Beispiele für den Gebrauch der Datenbank
Die vorliegenden Daten eröffnen bereits heute Einblick in folgende neue Forschungsbereiche:
Philosophiegeschichtsschreibungen ab dem 5. Jahrhundert v. u. Z. bis ins 14. Jahrhundert:
Philosophiegeschichtsschreibung entstand nicht in der griechischen Antike allein. In verschiedenen außereuropäischen Sprachen entstanden ebenfalls philosophische Reflexionen auf Denktraditionen, Personen, Schulen und Lehrmeinungen, die antiken griechischen Doxographien und Beschreibungen von Lehrmeinungen ähneln. Bisher wurden frühe Schriften, die einen philosophiegeschichtlichen Ansatz repräsentieren, in folgenden Sprachen erhoben: Altgriechisch, Arabisch, Koreanisch, Persisch, Sanskrit und Tibetisch. Für das Chinesische zeichnet sich ebenfalls eine umfangreiche Liste ab. Dass in anderen Sprachen andere Begriffe zur Bezeichnung jener Denktätigkeit, die auf Griechisch mit dem Begriff 'Philosophie' benannt wurde, gebräuchlich waren, ist selbsterklärend. Die Berücksichtigung philosophiegeschichtlicher Traditionen in weiteren Sprachen wirft für die frühe Philosophiegeschichtsschreibungen ganz neue Fragen auf.
Philosophiegeschichtsschreibungen in verschiedenen Sprachen zwischen dem 15. und 19. Jahrhundert
Auch zwischen dem 15. bis 19. Jahrhundert wurden Philosophiegeschichten bzw. "Geschichten des Denkens", die einem europäischen Verständnis von Philosophiegeschichte entsprechen, nicht außschließlich in europäischen Sprachen publiziert. Lässt sich eine lange Tradition der Philosophiegeschichtsschreibung in europäischen Sprachen wie Latein, Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Portugiesisch, Russisch und Spanisch nachweisen, ist dies auch für Japanisch (ab dem 19. Jahrhundert), Koreanisch, Persisch und Türkisch (ab dem 19. Jahrhundert) möglich. So bilden sich in den genannten Jahrhunderten sehr verschiedene Traditionen der Philosophiegeschichtsschreibung heraus, wobei in Europa die deutschsprachige Tradition der Philosophiegeschichtsschreibung im 18. und 19. Jahrhundert besonders stark ausgeprägt war und zur Herausbildung des Fachs Philosophie an den Universitäten wesentlich beigetragen hat. Insbesondere ab dem 19. Jahrhundert beginnt eine zunehmende Orientierung außereuropäischer Narrative der Philosophiegeschichtsschreibung an der europäischen Tradition.
Philosophiegeschichtsschreibung ab dem 20. Jahrhundert in verschiedenen Sprachen
Bereits seit dem 19. Jahrhundert zeichnet sich in mehreren außereuropäischen Sprachen die Entstehung eines akademischen Diskurses der Philosophiegeschichtsschreibung ab. In den bisher gesammelten Materialien kann beobachtet werden, dass die Philosophiegeschichtsschreibung seit dem 20. Jahrhundert einen enormen Aufschwung in verschiedenen Sprachen erfahren hat. In diesem Zeitraum ist insbesondere eine „Nationalisierung“ der Philosophiegeschichten zu beobachten, so dass Geschichten der deutschen, französischen, englischen, spanischen, japanischen, indischen, chinesischen, äthiopischen, mexikanischen usw. Philosophie geschrieben werden.
Im Folgenden soll auf einige Besonderheiten einzelner Diskurse verwiesen werden:
- Die arabischsprachige Philosophiegeschichtsschreibung seit dem 20. Jahrhundert ist im Vergleich zu anderen Sprachen wie Japanisch oder Chinesisch relativ übersichtlich. Die meisten Publikationen sind erschienen zum Bereich der islamischen bzw. arabisch-islamischen Geschichte der Philosophie. Bemerkenswert ist die Literatur zur Geschichte der griechischen Philosophie, in der vor allem auch die „orientalischen“ Quellen der griechischen Philosophie ausführlicher dargestellt werden. Darüber hinaus ist in neuerer Zeit eine Tendenz zur nationalen Philosophiegeschichtsschreibung bspw. zur libanesischen, algerischen, marokkanischen, tunesischen und syrischen Philosophie zu beobachten.
- Die chinesischsprachige Philosophiegeschichtsschreibung seit dem 20. Jahrhundert ist eine der bisher umfangreichsten Versuche, verschiedene Geschichten der unterschiedlichen Philosophien darzustellen. Vor allem die Geschichte der chinesischen Philosophie wurde auf Chinesisch in einer Differenziertheit geschichtlich aufgearbeitet, wie es in keiner anderen Sprache zuvor geschehen ist. Hierzu gehören neben den zahlreichen Epochendarstellungen auch die Darstellungen zur Geschichte der konfuzianischen, daoistischen und buddhistischen Philosophie. Auch die europäische Geschichte der Philosophie ist umfangreich aufgearbeitet, wobei außerdem spezielle Geschichten der islamischen, jüdischen, deutschen, französischen, marxistischen usw. Philosophie zu finden sind. Ebenso existieren Geschichten der Philosophie für die „chinesischen Minderheiten“, die in Europa nahezu unbekannt sind. Diese Geschichtsschreibungen bieten ein breites und komplexes Diskussionsfeld über die verschiedenen Felder der Philosophiegeschichte.
