Musik: „Mein Skateboard habe ich gegen eine Gitarre getauscht“

lundi, 13. février 2017 um 14:12 Uhr

Rhythmus, Tempo, Melodie: Musik kann mehr sein als ein schöner Hintergrundklang. Ein Gespräch mit Omid Bahadori über die Kraft der Musik. Der 44-jährige Musiker studiert berufsbegleitend am Center for World Music der Universität Hildesheim.

Werkschau: Öffentliches Konzert am Samstag, 18. Februar 2017

Welche Rolle spielt Musik in deinem Leben?

Omid Bahadori: Die Musik war eigentlich schon immer in meinem Kopf. Mit 12 Jahren habe ich mit meinem älteren Bruder Iran verlassen. Ich landete nach zwei Jahren reisen und Aufenthalte in verschiedenen Ländern in Hannover in einer Wohngemeinschaft von Musikern. Ich habe mein Skateboard gegen eine Gitarre getauscht. Mit Hilfe von Büchern aus der Leihbibliothek eignete ich mir bald die ersten Akkorde an, um den Beatles oder Doors folgen zu können. Seitdem begleitet mich die Musik, ich bin jetzt 44.

Wie hast du das Musizieren erlernt – in der Schule, im Privatunterricht, via Youtube?

Damals gab es Youtube noch nicht. Ich bin Autodidakt und habe viele Lehrer, von denen ich mir immer etwas abschaue. Ich lerne beim Hören und ich lese in Büchern nach. Die Schulband ermöglichte mir, wie vielen aufstrebenden Musikerinnen und Musikern, den ersten Auftritt.

Wie sieht dein musikalischer Alltag aus?

Mein Beruf ist das Musizieren. Ich verbringe aber nicht den ganzen Tag mit Musik. Mit drei Musikern aus der Mongolei habe ich die Band Sedaa (persisch für Stimme) gegründet und bin auch für das Management verantwortlich. Das erfordert sehr viel Organisation. Wir spielen Kompositionen aus traditionellen Gesängen und vermischen Untertongesang, die fast vergessene uralte Tradition des Kehlgesangs und die Pferdekopfgeige mit Rock, Jazz und Klassik.

Welche Rolle spielt Musik in der Gesellschaft?

Musik kann Menschen verbinden und gemeinsame Erlebnisse schaffen. Es ist heute gar nicht so einfach, mal die Technik abzuschalten und das Smartphone wegzulegen. Wenn man sich gemeinsam auf ein Musikstück einlässt und mal die Technik und Kommunikationsmittel weglässt, dann kann man sich gemeinsam auf eine Sache konzentrieren – und gemeinsame schöne Erinnerungen schaffen.
Musik wird aber auch ausgenutzt, um Leute zu manipulieren, Hass zu verbreiten. Und Klänge werden auch eingesetzt, um Menschen im Supermarkt beim Einkaufen zu berieseln. Am schlimmsten finde ich die Ballermann-Mucke in den Fitness Studios – dann doch lieber Stille.

Du kommst aus Hannover, eine Großstadt. Warum hast du dich entschieden, in Hildesheim zu studieren und nicht in einer der pulsierenden Metropolen?

Hildesheim ist manchmal lebendiger als Hannover, vor allem begegne ich hier einer Vielfalt an Klängen. Durch Studiengänge wie musik.welt und die Kulturpädagogik, heute Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis, trifft man auf ein buntes Treiben junger Menschen, die viele tolle Ideen haben. In Hannover verlieren sich manchmal gerade die kleinen Konzerte, die gegen große Player weniger Chancen haben.

Im Studium am Center for World Music erlernst du ein weiteres Instrument, eine „musikalische Fremdsprache“.

Ich möchte eine andere Klangfarbe kennenlernen, die Gitarre ist mein Hauptinstrument. Ich möchte mein Spiel auf der Rahmentrommel um andere Techniken erweitern. Es ist sehr wichtig, dass ich das neue Instrument regelmäßig erklingen lassen. Das ist ein Routine-Ding, viel hängt beim Spielen der Rahmentrommel von der Fingerfertigkeit und der Kraft und Beweglichkeit der Finger ab. Im Studium geht es nicht nur um das Musizieren, wir kommen aus unterschiedlichen Berufen – Schule, Kita, Kultureinrichtungen – und wollen unsere Arbeit verfeinern und Menschen für Musik begeistern.

Die Fragen stellte Isa Lange.

Kurzinfo zur Person:

Omid Bahadori, 44, 1972 in Isfahan in Iran geboren, Berufsmusiker. Seine Instrumente sind Gitarre, Percussion wie zum Beispiel die Rahmentrommel. Er studiert berufsbegleitend seit Herbst 2016 „musik.welt“ am Center for World Music der Universität Hildesheim. Während der Werkschau am Samstag, 18. Februar 2017, kombiniert er im Ensemble mit zwei weiteren Musikern die Rahmentrommel, den Kehlgesang und Bass. Im Solo improvisiert Omid Bahadori auf der Rahmentrommel.

 

Kurz erklärt: Der Studiengang

Voneinander lernen: Studiengang „musik.welt – