Kurzbeschreibung:
Schilling, Weltgeschichte der Philosophie


Kurt Schilling (1899-1977) hat im Jahr 1964 einen Versuch zur Weltgeschichte der Philosophie vorgelegt. Er bezieht folgende Bereiche und Epochen ein: Indien, China, Die antike Mittelmeerwelt [Griechen, Zarathustra, Neuplatonismus, Judentum], Wiedergeburt der Philosophie in den sekundären Hochkulturen: Islam, Christentum, Europa 15.-19. Jh., Industriezeitalter. Er unterscheidet in programmatischer Weise die „Geschichte der Philosophie“ und die „Weltgeschichte der Philosophie“:

„Die ‚Geschichte der Philosophie‘ schlechtweg ist die Erforschung unserer Tradition des Philosophierens. Diese Tradition beginnt mit den Griechen und endet mit der heute nicht mehr lebenden letzten Generation. Man kann diesen alten Titel „Geschichte der Philosophie" nicht unbedacht in „Weltgeschichte der Philosophie" verändern. Die Geschichte der Philosophie hat für uns grundsätzlich eine andere philosophische Aufgabe als die Welt-geschichte der Philosophie. In der erstgenannten kommt es darauf an, zuvor in aller Breite einen Begriff von Philosophie zu entwickeln, der nicht nur beschränkt ist auf die Gegenwart, sondern die Möglichkeiten umfaßt, die traditionell hinter ihr stehen. Erst mit diesem Begriff kann man sich dann auch an Kulturen wenden, die ganz außerhalb der eigenen Tradition liegen und auf der Grundlage der letzten Gleichheit alles Menschlichen die Ähnlichkeiten in der Philosophie verschiedener Kulturen wiedererkennen. Eine nur aus der Gegenwart stammende einseitige Privatsystematik des Verfassers genügt dazu so wenig wie die genauesten philologischen und historischen Kenntnisse auf einem, vielen oder sogar allen Gebieten. Ich muß wirklich zuvor schon wissen, was Philosophie ist. Es wäre auch nicht mehr sinnvoll, eine Weltgeschichte der Philosophie von verschiedenen spezialisierten Verfassern schreiben und vom Buchbinder zusammenheften zu lassen. Der Name wäre damit usurpiert und mißbraucht.

Ich habe diese Auseinandersetzung mit der ganzen Tradition unseres europäischen Denkens bis zurück zu den Griechen in meiner ‚Geschichte der Philosophie‘ (2 Bde., II. Aufl., 1951/53) versucht. Dieses Buch ist, wie ausdrücklich betont sei, etwas völlig anderes und auch ebenso selbständig gegenüber der vergleichenden Weltgeschichte wie diese ihm gegenüber. Trotzdem ist eine Weltgeschichte der Philosophie für jeden Autor heute ein Wagnis. Es wird niemanden mehr geben, der die Philosophie als solche und zugleich Sprache und Kultur, nicht nur der eigenen Tradition bis zurück zu den Griechen, sondern auch die der Chinesen, Inder, Perser, Araber, beherrscht. (Gerade die einseitige Schopenhauernachfolge, nicht nur eine ungenügende Indologie, hat z. B. Deussen dazu gebracht, die tiefgreifenden Unterschiede zwischen dem Rigveda, den Upanishaden, Buddha und dem Vedānta zu verwischen.) Und so ist diese gesamte nichteuropäische Philosophie bisher überhaupt nur als Literaturgeschichte von Texten dargestellt worden. Für den nichtsprachkundigen Philosophen, der hier mit Übersetzungen und erzählten Berichten aus zweiter Hand sich behelfen muß, ist auch nur ein Überblick möglich, keine so eingehende Auseinandersetzung wie in meinem älteren zitierten Buch mit der eigenen, auch sprachlich durchdringbaren Tradition. Daran möchte ich von vornherein keinen Zweifel lassen. Ich kann nicht chinesisch, sanskrit, avestisch, arabisch. Aber auch ein Überblick mit richtigen, in der eigenen zweieinhalbtausendjährigen Tradition bewährten Gliederungen und Urteilen ist für die Philosophie etwas anderes als die beste Literaturgeschichte philosophischer Texte mit falschen, einseitigen oder gar keinen. Mag also dieses Wagnis andere, die auch über die philosophischen Voraussetzungen verfügen, anregen, es im einzelnen zu berichtigen oder im ganzen besser zu machen.“

(Schilling, Kurt: Weltgeschichte der Philosophie. Berlin 1964, S. 27/29.)

(Auszug aus: Elberfeld, Rolf: Philosophiegeschichtsschreibung in globaler Perspektive. Felix Meiner Verlag: Hamburg 2017. S. 291–92.)