Von künstlicher Intelligenz und echten Kühen – Informatikprofessor Niels Landwehr lehrt und forscht zum Thema Data Science

jeudi, 30. septembre 2021 um 13:53 Uhr

Seit April 2021 ist der promovierte und vielfach ausgezeichnete Informatiker Niels Landwehr Professor für Data Science an der Universität Hildesheim. Sein aktueller Forschungsschwerpunkt ist die Entwicklung von Datenanalysetechniken, welche es ermöglichen, aus den mit modernen Sensoren gewonnenen Rohdaten nutzbares Wissen zum intelligenten Management von landwirtschaftlichen und bioökonomischen Prozessen abzuleiten.

„Dieser agrikulturelle Fokus hat sich durch meine Anstellung beim Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) ergeben“, erläutert Landwehr, schließt aber für die Zukunft in Hildesheim nicht aus, sich neben den noch laufenden Projekten im Agrarbereich auch wieder anderen Themenfeldern des maschinellen Lernens und der Künstlichen Intelligenz zuzuwenden. „Die Landwirtschaft ist nur einer der möglichen Anwendungsfälle.“ Allerdings ein großer und auch für Niedersachsen durchaus regional bedeutsamer, so dass auf der anderen Seite auch hier weitere Perspektiven ergeben könnten.

Ganz konkret befasst sich Landwehr in seiner Forschung mit den Einsatzmöglichkeiten von Künstlicher Intelligenz für Automatisierungsprozesse in der Landwirtschaft, beispielsweise im sogenannten Präzisionspflanzenbau. Dabei kommt es darauf an, Düngemittel oder Herbizide auf landwirtschaftlichen Flächen möglichst punktgenau dort auszubringen, wo sie benötigt werden. Zwar verfügen moderne landwirtschaftliche Geräte über GPS-Steuerung, doch vor deren Einsatz steht zunächst eine intelligente Zustandserfassung der Pflanzen, denn Pilz- oder Unkrautbefall sowie auch Trockenheit können zum Teil sehr kleinräumig innerhalb einer größeren bewirtschafteten Fläche oder einer Anbauregion auftreten. „Auch unterschiedliche Witterungsperioden oder Verläufe über mehrere Anbaujahre gilt es zu berücksichtigen“, sagt Landwehr.

Für ein weiteres Projekt in Zusammenarbeit mit der Lehr- und Versuchsanstalt für Tierzucht und Haltung in Groß Kreutz hat die Universität Hildesheim gerade 156.000 Euro Forschungsförderung vom Bund erhalten (siehe unten). „Künstliche Intelligenz zur Erfassung der Atmung bei Milchkühen“, kurz KAMI, hat zum Ziel, anhand des Atemrhythmus Stress bei den Tieren zu erkennen, der beispielsweise auf Krankheiten hinweisen könnte. Mithilfe künstlicher Intelligenz sollen optische Sensoren entwickelt werden, die unabhängig von Körperhaltung, Fellzeichnung oder Rasse die individuelle Atembewegung an den Flanken eines Tieres ablesen und Unregelmäßigkeiten erkennen können. Doch wer nun einen Wissenschaftler in Latzhose und Gummistiefeln vor sich sieht, irrt. „Ich bin auf der Datenseite“, sagt Landwehr, „in einem Kuhstall war ich tatsächlich noch nie.“

Die von ihm entwickelten Analyseverfahren eröffnen Perspektiven, Prozesse mit bisher unerreichter Genauigkeit zu erfassen und präzise Modelle des Prozessverhaltens zu bilden. Sie könnten zukünftig eine Schlüsselrolle bei der Digitalisierung der Landwirtschaft und Bioökonomie einnehmen.

Zur Person: Prof. Dr. Niels Landwehr

Niels Landwehr hat Informatik mit Nebenfach Mathematik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg studiert. Er promovierte zum Thema „Trading Expressivity for Efficiency in Statistical Relational Learning" am Fachbereich Informatik der Katholieke Universiteit Leuven, Belgien, im Jahr 2009. Von 2009 bis 2013 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter (postdoc) in der Arbeitsgruppe für Maschinelles Lernen am Institut für Informatik der Universität Potsdam.

Landwehr wurde für seine wissenschaftlichen Arbeiten mehrfach ausgezeichnet. Er erhielt unter anderem den „Scientific Prize IBM Belgium for Informatics" für die beste Dissertation im Bereich der Informatik in Belgien, den „ECCAI Artificial Intelligence Dissertation Award" für die beste Dissertation im Bereich der künstlichen Intelligenz in Europa, sowie den „Best Paper Award", „Best Student Paper Award", und „Test of Time Award" der European Conference on Machine Learning (ECML).

Vor seinem Ruf nach Hildesheim widmete er sich zuletzt als Professor für „Data Science in Agriculture“ im Rahmen einer gemeinsamen Berufung des ATB und der Universität Potsdam der Weiterentwicklung von Verfahren der intelligenten Datenanalyse und des maschinellen Lernens und ihrer Anwendung auf Fragestellungen der Bioökonomie und führt einige der Projekte nun von Hildesheim aus fort.

Zum Projekt „KAMI“

Im Rahmen der Förderlinie „Bekanntmachung zur Förderung der Künstlichen Intelligenz in der Landwirtschaft, der Lebensmittelkette der gesundheitlichen Ernährung und den Ländlichen Räumen im Rahmen von Forschungsvorhaben“ erhält die Stiftung Universität Hildesheim für das Projekt „Künstliche Intelligenz zur Erfassung der Atmung bei Milchkühen KAMI“ Fördermittel des Bundes von rund 156.000 Euro. Das Förderprogramm ist eingebettet in die gemeinsame „Strategie Künstliche Intelligenz“ der Bundesregierung.


Niels Landwehr ist Professor für Data Science und forscht aktuell vor allem zum Einsatz von KI in der Landwirtschaft. Foto: Alexander Hauck

Einblicke in den Versuchsstall in Groß Kreutz bei Potsdam. Fotos: Leibniz Instituts für Agrartechnik und Bioökonomie (ATB) Potsdam.