Experimentalarchäologie: Neue Erkenntnisse zur Eisenverhüttung

lundi, 31. mai 2021 um 09:49 Uhr

Mit seiner Masterarbeit im Studiengang Umwelt, Naturschutz und Nachhaltigkeit der Universität Hildesheim hat Christian Helmreich zum Verständnis der frühen Eisenverhüttung beigetragen. In experimentellen Studien konnte er nachweisen, dass bereits im 1. Jh. n. Chr. eine frühindustrielle Gewinnung von Eisen auch in Regionen mit geringem Vorkommen von Raseneisenerz möglich war.

„Ich bin durch Zufall auf etwas gestoßen, das so nicht vorhersehbar war“, sagt Christian Helmreich heute. In einfachen Lehmöfen, sogenannten Rennöfen, war es ihm im Rahmen einer experimentellen Studie für seine Masterarbeit gelungen, aus einer Kombination von Toneisensteinen und einem geringen Anteil von Raseneisenerz Eisen zu gewinnen – ein kulturgeschichtlich durchaus bedeutsames Ergebnis. Bisher war man davon ausgegangen, dass die frühen Formen der Eisenverhüttung nur in Gegenden mit einem reichhaltigen natürlichen Vorkommen an Raseneisenerzen möglich war.

In Zusammenarbeit mit Florian Kobbe vom Freilichtmuseum Grafhorn (www.grafhorn.de) und mithilfe einer finanziellen Unterstützung der VGH-Stiftung in Höhe von 2500 Euro und der Region Hannover in Höhe von 1000 Euro hatte sich Helmreich aus wissenschaftlicher Sicht mit einem archäologischen Grabungsfund aus Sehnde bei Hannover befasst. Dort war man im Jahr 2017 bei Erdarbeiten auf die Überreste von insgesamt mehr als 30 Rennöfen und zehn Grubenhäusern gestoßen – „ein richtiges frühgeschichtliches Industriegebiet“, sagt Helmreich. Ähnliche Funde sind aus Regionen mit toneisenhaltigen Böden bekannt, beispielsweise aus dem Raum Salzgitter oder Quedlinburg. Bei Sehnde schienen dafür jedoch die natürlichen Ressourcen auf den ersten Blick nicht gegeben. Doch findige Menschen müssen zu jener Zeit herausgefunden haben, wie sich verschiedene, einzeln nicht verhüttbare Bestandteile vermischen lassen, um daraus dennoch Eisen zu gewinnen. Insgesamt 98 Kilogramm Verhüttungsschlacken konnten aus den Grubenhäusern und Rennöfen geborgen und im Labor auf ihre Zusammensetzung hin analysiert werden.

Anschließend gelang es Helmreich, in einem nachgebauten Rennofen aus Lehm den Prozess der Eisenverhüttung nachzustellen. Im Freilichtmuseum in Grafhorn sind dazu Vorführungen im Rahmen von Presseterminen möglich – sofern dies unter Einhaltung der zum geplanten Zeitpunkt geltenden Hygieneauflagen umgesetzt werden kann.

Christian Helmreich setzt seine Forschungen inzwischen im Rahmen eines Dissertationsprojektes an der Universität Hildesheim fort.


Eindrücke von Rekonstruktion und Betrieb des Mehrwegofens. Fotos: Christian Helmreich