Vorstellung der Studie „Vernetzte Daten, vernetzte Behörden? Datenmanagement in der lokalen Integrationsarbeit“

lundi, 28. mars 2022 um 18:09 Uhr

Die aktuelle Fluchtzuwanderung insbesondere aus der Ukraine beschäftigt derzeit viele Akteur*innen auf der lokalen Ebene: Kommunalverwaltungen, freiwillig Engagierte, zivilgesellschaftliche und private Organisationen arbeiten zusammen daran, Menschen aufzunehmen und zu versorgen. Passend dazu hat das Team der Migration Policy Research Group der Universität Hildesheim in Berlin eine neue Studie vorgestellt.

Neben der unmittelbaren Versorgung müssen die Menschen auch registriert werden, um beispielsweise einen Aufenthaltstitel zu erhalten und Sozial- und Integrationsleistungen in Anspruch nehmen zu können. Damit haben die Erfassung und Verarbeitung von Daten unmittelbare Auswirkungen auf das Leben der Menschen, erläutert Prof. Dr. Hannes Schammann: „Die Konsequenzen von ausbleibendem Datenmanagement in den Kommunen sind real – Menschen bekommen Probleme, wenn wir uns keine guten Lösungen überlegen.“

Diesem Thema widmete sich das Projekt „Hand in Hand? Chancen und Risiken des Datenmanagements in der lokalen Integrationsarbeit“, das von der Universität Hildesheim in Zusammenarbeit mit der Robert Bosch Stiftung durchgeführt und von der Beauftragten des Bundes für Migration, Flüchtlinge und Integration gefördert wurde.

In der Abschlussveranstaltung des Projekts am 15. März wurde die Studie „Vernetzte Daten, vernetzte Behörden? Datenmanagement, Datenschutz und Kooperation in der lokalen Integrationsarbeit“ vorgestellt. Sie beleuchtet konkrete Schnittstellen, an denen verschiedene Institutionen mit den gleichen Personen – und deren Daten – zu tun haben, und erörtert Herausforderungen sowie Lösungsmöglichkeiten für die kommunale Praxis.

Die Arbeit an Schnittstellen ist ein wesentliches Charakteristikum der lokalen Integrationsarbeit, da an individuellen Integrationsprozessen eine Vielzahl von Akteur*innen beteiligt ist. So werden sowohl in Jobcentern als auch in Integrationsberatungen Integrationspläne mit Zugewanderten erarbeitet oder die Teilnahme an Sprachkursangeboten unterstützt. Daraus resultieren Abstimmungs- und Kooperationserfordernisse zwischen öffentlichen, privaten und zivilgesellschaftlichen Akteur*innen, aber auch zwischen ordnungsrechtlichen und sozialen Zuständigkeitsbereichen innerhalb der Verwaltung. Diese Bereiche arbeiten bislang nicht immer „Hand in Hand“, so dass es teilweise zu unabgestimmten Prozessen und, im Datenmanagement, zu Fehlern und Informationsverlust kommt. In Kommunen müssen demnach Kooperationsbeziehungen auf- und ausgebaut werden, die auf gemeinsam festgelegten Zielen und Konzepten begründet sind. Sie können auch dazu beitragen, ein aufwändiges Datenmanagement überflüssig zu machen, indem Zuständigkeiten geklärt und Zielkonflikte vermieden werden.

Die Digitalisierung bietet Chancen, Prozesse und Strukturen auf den Prüfstand zu stellen und bei Bedarf zu reformieren – sofern nicht einfach dysfunktionale Abläufe ins Digitale übertragen werden.

Gleichzeitig verdeutlicht die Studie, dass es in den Kommunen eine große Unsicherheit im Umgang mit dem Datenschutz gibt. In dieser Hinsicht braucht es klare Regelungen und Vorlagen, die lokalen Akteur*innen Handlungssicherheit geben, so dass sie sich auf die wesentlichen Aufgaben der Integrationsarbeit konzentrieren können. Dies wird umso wichtiger, wenn die Zuwanderungszahlen und damit die Arbeitsbelastung vor Ort ansteigen.

Doch nicht nur die öffentlichen und zivilgesellschaftlichen Einrichtungen der Integrationsarbeit, sondern auch Zugewanderte selbst benötigen Klarheit im Umgang mit Datenschutz und Datenverarbeitung. Die Regelungen sind jedoch oft auch für die von der Datenverarbeitung betroffenen Personen kaum durchschaubar. Für Zugewanderte kommen oft noch zusätzliche Hürden hinzu, wie zu Beginn geringe Deutschkenntnisse oder fehlendes Wissen über Zuständigkeiten. Daher betonen auch die beiden Kommentator*innen der Studie, Dr. Deniz Nergiz (Bundeszuwanderungs- und Integrationsrat) und Dr. Thilo Weichert (Netzwerk Datenschutzexpertise), die Notwendigkeit, Zugewanderten selbstbestimmte Entscheidungen und Kontrolle über ihre Daten zu ermöglichen. Die Studie arbeitet hierfür zahlreiche Empfehlungen heraus, zum Beispiel die Umsetzung eines Datenschutzcockpits für das Ausländerzentralregister. In diesem Sinne bietet sie Anregungen für die weitere Arbeit am Thema Datenmanagement in der lokalen Integrationsarbeit.

Einige Mitschnitte der Veranstaltung stehen hier online zur Verfügung

Ein Interview mit den Autor*innen der Studie, Boris Kühn und Dr. Danielle Gluns, finden Sie hier

 


Auf dem Podium (von links): Boris Kühn, Autor der Studie; Dr. Thilo Weichert, Netzwerk Datenschutzexpertise; Dr. Deniz Nergiz, Bundeszuwanderungs- und Integrationsrat; Dr. Danielle Gluns, Forschungs- und Transferstelle Migrationspolitik.

Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Staatsministerin Reem Alabali-Radovan. Fotos: Anita Back