Von Krisen in der Gegenwart und Wissen für die Zukunft – ein Gespräch mit den Students for Future Hildesheim

jeudi, 04. février 2021 um 12:19 Uhr

Zum dritten und letzten Mal in diesem Semester lädt die Gruppe Students for Future gemeinsam mit Professorin Meike Baader am Dienstag, 16. Februar, im Rahmen der Seminarreihe „Klimakrise: Generationen, Geschlecht und Bildung“ zu einem öffentlichen Online-Vortrag ein. Thema diesmal: Rassismus und Kolonialismus. Wie es zu der Veranstaltungsreihe kam, und wie die Corona-Pandemie sich auf die Arbeit und die Ziele der Klima-Bewegung auswirkt, erzählen einige der Mitwirkenden im Video-Gespräch.

Ein Freitag Ende Januar 2021. Noch vor einem Jahr wäre dies für die „Fridays for Future“-Bewegung der namensgebende Stichtag für öffentliche Protestkundgebungen gewesen. Nach dem Vorbild der jungen Schwedin Greta Thunberg versammelten sich ab 2018 in vielen Ländern weltweit immer freitags vorwiegend junge Menschen, um sich für eine andere Klimapolitik einzusetzen, für mehr Generationengerechtigkeit, für eine bessere Zukunft. Doch dann kam die Gegenwart dazwischen. Und so trifft man sich im Jahr 2021 nicht auf der Straße, sondern im Netz.

Hat die Corona-Pandemie die noch junge Bewegung ausgebremst – oder sie im Gegenteil ihren Zielen schneller entgegengebracht? Das ist Thema eines Gesprächs mit einigen Mitgliedern der „Students for Future“-Gruppe Hildesheim (SFF) und Professorin Meike Baader, die bereits im zweiten Semester gemeinsam mit dieser Gruppe Lehrveranstaltungen zu den Themenfeldern Klima, Gender, Generationengerechtigkeit und Bildung organisiert.

Gegründet hat sich die Hildesheimer SFF-Gruppe im November 2019 aus der Veranstaltung Public Climate School heraus, berichtet die Psychologie-Studentin Celine Vallender, die schon von Beginn an dabei ist. Etwa 20 bis 30 Personen gehören inzwischen zum festen Kern, die meisten von ihnen Studierende der Universität, einige auch von der Hildesheimer Hochschule für Angewandte Wissenschaft und Kunst (HAWK). „Wir hätten uns gewünscht, noch mit weiteren Personen von außerhalb in Kontakt zu kommen“, sagt Lucienne Pilliger aus dem Master Kulturvermittlung, doch das sei durch die Pandemiebeschränkungen nicht ganz einfach. Zumindest nicht im persönlichen Austausch. Mit der öffentlichen Ringvorlesung im Sommersemester 2020 und der aktuell laufenden, teil-öffentlichen Seminar-Veranstaltung „Klimakrise: Generationen, Geschlecht und Bildung“ erreicht die Gruppe nach eigener Einschätzung durch das Online-Format ein größeres Publikum, als es bei Präsenzveranstaltungen zu erwarten gewesen wäre. Zurückgeworfen auf sich selbst und die Kommunikation innerhalb einer „Klima-Bubble“ fühlen sie sich nicht.

Im Mittelpunkt der Seminarreihe steht die Frage, was gesellschaftliche Krisen ausmacht, fasst Professorin Baader zusammen. „Ob wir die Klimakrise betrachten oder die Corona-Krise, es geht immer um das Ende von Illusionen.“ Und noch etwas falle auf: Von weltumspannenden Krisen seien zwar letztlich alle Menschen betroffen, aber nicht alle gleichermaßen. Hier setzt die Idee des Seminars an, die großen Themenkomplexe Gender- und Generationengerechtigkeit sowie Bildung vor dem Hintergrund der Klimafolgen zu betrachten.

Auch die Corona-Krise sei so etwas wie eine Naturkatastrophe, findet Florencia Lasch, die im Master Inszenierung der Künste und Medien studiert. Nur beispielsweise den hohen CO2-Ausstoß zu bekämpfen, sei reine Arbeit am Symptom. Es gehe auch darum, die sozialen, politischen und ökonomischen Dynamiken zu verändern, die ursächlich für die klimatischen Veränderungen seien.  „Sonst kann man auf die nächste Krise warten, denn alles ist miteinander vernetzt auf der Erde.“

Die „Students for Future Hildesheim“ (SFF) sehen sich als Bestandteil der „Fridays for Future“-Bewegung, doch schon aus organisatorischen Gründen sei eine Aufsplittung in mehrere Untergruppen sinnvoll, findet die Kulturwissenschaftlerin Alice Hiepko. „Zudem haben wir als Studierende einen anderen inhaltlichen Fokus als beispielsweise Schüler*innen oder die ‚Parents for Future‘“. So werden in der Seminarveranstaltung auch immer wieder Forschungserkenntnisse aus verschiedenen Fachrichtungen einbezogen und besprochen.

