Anti-Americanism in Europe

Anti-Americanism in Europe

Auf dreierlei Weise beschäftigte sich Dr. Gregory Weeks von der Webster University, Wien, in seinem in englischer Sprache gehaltenen Vortrag mit dem Phänomen des Anti Amerikanismus in Europa: Am Beispiel konkreter Äußerungsformen anti-amerikanischer Haltungen führte er den zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörern eine Phänomenologie des Anti-Amerikanismus in seiner ganzen unreflektierten Alltäglichkeit vor Augen. Im Rahmen einer Analyse der vielschichtigen historischen Ursachen und Gründe entwickelte er dann eine Typologie dieser Erscheinungsformen, um sich schließlich an eine Definition und Interpretation der europabezogenen Dimension des Anti-Amerikanismus zu wagen.

Weeks unterscheidet drei Typen des Anti-Amerikanismus, den philosophischen, den kontingenten und den kulturellen Anti-Amerikanismus. Den philosophischen Anti-Amerikanismus verortet er in umfassenden Überlegenheitsüberzeugungen seiner – europäischen – Vertreter. Alles Amerikanische erscheint diesen im Lichte der jüngeren politischen wie kulturellen Geschichte Amerikas weniger entwickelt und damit den europäischen Lebens- und Denkweisen unterlegen. Eine in Zeiten der Amerikabegeisterung als positiv wahrgenommene Unbefangenheit z. B. des Umgangs mit dem Fremden wird hier dem Generalverdacht der Naivität und Dummheit ausgesetzt. Weniger grundsätzlich, aber auch argumentativ weniger greifbar und damit weniger angreifbar ist der kontingente Anti-Amerikanismus. Diese Ausprägung bedient sich medial vermittelter, gesellschaftlich gängiger Vorurteile und Klischees, um jeweils zur Diskussion stehende, als typisch amerikanisch behauptete Denk- und Verhaltensweisen Einzelner, gesellschaftlicher Gruppen oder der (US-) amerikanischen Administration als fragwürdig und damit pauschal negativ zu bewerten. Der Unterschied zum philosophischen Anti-Amerikanismus besteht darin, dass die Exponenten des kontingenten Anti-Amerikanismus ihre im Prinzip gleichermaßen depravierenden      (Vor-)Urteile mit der Behauptung einer grundsätzlich amerika-freundlichen Gesinnung übertünchen, die sie in den Stand setzt, jeden Angriff auf ihre Vorurteile durch den Hinweis auf die Zufälligkeit des jeweiligen Bezugsphänomens abzuwehren.

Zwischen diesen beiden Erscheinungsformen ist der Typus des kulturellen Anti-Amerikanismus angesiedelt. In der Grundsätzlichkeit, mit der den Amerikanern kulturelle Reife abgesprochen wird, ist dieser Typus dem philosophischen Anti-Amerikanismus eng verwandt. Die Beschränkung auf den kulturellen Bereich und die damit einhergehende interpretatorische Willkür rücken den kulturellen in die Nähe des kontingenten Anti-Amerikanismus.

Alle drei Ausformungen amerika-feindlicher Überzeugungen basieren auf einer unreflektierten Übernahme undifferenzierter, zumeinst medial vermittelter, seltener durch persönliche Erfahrungen hervorgerufener Vorurteile, die sich - genährt durch negative Emotionen wie Angst, Neid etc. - in den unbewussten Schichten der Gesinnung als nicht mehr zu hinterfragende Urteile festgesetzt haben.

Deshalb lässt sich Anti-Amerikanismus plakativ als Hass auf alles Amerikanische definieren, wobei das Amerikanische als Variable für das je Abzulehnende steht und sich insofern einer klaren Definition entzieht.

Aus dieser Unschärfe, die sich auf den Anti-Amerikanismus seinerseits überträgt, resultiert u.a. die (zeit-)geschichtliche Funktion des Anti-Amerikanismus im Hinblick auf Europa. Bereits mit Entstehen der ersten nordamerikanischen Kolonien beginnt eine wertende Auseinandersetzung mit dem Transatlantischen.

Und dabei ist es im Prinzip unerheblich, ob die Tendenz dieser Auseinandersetzung eine positive oder eine negative ist, ob also Amerikaphilie oder Anti-Amerikanismus die ideologische Richtung weisen; in jedem Fall bildet das als anders, als fremd Wahrgenommene einen geeigneten Hintergrund für die Bestimmung eigener Identität. Dass der Anti-Amerikanismus, die emotionale Negativfixierung auf das Amerikanische als das vermeintlich minderwertig Andere heutzutage in Europa virulenter ist als zu Zeiten des Kalten Krieges, verwundert nur auf den ersten Blick. Denn mit dem Wegfall wohldefinierter Feindbilder und der Auflösung traditioneller Grenzen durch zunehmend supranationale Organisation politischer und gesellschaftlicher Zusammenhänge ist in Bezug auf die identitätsstiftende Bedeutung dieser Grenzen als Krücke bei der Definition des Eigenen gegenüber dem Fremden ein Vakuum entstanden, das vielleicht sogar notwendigerweise der Auffüllung durch andere (Negativ-)Haltungen bedarf. Und da drängt sich – gefördert durch konkrete politische Ereignisse wie z. B. den Irak-Krieg und die im Zeitalter der Globlalisierung gegebenen Suggestionen omnipräsenter Medien – der Anti-Amerikanismus als „Remedium“ geradezu auf.    

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