Heilige Erkenntisse

jeudi, 30. janvier 2014 um 15:30 Uhr

Wie aktiv der heilige Bischof Godehard um 960 gelebt hat und wie gesund er bis ins hohe Alter war, erforschen Hildesheimer Biologen. Im Computertomographen untersuchten sie Knochenfragmente, die noch Jahrhunderte später noch Zeugen der körperlichen Tätigkeit sind. Godehard hat sich gut gehalten.

Zwei Oberschenkelknochen und ein Stück vom Fersenbein ersetzen an diesem Vormittag den Patienten. Wie üblich schiebt sich die Liege – darauf die Knochen, die in einer silbernen Transportbox angeliefert wurden – ganz langsam unter den Tomographenbogen. Bis zu 100 einzelne Bilder vom Fernsenbein und zwischen 300 und 400 von den Oberschenkelknochen entstehen in wenigen Sekunden. Sie werden dann vom Computer übereinandergelegt und ergeben ein dreidimensionales, bewegliches Bild vom Knochen.

Und der Knochen ist nicht irgendein Knochen: Im St. Bernward-Krankenhaus wurden in dieser Woche die Reliquien des heiligen Godehard untersucht. Bischof Godehard starb um 1038 und wurde im Hildesheimer Dom beigesetzt. Im Zuge der Domsanierung wurde der Schrein umfassend saniert. Biologen ergriffen die Chance, eine Untersuchung zu starten.

Die Reliquie muss unversehrt erhalten bleiben, das ist eine Bedingung. „Doch sonst unterscheidet sich die Untersuchung des Skeletts eines Heiligen nicht groß von nicht-berühmten Personen", sagt Dr. Carsten Witzel. Der Biologe der Universität Hildesheim und sein Kollege Dr. Stefan Flohr untersuchen seit 2009 die Knochen aus dem Godehard-Schrein. Zunächst erfolgte eine Bestandsaufnahme, da wurden die noch vorhandenen Knochen bestimmt, und fotografisch dokumentiert. Eine Publikation des Dommuseums soll im Herbst erscheinen.

„Das Skelett des Heiligen ist unvollständig. Wir können aber feststellen, dass es sich um ein männliches, in höherem Alter verstorbenes Individuum handelt“, sagt Witzel. Die Knochen sind auch fast 1000 Jahre später noch Zeugen der körperlichen Tätigkeit, die Art der Beanspruchung sei erkennbar. „Schwere körperliche Arbeit prägt sich im Skelett ein, wer viel sitzt hat eine andere Knochenstruktur als jemand, der sich täglich bewegt. Die Konstitution des heiligen Godehards war noch kräftig und ohne besondere Verschleißerscheinungen. Das spricht für ein aktives Leben aber ohne Belastungen durch Schwerstarbeit.“ 

Um zu bestätigen, ob beispielsweise Haare am Schädel vorhanden sind und um den Aufbau von Zahnfragmenten zu erkennen, arbeiten die Biologen aus Hildesheim mit der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe zusammen. „Wir können dort das Elektronenmikroskop nutzen. Und im Bernwardkrankenhaus konnte in dieser Woche ein CT erstellt werden. Solche Kooperationen sind sehr wichtig für uns, da wir keine vergleichbaren technischen Großgeräte auf dem Campus verfügbar haben", sagt Witzel. Beim CT überraschte ihn, dass auch die Knochenstruktur im Vergleich zu vielen Älteren unserer Zeit noch sehr robust war. Dies fiel auch dem Radiologen und Oberarzt des Bernwardkrankenhauses Dr. Axel Wisotzki auf. Dies spricht sehr für den vermuteten aktiven Lebensstil. Und weiteres könne man anhand der Aufnahmen feststellen: „Wenn der heilige Godehard einen Tumor gehabt hätte, könnte man das an den Knochen noch sehen", sagt der Oberarzt während der Untersuchung. Dies sei jedoch nicht der Fall.

Schon als junger Mann ging Godehard jeden Tag eine Stunde zu Fuß zur Klosterschule und eine Stunde wieder zurück, das ist in der Vita des Heiligen überliefert. Damit könne er auch für die Menschen heute Vorbild sein, sind sich der Oberarzt und der Anthropologe einig. „Wer sich bis ins hohe Alter in Bewegung hält, hat gute Chancen, dass auch seine Knochen gesund altern und sich immer wieder strukturell erneuern." 

Das Bistum Hildesheim zeigt an den Untersuchungen großes Interesse: So nahmen Weihbischof em. Hans-Georg Koitz und Prof. Dr. Michael Brandt, Direktor des Dommuseums teil. Dr. Thomas Scharf-Wrede, Direktor des Bistumsarchivs, achtete für das Protokoll darauf, „dass mit den Reliquien sorgsam und fachmännisch umgegangen" wurde. „Es ist beeindruckend, welche technischen Möglichkeiten die Wissenschaft und Medizin heute haben. Den heiligen Godehard nun so, über eine Brücke von 1000 Jahren, zu erleben, hat mich sehr berührt", so Weihbischof Koitz.

Biologen der Universität Hildesheim forschen im Bereich Hartgewebe, untersuchen Knochen und Zähne von Tieren und Menschen, etwa die Regeneration des Hirschgeweihs (Uni-Journal, Seite 3). Carsten Witzel ist seit Jahren an Grabungen in Syrien beteiligt und hat dort an verschiedenen Fundplätzen Skelette von der Bronzezeit bis in die römische Epoche untersucht. Auch die Domsanierung wird von den beiden Hildesheimer Biologen begleitet.

„Heilige Knochen im Computertomographen", 30.01.2014, NDR Fernsehen

„Bischof Godehard: Rüstig bis ins hohe Alter", Bericht des Bistums Hildesheim


Vor 1000 Jahren undenkbar: Dr. Carsten Witzel von der Universität Hildesheim untersucht die Knochen des heiligen Godehard mithilfe des Computertomographen im St. Bernward-Krankenhaus. Weihbischof Koitz zeigt sich beeindruckt von den „technischen Möglichkeiten, die Wissenschaft und Medizin heute haben". Foto: Bischöfliche Pressestelle Hildesheim/Jens Schulze

Vor 1000 Jahren undenkbar: Dr. Carsten Witzel von der Universität Hildesheim untersucht die Knochen des heiligen Godehard mithilfe des Computertomographen im St. Bernward-Krankenhaus. Weihbischof Koitz zeigt sich beeindruckt von den „technischen Möglichkeiten, die Wissenschaft und Medizin heute haben". Foto: Bischöfliche Pressestelle Hildesheim/Jens Schulze

Vor 1000 Jahren undenkbar: Carsten Witzel von der Uni Hildesheim untersucht die Knochen des heiligen Godehard mithilfe des Computertomographen im St. Bernward-Krankenhaus. Weihbischof Koitz zeigt sich beeindruckt von den „technischen Möglichkeiten, die Wissenschaft und Medizin heute haben". Foto: bph/Jens Schulze