander Merkl
(Auf das Bild klicken, um Audiowiedergabe zu starten)
HINWEIS: Die Aufzeichnung dieser Podcastfolge fand am 13. April 2022 statt. Alle Äußerungen und Einschätzungen beziehen sich auf die Geschehnisse und den Kenntnisstand zu diesem Zeitpunkt.
Zur zeitlichen Einordnung:
- Am 26. Februar 2022, zwei Tage nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine, hat die Bundesregierung entschieden, Waffen in das Kriegsgebiet zu liefern.
- Die Frühjahrsversammlung der katholischen Bischöfe, auf die im Gespräch Bezug genommen wird, fand im März 2022 statt - über die Einordnung der Waffenlieferungen als "grundsätzlich legitim" berichtete unter anderem die Tagesschau.
- Ende April - nach Aufzeichnung dieser Podcastfolge - genehmigte die Bundesregierung erstmals auch den Export schwerer Waffen direkt aus Deutschland.
- Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Folge gilt ein Öl-Embargo gegen Russland laut Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck als "sehr wahrscheinlich" (Interview in den tagesthemen vom 2.Mai 2022).