Auch in anderen Forschungsprojekten untersucht Schünemann große Datensätze der Online-Kommunikation. Auf diese Weise erforscht er die transnationale Öffnung und nationale Schließung politischer Themenöffentlichkeiten, etwa in Wahlkämpfen oder in weltweiten Debatten.
Am Beispiel des sozialen Netzwerks Twitter hat der Juniorprofessor für Politik und Internet über zweieinhalb Jahre alle Tweets mit dem Hashtag #ClimateChange erhoben. Etwa zehn Millionen Kurznachrichten bilden die Datengrundlage, um die transnationale Vernetzung und Interaktionen zu messen (siehe Bildmaterial). In einem aktuellen Folgeprojekt wendet er die entwickelten Metriken auch auf einen Twitter-Datensatz zur internationalen Themenöffentlichkeit über COVID19 an und testet neue netzwerkanalytische Verfahren.
Wolf Schünemann untersucht zudem die Ausmaße, die Verbreitungswege und die Wirkung von Desinformation, unter anderem in Wahlkämpfen. Desinformation zählt zu den „derzeit brennenden Forschungsfragen – hier tappt die Wissenschaft noch im Dunkeln und die teils alarmistische Diskussion erst recht“. Schünemann konzentriert sich auf die internationale Dimension und untersucht, welche Desinformationen wie von „außen“ in einen Kommunikationsraum gelangen und wodurch Letzterer in digitalen Zeiten eigentlich noch konstituiert ist.
Data Science Lab ist ein Ort für Forschung und für Lehre
Forschungsfokus: Politik und Internet
Das Data Science Lab ist am politikiwssenschaftlichen Forschungsschwerpunkt „Politik und Internet“ angesiedelt und bildet einen Ort, an dem Forschung und Lehre in den digitalen Sozialwissenschaften betrieben werden, auch in dem neuen Studienprogramm „Digitale Sozialwissenschaften“.
Das Labor bietet den Forscher*innen spezielle Hard- und Software, um große Datenbestände der Online-Kommunikation – etwa Webseiten, Online-Plattformen und soziale Netzwerke – automatisiert zu analysieren.
„Daten, je nach Forschungstradition auch in großen Mengen, haben für die sozialwissenschaftliche Forschung schon immer eine bedeutende Rolle gespielt. Durch die Digitalisierung gesellschaftlicher Kommunikationsformen und digitalisierte Forschungsprozesse lassen sich heute viel leichter große Bestände von sozialen Kommunikations- und Interaktionsdaten erheben und analysieren“, sagt Wolf Schünemann. Dabei seien sowohl die eigentlichen Inhalte – also etwa der Post in einem sozialen Medium – als auch die Metadaten von großem Interesse für die Forschung, so der Politikwissenschaftler. Dennoch, so Schünemann weiter: „Es ist nicht alles Gold, was glänzt. So muss die Datenqualität im Auge behalten, müssen automatisiert erhobene Kommunikationsdaten in der Regel aufwändig bereinigt und gut strukturiert abgelegt werden. Die Schlüsse aus den Analysen, teils unter Anwendung maschinellen Lernens, müssen immer kritisch evaluiert werden und sollten erklärbar bleiben.“ Auch mit diesem Ziel werden Studierende der Digitalen Sozialwissenschaften an der Universität Hildesheim ausgebildet.
Zur Person: Prof. Dr. Wolf Schünemann
Die Forschungsschwerpunkte von Prof. Dr. Wolf Schünemann liegen in den Bereichen digitalpolitischer Regulierung, politischer Online-Kommunikation sowie supra- und transnationaler Politik.
Methodisch arbeitet der Hildesheimer Politikwissenschaftler an und mit Verfahren der Diskurs- und Netzwerkanalyse, einschließlich qualitativer, quantitativer und automatisierter Analysetechniken. Seit 2016 ist Schünemann Juniorprofessor für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt Politik und Internet am Institut für Sozialwissenschaften der Universität Hildesheim.
Mehr erfahren: Digitale Sozialwissenschaften studieren
Die Universität Hildesheim bildet seit Herbst 2020 Studierende in einem neuen Bachelorstudium „Digitale Sozialwissenschaften“ aus. Studierende befassen sich zum Beispiel mit Hate Speech, Desinformation, Datenschutz und Cybersicherheit sowie anderen zentralen Fragen der digitalen Gesellschaft.