- Die deutschsprachige Philosophiegeschichtsschreibung beginnt am Anfang des 18. Jahrhunderts. Es ist schon seit längerem bekannt, dass durch die Geschichtsschreibungen zur Philosophie in deutscher Sprache im 18. und 19. Jahrhundert die Philosophie als eine Fachdisziplin an den Universitäten etabliert werden konnte. Die italienischsprachige, englischsprachige und spanischsprachige Philosophiegeschichtsschreibung wurde wesentlich von der deutschsprachigen mitgeprägt. Neben der Literatur zur Geschichte der europäischen Philosophie sind ab dem 19. Jahrhundert ausgehend von verschiedenen Philologien zudem Philosophiegeschichten zur indischen, chinesischen, japanischen, jüdischen, arabischen, buddhistischen usw. Philosophie in deutscher Sprache entstanden.
- Die englischsprachige Philosophiegeschichtsschreibung hat sich seit dem 19. Jahrhundert besonders im Bereich der europäischen Geschichte der Philosophie stark entwickelt. Ab dem 20. Jahrhundert und bis in die neuere Zeit hinein, hat sich das Gebiet „Geschichte der Philosophie“ vor allem in den USA enorm erweitert. Es ist nicht nur eine sehr umfangreiche und differenzierte Geschichtsschreibung zur europäischen Philosophie, sondern auch - nicht zuletzt im Nachgang der Kolonisierung verschiedenster Weltregionen - zur afrikanischen, lateinamerikanischen, afroamerikanischen, karibischen, nordamerikanischen, buddhistischen, islamischen, jüdischen, chinesischen, indischen, mexikanischen usw. Philosophie entstanden. Die englischsprachige Literatur ist derzeit in Bezug auf die kontextuelle Differenzierung die umfangreichste, die derzeit zudem stark wächst. Es ist dabei zu bemerken, dass die „American Philosophical Association“ seit gut 20 Jahren die Diversität in der Philosophie nachdrücklich fördert und unterstützte.
- Die französischsprachige Philosophiegeschichtsschreibung beginnt im 17. und 18. Jahrhundert deutliche Konturen anzunehmen. Ähnlich wie die deutschsprachige Geschichtsschreibung differenziert sich die französischsprachige im 19. Jahrhundert für die europäische Philosophie in starkem Maße aus. Für das 20. Jahrhundert wird diese Entwicklung für die europäische Philosophie fortgesetzt. Ab dem 20. Jahrhundert erscheint eine zunehmend umfangreiche Literatur zur afrikanischen Philosophie hinzu ebenso wie Geschichten der indischen, chinesischen, jüdischen, islamischen usw. Philosophie.
- Die italienischsprachige Philosophiegeschichtsschreibung beginnt mit vereinzelten Beiträgen bereits im 17. und 18. Jahrhundert und entfaltet sich dann stark im 19. Jahrhundert in Bezug auf die Geschichte der europäischen Philosophie. Diese Tendenz setzte sich soweit fort, dass bisher – im Vergleich zu allen anderen Sprachen – in italienischer Sprache die wohl größte Anzahl von Geschichten der europäischen Philosophie publiziert wurde. In fast jedem Jahr zwischen 1900 und 2020 sind teilweise mehrbändige Geschichten der europäischen Philosophie in italienischer Sprache erschienen. Diese starke Ausrichtung der italienischsprachigen Philosophie auf die Philosophiegeschichtsschreibung erklärt, warum in italienischer Sprache auch die umfangreichste Geschichte der Philosophiegeschichtsschreibung (vgl. Santinello) erschienen ist. Neben dieser besonderen Ausrichtung ist die umfangreiche Literatur zur jüdischen, indischen, islamischen und chinesischen Philosophie hervorzuheben.
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Die japanischsprachige Philosophiegeschichtsschreibung beginnt bereits im 19. Jahrhundert. In japanischer Sprache wurden schon in dieser Zeit Übersetzungsterminologien geschaffen, die Anfang des 20. Jahrhunderts sowohl in China als auch in Korea rezipiert wurden. Im 20. Jahrhundert entwickelte sich ein breites Spektrum der Philosophiegeschichtsschreibungen insbesondere auch für die Geschichte der europäischen Philosophie. Daneben sind zahlreichen Geschichten der buddhistischen, ostasiatischen, chinesischen, und konfuzianischen Philosophie entstanden. Einen besonderen Bereich bildet die Geschichte der japanischen Philosophie bzw. des japanischen Denkens, die in großer Differenziertheit in den verschiedenen Epochen dargestellt wird. Daneben sind besonderes die vielen Geschichten der Ethik hervorzuheben, die deutlich andere Akzente setzen, als wir das in europäischen Geschichten der Ethik gewohnt sind.
