Rehabilitationspsychologie

Die Rehabilitationspsychologie ist ein umfangreiches Anwendungsgebiet der Klinischen Psychologie. Dennoch erfordert die Behandlung, Beratung und Betreuung der Rehabilitand:innen mehr als klinisch-technische Kenntnisse, um den sozialen und beruflichen Teilhabehindernissen angemessen begegnen zu können. Neben medizinischen Kenntnissen sind vor allem sozialmedizinisches Wissen sowie breite diagnostische und gutachterliche Fertigkeiten unabdingbar. 

Die Rolle der Rehabilitationspsychologie

Seit dem Jahr 2000 haben die Fehltage wegen psychischer Erkrankungen um mehr als 80% zugenommen. Während die Anzahl der Fehltage vor 20 Jahren noch auf dem gleichen Niveau waren wie die durch Krankheiten des Muskel-Skelett-Systems verursachten Arbeitsunfähigkeitstage, beobachten wir lediglich bei den psychischen Erkrankungen eine derartig extreme Zunahme. So zeigen Krankenkassenstatistiken, dass das Vorliegen einer psychischen Erkrankung die Zahl der Ausfalltage vervielfacht. Auch bei den Berentungszahlen wegen Erwerbsminderung haben psychische Erkrankungen inzwischen eine herausgehobene Bedeutung. Die jährlichen Neuzugänge in die Erwerbsminderungsrente haben sich seit der Jahrtausendwende nahezu verdoppelt. Im gleichen Zeitraum hat sich die Quote für Erwerbsminderungsrenten aufgrund einer Muskel-Skelett-Erkrankung halbiert.  Auch wenn eine Erwerbsminderung grundsätzlich befristet ist, kehren nur etwa 6% ins Erwerbsleben zurück.

Ein Regionalträger der Deutschen Rentenversicherung berentet jährlich etwa 3500 neue Renten wegen psychischer Erkrankungen. Das Durchschnittsalter liegt bei 51 Jahren. Abzüglich der Betroffenen, die ins Erwerbsleben zurückkehren, verursacht ein Jahrgang also bis zur Erreichung der Altersgrenze von 67 Jahren Kosten für die Rentenzahlungen von knapp 600 Mio. Euro. Pro Jahr kommen im gesamten Bundesgebiet zwischen 60.000 und 70.000 Menschen zum bereits bestehenden Erwerbsminderungsrentenbestand wegen einer psychischen Erkrankung hinzu.  

Das gegliederte Sozialsystem in Deutschland unterscheidet in der Versorgung erkrankter Menschen zwischen der Krankenbehandlung (SGB V) und der Leistungen zur medizinischen und beruflichen Rehabilitation (SGB VI).

Während sich die Krankenbehandlung im Wesentlichen um die Versorgung und Behandlung von akuten Erkrankungen mit dem Ziel der Heilung und Genesung bemüht, ist das Ziel der Rehabilitation, Krankheitsfolgen auf das soziale und berufliche Leben zu mindern oder zu beseitigen und damit die gleichberechtigte Aktivität und Teilhabe chronisch erkrankter Menschen zu ermöglichen. Der Erfolg medizinischer und beruflicher Rehabilitation wird an der nachhaltigen Wiedereingliederung der erkrankten Menschen ins Erwerbsleben gemessen, um Beiträge aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung und damit das Rentenniveau der Solidargemeinschaft zu sichern.

Behandlungs- und Förderungsangebote der Rehabilitation

Die Behandlungs- und Förderungsangebote der Rehabilitation sind je nach Bedarf und Indikation, den gesundheitlichen Teilhabeeinschränkungen sowie den sozialen und persönlichen Ressourcen individuell und umfassen ein umfangreiches Leistungsangebot, wobei zwischen Prävention, medizinischer und beruflicher Rehabilitation sowie Nachsorge und Leistungen zum Wiedereinstieg ins Erwerbsleben nach einem befristeten Bezug einer Erwerbsminderungsrente unterschieden wird. Die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation werden dabei unter Berücksichtigung der maßgeblichen Haupterkrankung erbracht und in entsprechenden Fachkliniken durchgeführt (Orthopädie, Psychosomatik, Psychiatrie, Onkologie, Abhängigkeitserkrankungen, Kardiologie, Neurologie, Pneumologie u.a.). Die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (Berufliche Rehabilitation) halten ein vielfältiges Angebot bereit, das von Qualifizierungen über unterstützte Beschäftigung bis zur Umschulung reicht.

