Blühflächen am Uni-Hauptcampus – ganz ohne Ansaat entstehen Habitate für Pflanzen und Insekten

lundi, 06. septembre 2021 um 07:30 Uhr

Ein Team der Forschungsgruppe „Vegetationsökologie und Naturschutz“ sowie des Dezernats für Bau und Gebäudemanagement lässt den Hauptcampus der Universität Hildesheim erblühen: Wo früher grüner Rasen gemäht wurde, entstehen heute – ganz ohne Ansaat – Blühflächen mit einer bemerkenswert hohen Anzahl blühender Pflanzenarten.

Wenn die Gärtner Danush Llunjaj und Thomas Przyklenk die Grünflächen der Universität Hildesheim pflegen, mähen sie seit diesem Sommer nicht mehr schnurstracks geradeaus, sondern kreisen um „Hörnchen“-Formen herum. Das ist aufwendiger, doch für die beiden Gärtner der Universität Hildesheim ein Weg, sich für Naturschutz einzusetzen.

Prof. Dr. Johannes Metz, Juniorprofessor für Vegetationsökologie und Naturschutz am Fachbereich 4, und die drei Doktorand*innen Kai Hobritz, Josephin Hartmann und Florian Gade haben den Stein ins Rollen gebracht, am Campus kleine Blühstreifen anzulegen.

Gemeinsam mit dem Team um Marc Taubitz, der für das infrastrukturelle Gebäudemanagement im Dezernat für Bau und Gebäudemanagement verantwortlich ist, greifen die Gärtner diese Idee aus der Wissenschaft auf und realisieren diese. Dabei müssen sie sowohl die Pflege der riesigen Außenflächen der Universität als auch den Naturschutz und die Anliegen der Institute bestmöglich „unter einen Hut kriegen“, so Taubitz.

Interview mit Prof. Dr. Johannes Metz: „Die über 35 Arten stecken ganz ohne Ansaat in den Grünflächen“

Herr Professor Metz, wir stehen auf der Wiese am Hauptcampus der Universität Hildesheim, ein Schmetterling und eine Wildbiene fliegen gerade an uns vorbei. Was ist hier im Außenbereich am Hauptcampus der Universität Hildesheim entstanden?

Metz: Wir haben im April 2021 überlegt, kleine Blühstreifen am Hauptcampus anzulegen. Mit unserer Idee sind wir auf das Gebäudemanagement zugegangen und sind beim Team um Herrn Marc Taubitz auf offene Ohren getroffen. Gemeinsam haben wir dann überlegt, wie wir die Idee konkret umsetzen können. Im Mai haben wir zwei „Hörnchen“-förmige Flächen abgesteckt. In diesem Bereich wurde seitdem nichts gemacht – seitdem wurde diese markierte Fläche nicht gemäht.

Es wurde nichts ausgesät?

Metz: Nein, hier [zeigt auf die Blühflächen] wachsen nur die Arten, die schon in der Wiese vorhanden waren. Die Pflanzen haben aber nun quasi zum ersten Mal tatsächlich die Chance zu blühen und ziehen dann wiederum Insektenarten an.

„Hier wachsen die Arten, die schon in der Wiese vorhanden waren.
Insektenarten finden ihr Habitat“

Sie führen gerade ein Arteninventar durch.

Metz: Ich habe eine kleine Vegetationsaufnahme gemacht. Bemerkenswert ist die Zahl der blühenden Arten, die ganz ohne Ansaat in den Flächen steckt: In beiden Flächen zusammen habe ich 35 Pflanzenarten gefunden. In den Blühstreifen an unserem Uni-Campus konnten sich verschiedene Pflanzenarten entwickeln, etwa hier vorne die lilafarbene Kleine Braunelle (Prunella vulgaris) oder hinten der gelb blühende Hornklee (Lotus corniculatus), die Schafgarbe (Achillea millefolium) sowie je zwei verschiedene Storchschnäbel (Geranium), Veronika und Fingerkräuter (Potentilla). Die Arten werden sehr gut von verschiedenen Wildbienen und Hummeln angenommen; die Prunella vulgaris als Lippenblütler ist zum Beispiel ein hervorragender Landeplatz für Hummeln. Auch verschiedene Käfer und Wanzen nehmen die Blühstreifen an.

Ein Drittel sind Grasarten aus der Gruppe der Süßgräser (Poaceae) – auch hier findet sich eine überraschende Vielfalt von Arten, etwa das Weiche Honiggras (Holcus mollis), das Gemeine Rispengras (Poa trivialis) und das Kammgras (Cynosurus cristatus) wachsen in den Streifen sowie der Rotschwingel (Festuca rubra), der Rohrschwingel (Festuca arundinacea) und das Gemeine Knäuelgras (Dactylis glomerata).

Ich habe einen sehr positiven ersten Eindruck. Die Gärtner mähen die „Hörnchen“ sorgfältig zu sehr ansprechenden Flächen, die richtig schön sind.

Von der Kleinen Braunelle (Prunella vulgaris) über das Weiche Honiggras (Holcus mollis) bis zum Hornklee (Lotus corniculatus)

Wie ist Ihr Ansatz hinter dieser Initiative. Warum machen Sie dies – können Sie als Experte für Vegetationsökologie und Naturschutz aus Ihrem Forschungskontext heraus berichten.

Metz: Es ist eine kleine aber recht einfache Möglichkeit, für ein bisschen mehr Diversität in der Stadt zu sorgen und für Insekten kleine Rückzugsräume zu schaffen. Man muss eine Wiese nicht immer, zumindest nicht alle Flächen, auf zwei Zentimeter alle paar Wochen heruntermähen. Sondern man kann diese kleinen Inseln lassen.

Es gibt wahnsinnig viele Insektenarten, viele sind spezialisiert und benötigen bestimmte Nahrungsquellen. Indem wir die Pflanzenarten etwas höher wachsen und blühen lassen, entstehen kleine neue Lebensräume und Insektenarten finden ihr Habitat.

Mit welchen Forschungsfragen befassen sich die Promovierenden Kai Hobritz, Josephin Hartmann und Florian Gade üblicherweise?

Metz: Die drei Promovierenden schreiben ihre Doktorarbeiten in der Vegetationsökologie. Frau Hartmann und Herr Hobritz befassen sich mit gefährdeten Orchideenarten und Strategien zu ihrem Erhalt. Herr Gade analysiert mediterane Pflanzen und ihre Anpassungsstrategien an Trockenstress. Diese Forschung trägt dazu bei, die Folgen durch gegenwärtige Veränderungen der Landschaft und des Klimas für Pflanzenarten abzuschätzen.

Herr Professor Metz, vielen Dank für das informative Gespräch!

Die Fragen stellte Isa Lange.


Johannes Metz beim Aufnehmen des Arteninventars am Blühstreifen am Hauptcampus der Universität Hildesheim. Eine Hummel besucht den gelb blühenden Gemeinen Hornklee, daneben blüht lila die Kleine Braunelle. Fotos: Isa Lange