„Listen to the science“, die vermehrte öffentliche Aufmerksamkeit für Wissenschaft und Forschung, sei ein Effekt, der in der Corona-Krise einen deutlichen Auftrieb bekommen habe, konstatiert Professorin Baader. „Das verstärkt die Verantwortung der Wissenschaft, ihre Arbeit transparent zu machen und zum Beispiel auch zu erklären, warum sich Forschungsergebnisse manchmal widersprechen.“

Von einem größeren medialen Fokus auf Forschungsthemen könnte auch die Klimabewegung profitieren, hofft Studentin Lucienne Pilliger. „Wenn ich an dieser Schraube drehe, dann passiert das – solche Erklärungen sind wichtig. Andererseits hilft Information allein auch nicht weiter, denn Informationen zum Klimawandel gibt es ja schon sehr lange.“

Mit der Ausbreitung des Corona-Virus und den damit einhergehenden Kontakt- und Reisebeschränkungen, kam in Sachen Klimaschutz zuletzt einiges in Bewegung. Auf die Frage, ob die Pandemiezeit auch langfristig Positives bringen werde, äußern sich die Studierenden vorsichtig optimistisch. „Ich denke schon, dass Corona eine Richtungsänderung bewirken kann“, sagt Kurt Weidt, der sich auch in verschiedenen anderen Umwelt-Initiativen engagiert. „Was genau bleiben wird, lässt sich natürlich noch nicht vorhersehen, aber klar ist schon jetzt, dass vieles, von dem es vorher hieß, es sei nicht umsetzbar, auf einmal doch umsetzbar ist.“ Der Dualismus von „geht“ oder „geht nicht“ sei damit quasi obsolet geworden, nun gelte es, die Varianten dazwischen auszuloten. Weidt spricht von einem Fischschwarm, in dem man vielleicht nicht die Flossenbewegung jedes einzelnen Fischs beeinflussen könne, wohl aber die Richtung des Schwarms insgesamt.

Mit Blick auf die staatliche Unterstützung für Autoindustrie und Reisekonzerne glaubt Alice Hiepko dagegen eher nicht an den großen Sinneswandel in der Politik. Sie fürchtet eher, dass es nach dem Ende der pandemiebedingten Beschränkungen sogar zu Nachholeffekten beispielsweise bei Konsum oder Flugreisen kommen könnte. „Andererseits darf man die Verantwortung auch nicht dem Einzelnen aufbürden, denn es stehen politische und systemische Mechanismen dahinter.“

Professorin Meike Baader ist zum Ende des Semesters mit dem Verlauf der Seminarreihe sehr zufrieden. Die verschiedenen Themenfelder hätten sich gut ineinandergefügt und zu spannenden Diskussionen geführt. „Ich war beeindruckt davon, wie gut die Studierenden organisiert und vernetzt sind und auch, wieviel ganz konkretes Wissen sie in die Veranstaltung mitgebracht haben.“ Eine Fortsetzung der Veranstaltungsreihe ist bereits geplant: Im nächsten Sommersemester steht eine Ringvorlesung zum Thema „System Change not Climate Change“ – Aber wie?! Warum die Klimakrise eine intersektionale Herausforderung ist" auf dem Programm.

Denn während die Pandemie irgendwann wieder enden wird, bleiben die Erderwärmung und ihre Folgen wohl noch auf lange Sicht ein Thema.

 

Text: Sara Reinke

 

Mehr zum Thema

Der öffentliche Online-Vortrag mit dem Schwerpunkt „Rassismus und Kolonialismus“ (Referentin: Imeh Ituen) wird am Dienstag, 16. Februar 2021, ab 18 Uhr (Achtung, Terminänderung: Dies ist der aktuelle Termin!) über das Videokonferenzsystem Zoom sowie über einen YouTube-Livestream übertragen. 

Rund um den Weltfrauentag am 8. März 2021  planen die Students for Future Hildesheim zusammen mit der Gruppe Riot not Quiet eine Aktionswoche sowie am 8. März selbst eine Demonstration – alles natürlich unter Einhaltung der Corona-Regeln. Weitere Informationen folgen.

 

 

 

 


Nach dem Vorbild der schwedischen Schülerin Greta Thunberg gingen seit 2018 in vielen Ländern weltweit vorwiegend junge Menschen für die "Fridays for Future" auf die Straße. In der Corona-Pandemie haben sich inzwischen viele Aktivitäten ins Netz verlagert. Foto: Pixabay

Prof. Meike Baader hat die teil-öffentliche Seminarreihe „Klimakrise: Generationen, Geschlecht und Bildung“ gemeinsam mit der Gruppe Students for Future Hildesheim organisiert. Foto: Daniel Kunzfeld