Leistungen in den Rehakliniken

Die Leistungen in den Rehakliniken und beruflichen Reintegrationseinrichtungen werden von einem multiprofessionellen Team erbracht, das ein individuell auf die Rehabilitand:innen abgestimmtes Rehabilitationsprogramm umsetzt. Die Schnittstelle zwischen Krankenbehandlung und Rehabilitation ist dabei mitunter fließend, zumal die Behandlungszeiten bspw. in Krankenhäusern immer kürzer werden. 

Die psychologische Therapie und Beratung, indikative Gruppenangebote und Schulungen bilden bedeutende Behandlungsbausteine in nahezu allen Indikationen, wobei ihre Bedeutung vor dem Hintergrund immer komplexer werdender Probleme und Belastungen, mit denen sich Rehabilitand:innen aufgrund ihrer Erkrankung konfrontiert sehen, deutlich ansteigt. 

Forschung in der Rehabilitationspsychologie

In der Forschung beschäftigen wir uns mit speziellen Fragen der Effektivität stationärer, ganztags ambulanter und ambulanter Rehabilitation sowie von Fallmanagement und Nachsorge nach der medizinischen Rehabilitation, insbesondere in den Indikationsgebieten Psychosomatik, Abhängigkeitserkrankungen und Psychiatrie.  Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Entwicklung bzw. Validierung neuer Testverfahren in der Begutachtung psychischer Erkrankungen im Rentenantragsverfahren.

In weiteren Forschungsprojekten entwickeln wir neue Methoden zur Rehabilitation von Patient:innengruppen, die eine sozialmedizinisch ungünstige Prognose aufweisen, z.B. Menschen mit einer befristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung wegen einer psychischen Erkrankung oder Langzeitarbeitsunfähige.

Wir kooperieren eng mit verschiedenen Rehabilitationskliniken der DRV Braunschweig – Hannover (Psychosomatik und Onkologie im Rehazentrum Oberharz, Orthopädie in den Rehazentren Bad Pyrmont und Bad Eilsen sowie Pneumologie und Kardiologie in der Klinik Teutoburger Wald) sowie weiteren Kliniken, insbesondere im Bereich Abhängigkeitserkrankungen und Psychiatrie.

Aktuelle Forschungsprojekte
  • Ambulante Nachsorge bei Tumorerkrankungen durch videobasierte werteorientierte Verhaltensaktivierung – eine randomisiert kontrollierte Studie / ViVA
  • Reha-Integrativ. Integrative stationäre Behandlung von Versicherten mit besonderen beruflichen Problemlagen (Bundesprogramm „Innovative Wege zur Teilhabe am Arbeitsleben – RehaPro“ gefördert vom BMAS)
  • INN³plus (Integrationsnetzwerk Niedersachsen – motivieren, qualifizieren, integrieren). Effektivität einer Kombination aus medizinisch- beruflicher Rehabilitation und teilhabe- und motivationsorientierter Psychotherapie (Bundesprogramm „Innovative Wege zur Teilhabe am Arbeitsleben – RehaPro“ gefördert vom BMAS)
  • INREFA 2.0 - Entwicklung einer Selbsthilfe-App für Erwerbsminderungsrentner zur Unterstützung der Rückkehr ins Erwerbsleben (Bundesprogramm „Innovative Wege zur Teilhabe am Arbeitsleben – RehaPro“ gefördert vom BMAS)
Lehrveranstaltungen in der Rehabilitationspsychologie

Die Lehrveranstaltungen in der Rehabilitationspsychologie sollen den Anforderungen der Tätigkeit von Psycholog:innen in der Rehabilitation gerecht werden und sie auf die Vielfältigkeit der Themen und die Anwendungsgebiete der Klinischen Psychologie in der Rehabilitation vorbereiten. Neben indikationsorientierten Interventionen in Gruppen- und Einzeltherapie werden rechtliches und sozialmedizinisches Wissen sowie die für die Sozialversicherung relevanten Kenntnisse der Diagnostik und Begutachtung vermittelt.

