Abstract Prof. em. Dr. Horst Pietschmann (Hamburg): Die spanische Conquista - Züge in Amerika als Kreuzzüge?

Obwohl die atlantischen Entdeckungen und Eroberungen der beiden iberischen Mächte Kastilien und Portugal zur Rechtfertigung und Abgrenzung ihrer jeweiligen Ansprüche (Vertrag v. Tordesillas, 1494) auf das Papsttum rekurrierten und ihre jeweiligen Exklusivansprüche mit dem Verweis auf die Notwendigkeit einer ungestörten Christianisierung der angetroffenen Ureinwohner zu legitimieren suchten, lassen sich die Iberischen Expansionzüge nach Übersee nicht als Kreuzzüge bezeichnen, gleichgültig wie intensiv sich die jeweiligen Anführer auch um eine Bekehrung der angetroffenen Ureinwohner bemüht haben mögen. In dem "Mundus Novus" ging es weder um die Rückeroberung heiliger Orte der Christenheit noch um den Kampf gegen Ungläubige, sondern um die Christianisierung von Heiden, die noch nie die "frohe Botschaft" des Christentums vernommen hatten. Der sich parallel wieder verstärkt durchsetzenden Lehre des Thomismus und dessen Hauptprotagonisten, dem Dominikanerorden, ging es vielmehr um möglichst gewaltfreie Glaubensverkündung und Christianisierung und die Beschränkung militärischer Mittel in Übersee auf die Herstellung der Bedingungen für eine friedliche und möglichst individuelle Bekehrung. Nach Beendigung des Konzils von Trient ließ schließlich Philipp II. nach ausführlichen Beratungen 1573 in den "Ordenanzas de descubrimiento, nueva población y pacificación de las Indias..." jede Art von militärischer Conquista verbieten und erlaubte Expansion nur noch nach dem Modell antiker Städtegründung durch Kolonistengruppen und im Einvernehmen mit der ansässigen Bevölkerung, entsandte gleichzeitig den Jesuitenorden als neue "Miliz Christi" zur Missionierung nach Amerika und beschränkte die bis dahin  in der Mission führenden Bettelorden auf ihr den Gründungsregeln folgendes klösterliches Leben in den Städten. Es bleibt zu prüfen, ob die sich seit dem 17. Jh. etwa in Mexiko verbreitende Theorie von einer ursprünglichen Missionierung der Indios durch den Apostel Thomas den Versuch darstellt, die Conquista ex-post im Sinne von Kreuzzugsvorstellungen zu legitimieren.