Sprachkurs: Geschichten erzählen mit dem Körper

vendredi, 09. octobre 2015 um 18:00 Uhr

Gestern, heute, morgen: Wer am Gebärdensprachkurs an der Universität teilnimmt, kann Geschichten in verschiedenen Zeitformen erzählen. Studierende aller Fachbereiche können an den Kursen teilnehmen. Im nächsten Sprachkurs sind noch wenige Plätze frei. Wer sich dafür interessiert, kann sich bis zum 25. Oktober 2015 anmelden.

An den Moment, in dem sie das erste Mal die Gebärdensprache im Alltag einsetzte, erinnert sich Maria Heybutzki gut. Neulich fuhr die Masterstudentin mit dem Zug von Hildesheim nach Hannover, sie saß im Viererabteil am Fenster. „Ich konnte das Gespräch meiner drei Sitznachbarn verstehen, aber nur etwas, sie waren so schnell und richtig gut – sie haben sich im Dreieck unterhalten, was viel schwerer ist, da man sich dann nicht frontal sieht, sondern die Gebärden teilweise nur aus dem Augenwinkel wahrnimmt. Man vergisst die Gebärdensprache schnell, wenn man sie nicht anwendet." Als sie aussteigen musste, setzt die Studentin ihre Gebärdensprachkenntnisse ein, um freundlich darum zu bitten, vorbeizukommen. Das konnte sie, die Gesten dazu hatte sie parat und man verabschiedete sich mit einem Lächeln.

Studentinnen und Studenten können an der Universität Hildesheim die Gebärdensprache erlernen. Maria Heybutzki, die in Hildesheim „Medientext und Medienübersetzen" studiert und sich in ihrer Abschlussarbeit mit barrierefreier Kommunikation befasst, hat ein Jahr lang an dem Sprachkurs teilgenommen, eine wichtige Erfahrung. Es ist so, als würde man eine neue Fremdsprache erlernen, nur dass man stetig den Blickkontakt halten muss, da sonst wichtige Informationen fehlen.

„Die Studierenden können die Gebärdensprache von erfahrenen, gehörlosen Gebärdensprachdozenten erlernen", sagt die Medienlinguistin Prof. Christiane Maaß. Es gibt zwei Kurse: Gebärdensprache I ohne Vorkenntnisse und Gebärdensprache II mit Vorkenntnissen. Besonders sinnvoll ist der Sprachkurs für alle Studiengänge, die etwas mit dem Thema Inklusion zu tun haben, sagt Professorin Christiane Maaß. Lehramtsstudierende können fünf Punkte erwerben, aber auch Studentinnen und Studenten aus anderen Fächern sind willkommen und können sich die Teilnahme attestieren lassen, so Maaß. „Wir wollen diese Kurse dauerhaft installieren."

Im Anfänger-Kurs lernen Studierende die Deutsche Gebärdensprache samt Gehörlosenkultur und Geschichte kennen, sagt Isabel Rink, die am Institut für Übersetzungswissenschaft und Fachkommunikation der Hildesheimer Uni arbeitet. Sie lernen das Fingeralphabet und „enorm viel Vokabular, Gebärden und Idiome", so Rink. Wer erfolgreich teilnimmt, kann kürzere Gespräche darüber führen, wer man ist und wo man die Sprache gelernt hat. Außerdem beschäftigen sich die Studierenden mit Sprache, zum Beispiel Possessivpronomen, Satzstellung, Aufbau von Geschichten, so Isabel Rink. „Im Fortgeschrittenen-Kurs lernen Studierende die Monate und Uhrzeiten, machen mit der Bildbeschreibung weiter, wo was platziert ist – links, rechts, gegenüber. Sie können ganze Bildergeschichten erzählen mit Zeitform – gestern, heute, morgen – und zum Beispiel berichten, wie reichhaltig ein Frühstückstisch gedeckt ist oder was es alles in einem Kaufhaus gibt, samt Inventar  wie Mode, Herrenanzug, Krawatte, Restaurant. Und man kann sagen, wie man wohnt, ob im Haus der Eltern, in der eigenen Wohnung oder WG."

Die Universität arbeitet mit dem Landesbildungszentrum für Hörgeschädigte in Hildesheim zusammen. Die Dozenten Dana Apel und Jörg Apel leiten die beiden Gebärdensprachkurse. Das Landesbildungszentrum ist eine bilinguale Schule, der Unterricht erfolgt durchgängig zweisprachig in deutscher Sprache und deutscher Gebärdensprache. Am Ende des Gebärdensprachkurses werden die Studierenden ihre Fertigkeiten im Landesbildungszentrum erproben können. Bisher nahmen Studierende aus den Studiengängen „Medientext und Medienübersetzung", „Internationales Informationsmanagement", „Internationale Kommunikation und Übersetzen" sowie „Sozial- und Organisationspädagogik" an den Kursen teil. Für die angehenden Medienübersetzer ist der wöchentliche Gebärdensprachkurs Teil des Schwerpunkts „Barrierefreie Kommunikation". Auch Lehramtsstudierende können teilnehmen.

Der Kurs startet am 1. November 2015, geht über zwei Semester und umfasst je 2 Semesterwochenstunden. Der Anmeldeschluss ist am 25. Oktober 2015. Wer sich für den Kurs anmelden möchte, kann Prof. Dr. Christiane Maaß kontaktieren (E-Mail: christiane.maass@uni-hildesheim.de). Die Gebärdensprachkurse sind ein universitätsübergreifendes Angebot, das aus zentralen Studienqualitätsmitteln finanziert wird.


Die eine Geste bedeutet Arzt, die andere, je nach Kontext „halb" oder „Hälfte". Maria Heybutzki studiert Medientext und Medienübersetzen und hat ein Jahr lang an der Universität Hildesheim die Deutsche Gebärdensprache erlernt. Fotos: Isa Lange/Uni Hildesheim

Die eine Geste bedeutet Arzt, die andere, je nach Kontext „halb" oder „Hälfte". Maria Heybutzki studiert Medientext und Medienübersetzen und hat ein Jahr lang an der Universität Hildesheim die Deutsche Gebärdensprache erlernt. Fotos: Isa Lange/Uni Hildesheim