Masterarbeit und Praktika mit Forschungsbezug

Im Bereich "Klinische und berufliche Rehabilitation und Begutachtung" können Forschungspraktika zu verschiedenen Themen (stationäre psychosomatische Rehabilitation, Begutachtung psychischer Erkrankungen, psychosomatische Nachsorge, berufliche Rehabilitation) durchgeführt werden. An drei Standorten (Clausthal-Zellerfeld, Bad Pyrmont, Hannover) stehen klinische Daten aus elekronischen Basisdokumentationen zur Bearbeitung zur Verfügung. Die Daten können für Masterarbeiten verwendet werden, Mitarbeit und Erstautorenschaft an Publikationen sind ausdrücklich gewünscht und werden gefördert und unterstützt. Die Kosten für Unterbringung und Verpflegung während des (Forschungs-)Aufenthalts in den Kliniken in Clausthal-Zellerfeld und in Bad Pyrmont werden von der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig - Hannover übernommen.

Näheres zu Masterbeiten finden Sie hier.

Ansprechperson: apl. Prof. Dr. Axel Kobelt-Pönicke

Stipendien

Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Braunschweig-Hannover und die Universität Hildesheim verstärken ihre interdisziplinäre Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Rehabilitationspsychologie und Verhaltensmedizin. Daher fördert die Deutsche Rentenversicherung Braunschweig-Hannover Stipendien für Studierende der Masterstudiengänge. Die Stipendien dienen der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses.

Voraussetzungen

  • an einer deutschen Universität oder universitätsgleichen Hochschule abgeschlossenes Bachelorstudium im Fach Psychologie
  • Einschreibung in einem der beiden Masterstudiengänge Psychologie der Universität Hildesheim
  • Wunsch, das fachliche und methodische Wissen im Bereich der Rehabilitationspsychologie / Verhaltensmedizin mit einer Masterarbeit und Promotion zu vertiefen
  • sehr hohe Eigeninitiative und besondere Motivation zu vertiefender wissenschaftlicher Arbeit
  • gute statistisch-methodische Kenntnisse (SPSS, R)
  • sehr gute Englischkenntnisse

Wir bieten Ihnen

  • Möglichkeit zur Erstellung einer Masterarbeit und Vorbereitung eines anschließenden Promotionsvorhabens 
  • Möglichkeit der Promotion
  • ein innovatives und wissenschaftliches Umfeld mit einem kollegialen Team
  • eine monatliche Förderung von 1350 Euro (zzgl. Kinderpauschale) sowie eine monatliche Forschungspauschale von 150 Euro und einen einmaligen Reisekostenzuschuss in Höhe von 4000 Euro
  • Zugang zu notwendiger Hard- und Software (u.a. EMA-Plattform)
  • regelmäßige Doktorand:innentreffen und interdisziplinärer Austausch über den Fortschritt der eigenen Forschungsarbeit
  • Unterstützung bei der Vereinbarkeit von Promotion und Familie

Für Fragen steht Ihnen Herr Prof. Dr. Kröger gern zur Verfügung (kroegerc(at)uni-hildesheim.de).

Zu Zwecken der Durchführung des Bewerbungsverfahrens werden personenbezogene Daten gespeichert und verarbeitet.

Bitte senden Sie Ihre Bewerbungen per E-Mail an Herrn Prof. Dr. Kröger (kroegerc(at)uni-hildesheim.de) nebst Anlagen (Anschreiben, Motivationsschreiben, Kopie der Hochschulzugangsberechtigung und der Urkunde über den Hochschulabschluss).