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Die koreanischsprachige Philosophiegeschichtsschreibung beginnt im eigentlichen Sinne erst nach 1945. In fast 80 Jahren ist eine beachtliche Literatur zu Philosophiegeschichte nicht nur der europäischen, sondern auch der buddhistischen, christlichen, konfuzianischen, chinesischen, indischen, japanischen oder deutschen Philosophie entstanden. Auf Koreanisch hat sich zudem eine Umfangreiche Literatur zur koreanischen Philosophie entwickelt, die ebenfalls nach koreanischen Geschichtsepochen differenziert ist. Durch die erstmals für die koreanische Sprache durchgeführte Sammlung wird deutlich, wie stark sich die Philosophie im modernen Korea in nur kurzer Zeit entwickelt hat. Korea kann damit seine Stellung in der Philosophie neben China und Japan sehr deutlich behaupten.
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Die bereits sehr früh entstandene persischsprachige Philosophiegeschichtsschreibung bezieht sich seit dem 20. Jahrhundert vor allem auf die Geschichte der europäischen Philosophie und auf die Geschichte der islamisch-iranischen Philosophie. Zudem ist ein Zweig zur Geschichte der modernen iranischen Philosophie entstanden.
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Die polnischsprachige Philosophiegeschichtsschreibung beginnt bereits im 19. Jahrhundert. Im 20. Jahrhundert entwickelt sich dann ein breites Spektrum nicht nur zur Geschichte der europäischen Philosophie, sondern auch zu verschiedenen Philosophien in Asien (u.a. China, Indien). Einen besonderen Bereich bildet die Geschichte der polnischen Philosophie, die in sonst keiner Sprache so ausführlich dargestellt worden ist.
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Die portugiesischsprachige Philosophiegeschichtsschreibung beginnt im 19. Jahrhundert. Im 20. Jahrhundert entstehen zahlreiche Geschichten der europäischen Philosophie. Als Besonderheiten sind die Geschichten der portugiesischen und der brasilianischen Philosophie hervorzuheben.
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Die russischsprachige Philosophiegeschichtsschreibung beginnt im 18. Jahrhundert mit vereinzelten Werken zur europäischen Philosophie, was im 19. Jahrhundert vor allem unter deutschem Einfluss stark ausgebaut wurde. Im 20. Jahrhundert entsteht dann ein breit gefächertes Feld von Geschichtsschreibungen nicht nur zur europäischen Philosophie, sondern zur buddhistischen, islamischen, armenischen, aserbaidschanischen, chinesischen, indischen, japanischen, kasachischen, tartarischen, usbekischen usw. Philosophie. Es lässt sich gut erkennen, wie bestimmte geographische Gebiete erstmalig im Rahmen einer Philosophiegeschichtsschreibung auftauchen. Besonders hervorzuheben sind die Philosophiegeschichten zur marxistischen und zur bürgerlichen Philosophie, eine Unterscheidung, die auf politische Gründe zurückgeht. Gerade in der russischen Philosophiegeschichtsschreibung lassen sich aufgrund der historischen Entwicklungen im 20. Jahrhundert und der geografischen Ausdehnung bis weit nach Asien, viele interessante Unterschiede zur westeuropäischen Tradition beobachten.
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Die spanischsprachigen Philosophiegeschichten beginnen im 18. Jahrhundert. Für das 20. Jahrhundert ist festzustellen, dass eine große Zahl an Geschichten der europäischen Philosophie erschienen ist. Eine Besonderheit der spanischsprachigen Philosophiegeschichtsschreibung - ähnlich wie im Englischen als Ergebnis der Kolonisierung - sind die zahlreichen Geschichten der lateinamerikanischen Philosophie sowie indigener Philosophien oder zur karibischen Philosophie. Darüber hinaus entstanden zahlreiche nationale Philosophiegeschichten, wie der argentinischen, bolivianischen, brasilianischen, chilenischen, costaricanischen, dominikanischen, ecuadorianischen, kolumbischen, kubanischen, mexikanischen, nicaraguanischen, paraguayischen, puertoricanischen, salvadorianischen, uruguayischen, venezolanischen und besonders auch zur spanischen Philosophie. Auch Geschichtsschreibungen zur buddhistischen, islamischen und jüdischen Philosophie sind zu verzeichnen. Diese Vielfalt der Philosophiegeschichtsschreibungen in spanischer Sprache, die sich aus unserer Sammlung ergibt, ist bisher noch nie deutlich gemacht worden.
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Die türkischsprachige Philosophiegeschichtsschreibung beginnt im 19. Jahrhundert und erfährt ab dem Beginn des 20. Jahrhunderts einen deutlichen Aufschwung. Dabei haben sich vor allem drei größere Bereiche entwickelt: Geschichten der islamischen, der türkischen und der europäischen Philosophie. Dabei sind vor allem die Geschichten zur türkischen Philosophie hervorzuheben, die in neuerer Zeit auch „Geschichten der osmanischen Philosophie“ heißen. Ebenso wie in anderen Sprachen fördert die Philosophiegeschichtsschreibung in türkischer Sprache die Historisierung der eigenen Denkgeschichte.