Tagung der DVS

mardi, 23. juin 2009 um 00:00 Uhr

Sportwissenschaftler aus sieben Nationen drei Tage zu Gast in Hildesheim / Hauptreferent Prof Gumbrecht aus den USA

(sis) Sport als schönste Nebensache der Welt? Worin liegt die Faszination des Sports? Wie viel Moral verträgt der Sport? Diese Fragen haben Pädagogen aus sieben Nationen bei der Jahrestagung der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) gestellt.

 

Zum Auftakt sprach unter dem Titel "Typen moralfreier Kontingenz" kein Geringerer als Hans-Ulrich Gumbrecht, Professor an der Elite-Universität (USA). 130 Zuhörer ließen sich vom hochkarätigen Hauptvortrag des weltweit anerkannten, hochkarätigen Literaturwissenschaftlers in den historischen Gemäuern der Domäne Marienburg begeistern. Im Publikum saßen auch zahlreiche Wissenschaftler anderer Institute der Stiftung Universität Hildesheim. Ein sicheres Zeichen, dass die beiden Organisatoren, Professor Dr. Peter Frei und Professor Swen Körner einen Glücksgriff mit der Einladung getan hatten.

Der Mann, der fünf Sprachen beherrscht und freimütig bekennt, "eher wenig im aktiven Sport zuhause zu sein", beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der kulturellen Bedeutung des Sports. Dabei fungiert er auch als Querdenker und liefert interessante Sichtweisen aus der Perspektive eines Außenstehenden. Ein Schlagwort ist für ihn die Zufälligkeit des sportlichen Ausgangs. "Was macht den Sport aus? "Bei 600 möglichen Spielzügen einer Football-Mannschaft, weiß niemand welchen der Coach im nächsten Moment anordnet". Die Tatsache, dass unter derartigen zufälligen Bedingungen Unmögliches erreicht werden kann, sieht Gumbrecht als Einzigartigkeit des Sports.

Auch so genannte Konfrontationssportarten wie Boxen, das "ultimate fighting" ohne Regeln oder Tennis zögen das Publikum magisch an. Dort würden sich Akteure gegenübertreten und bewusst körperlichen Gefahren, Niederlagen und Erniedrigungen aussetzen, die im normalen Alltag als unmoralisch gelten.

Als größte Herausforderung im Sport betrachtet Gumbrecht das Doping, wodurch "unmögliche Leistung möglich gemacht werden". Findige Wissenschaftler entwickelten fortlaufend Leistung steigernde Substanzen, Doping-Fahnder seien ihnen mit immer moderneren Nachweisverfahren auf den Fersen. Ungewiss sei nicht nur der Zeitpunkt einer positiven Kontrolle. Diese Struktur schwebe wie ein Damoklesschwert über dem Sport. Gumbrecht bezweifelte, "das Moral etwas dagegen anrichten kann". Zustimmung und Anerkennung erntete der exzellente Redner in minutenlangem Beifall.

Zu Diskussion und Erfahrungsaustausch regten gleichermaßen die weiteren Redner Professor Eckhard Meinberg (Köln), Professor Dr. Matthias Schierz (Oldenburg) und Professorin Dr. Ilka Lüsebrink (Freiburg) an.

Außerdem tauschten die Sportpädagogen an drei Tagen ihre Erfahrungen in 14 verschiedenen Arbeitskreisen aus.

Weitere aktuelle sportpädagogische Schwerpunkte skizzierten Professor Dr. Nils Neuber und Professor Peter Frei als Sprecher der dvs-Sektion Sportpädagogik. "Wir haben derzeit höchste Bindungsraten von Kindern und Jugendlichen in Sportvereinen, trotzdem leiden manche Kinder unter Bewegungsmangel". Gerade bei Kindern aus bildungsfernen Schichten bestehe Handlungsbedarf, betonten sie.

Sie fordern mit Blick auf immer wieder an erster Stelle stehenden Kürzungen von Sportstunden und das häufige Unterrichten von fachfremden Lehrern an Grundschulen "den Stellenwert des Sports im bildungspolitischen Kontext zu erhalten". Die Kultusministerkonferenz (KMK) der Länder wollte noch im Herbst 2008 an Grundschulen die Fächer Musik, Kunst und Sport zu einem Lernbereich ästhetische Erziehung zusammenfassen, eine Abwertung des Sports wäre die Folge gewesen. "Dagegen haben wir uns zusammen mit dem Deutschen Sportlehrerverband und dem Deutschen Olympischen Sportbund erfolgreich gewehrt." Mittlerweile hat auch die KMK die Bedeutung einer eigenständigen Lehramtsausbildung im Fach Sport in einer Folgeerklärung bekräftigt.

Laut dem 2. Deutschen Kinder- und Jugendsport-Bericht im Auftrag der Alfried Krupp von Bohlen und Hallbach-Stiftung ist Bewegungsförderung für eine positive geistig-körperliche Entwicklung von Grundschülern unerlässlich.

Ein dickes Lob für eine "sehr gelungene Ausrichtung der Jahrestagung" stellte Professor Nils Neuber dem ausrichtenden Hildesheimer Sportinstitut aus. Dieses Lob nahmen Frei und Körner auch stellvertretend für ihre Kollegen und die studentische Fachschaft Sport entgegen.


Bild: Prof. Dr. Peter Frei, Prof. Dr. Swen Körner und Prof. Dr. Hans-Ulrich Gumbrecht (v. l.)

Prof. Dr. Peter Frei, Prof. Dr. Swen Körner und Prof. Dr. Hans-Ulrich Gumbrecht (v. l.)