Austausch über Digitale Lehre am Fachbereich 2 - Stellungnahme der Fachschaftsvertretung Philosophie

Eindrücke des digitalen Semesters

Die Corona-Krise hat alle am Universitätsbetrieb Beteiligten – die Universitätsleitung, die Dozierenden, Mitarbeiter*innen aller Bereiche, sowie die Studierenden – vor enorme Herausforderungen gestellt. In kürzester Zeit musste die gesamte Lehre auf ein digitales Semester umgestellt werden. Dies ist nur mit der größtmöglichen Flexibilität und Bereitschaft aller gelungen.

Nach einigen Wochen Erfahrungen aus der Praxis eines digitalen Semesters wollen wir als Fachschaftsvertretung Philosophie nun unsere Eindrücke dessen wiedergeben. Dies erfolgt parallel zu und in gegenseitigem Wissen von einer Stellungnahme der Lehrenden des Philosophie-Instituts. Weiterhin holen wir derzeit über eine Umfrage unter den Philosophiestudierenden weitere Eindrücke ein, die diese somit vorläufige Stellungnahme ergänzen sollen.

 

Wie wirken sich die verändernden Lernumstände auf vermittelte Lerninhalte aus?

Ein qualitativ gutes Philosophiestudium, sollte möglichst effektiv und unter Berücksichtigung des Wohlbefindens der Studierenden Lerninhalte vermitteln. „Lerninhalte“ bedeutet an dieser Stelle nicht nur Informationen und Fakten. Gerade im Fach Philosophie spielt methodisches Wissen, ein Aneignen von bestimmten Fähigkeiten und ein Kennenlernen der Kultur des Feldes eine wichtige Rolle, um einerseits Lerninhalte besser und klarer zu verstehen und andererseits besser im Feld Anschluss zu finden. Aus diesem Grund bedeutet „effektives Vermitteln“ auch keine möglichst hohe Quantität an Lerninhalten, sondern eine informative, methodische und persönliche Einführung in das Fach und die Kultur der Philosophie. Im Folgenden gehen wir auf Möglichkeiten und Probleme der digitalen Lehre im Fach Philosophie ein.

Das digitale Lernen bietet die Chance über größere räumliche Distanz an Lehrveranstaltungen teilzunehmen. Außerdem kann man sich die Arbeitszeiten oft flexibler einteilen und selbstorganisierter Lernen. Die übliche Anfahrtszeit entfällt und Pausen werden öfter und nach eigenem Bedarf möglich. Durch die digitale Umgebung können verschiedenste Medien nahtlos und besser eingebunden werden. Es zeigen sich neue Instrumente der Zusammenarbeit wie simultane Textverarbeitung oder geteilte Whiteboards.


Ein entscheidender Nachteil für die Lehre ist, dass Gesprächssituationen in den Veranstaltungen erschwert werden und zentrale Diskussionen entfallen. Die Erarbeitung der Ergebnisse dauert deutlich länger, da dies im virtuellen Raum schwieriger ist als in einer Präsenzsituation. Dadurch wird das Arbeitspensum größer, da Studierende mehr als zuvor außerhalb der Sitzungen vor- und nachbereiten müssen, um den gleichen Lerneffekt zu haben.


Zudem ist die Teilnahme am digitalen Studium an Grundvoraussetzungen gebunden: Technik (Zugangsgerät, Mikrofon, Software), die eventuell neu zu erwerben ist und eine stabile Internetverbindung. Hier berichten viele Studierende von Zugangsproblemen durch schlechte Anbindung in ihrer Region, aufgrund derer sie an Veranstaltungen nicht teilnehmen können. Wenn den Studierenden aufgrund fehlender technischer Möglichkeiten und schlechter Internetverbindungen eine Teilnahme an digitalen Veranstaltungen schwierig oder gar nicht möglich ist, widerspricht dies allerdings dem Bildungsauftrag der Universität. Der universitäre Zugang sollte allen möglich sein, unabhängig von zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen für Technik. Hier darf, inklusiv gedacht, keine Person benachteiligt sein. Bereitstellungen, die hierbei momentan erfolgen, helfen in der aktuellen Situation, sind aber nicht für eine langfristige Ausstattung ausgelegt.


Selbst wenn die technischen Voraussetzungen zur Teilnahme gegeben sind, wird ein qualitatives Philosophiestudium eingeschränkt. Die Ausbildung zentraler Schlüsselkompetenzen wie Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeiten und persönliche Vernetzung im sozialen Raum fallen weg. In digitalen Seminaren müssen Gespräche teilweise verschriftlicht werden, was nur als Gesprächsersatz fungiert. Auch mündliche Beiträge werden eingeschränkt, da sich, aufgrund der fehlenden Präsenz, die Hemmschwelle für Wortmeldungen vergrößert. Andere Veranstaltungen müssen gänzlich über den schriftlichen Beitrag abgewickelt werden. Formate, die praktisch nur in Präsenz funktionieren, sind ausgesetzt.


Auch Gruppenarbeit ist durch bloßen auditiven Kontakt erschwert oder fällt mitunter ganz weg. Die Möglichkeit, außerhalb der Lehrveranstaltungen mit Kommiliton*innen ins Gespräch zu kommen, ist nicht gegeben. Dies ist für eine philosophische Gesprächskultur, die aus Reflexion, Diskurs und Kritik besteht, essentiell. Dieser fundamentale Teil der Philosophie kann im digitalen Raum nicht stattfinden.


Das Lernen erfolgt größtenteils alleine im Privatraum. Für Studierende ergeben sich Hürden durch fehlende passende Arbeitsräume zu Hause. Das Ausweichen auf Lernorte innerhalb der Universität fällt weg. Dies erschwert eine Trennung von Alltag und Arbeit, was sich als Stressfaktor auf die Konzentration auswirkt.


Eine besondere Herausforderung stellen die Prüfungen dar. Da es nicht anders möglich ist, werden (bis auf einige Ausnahmen) Prüfungen als Online-Prüfungen abgehalten. Es stellt sich dabei die Frage, ob die Prüfungssituation an sich unter den Online-Formaten leidet (auch wenn diese weiterentwickelt werden). Eventuell sind einige Studierende benachteiligt, denen das Reden außerhalb persönlichen Kontakts schwerer fällt. Ein besonderes Augenmerk liegt auch hier auf dem Datenschutz, mit dem sich alle Beteiligten vertraut machen müssen.


Aus all diesen Schilderungen geht hervor, dass die aktuelle digitale Form der Lehre verbesserungswürdig ist. Als Reaktion auf die Corona-Beschränkungen bewerten wir digitalen
Universitätsbetrieb als sinnvoll. Dieser funktioniert aber nicht als zukünftiger Ersatz für einen Präsenzbetrieb über diese Zeit hinaus, da die Möglichkeiten für ein qualitatives Studium nicht gegeben werden können. Eventuell können digitale Formate neue Möglichkeiten und Chancen in einem Präsenzbetrieb bieten, können aber allenfalls ergänzend wirken.


Im besten Fall erhalten wir also gerade experimentelle Einblicke in eine mögliche E-Lehre. Im schlimmsten Fall zeigt sich bereits jetzt schon, inwiefern sich wesentliche Merkmale der Präsenzlehre selbst mit einer lang erprobten und von Grund auf konzipierten Form der digitalen Lehre nicht ersetzt werden können.

 

Wir als Studierende bitten um Kenntnisnahme und Einbezug unserer Perspektive.
Die Fachschaftsvertretung Philosophie, 08.06.2020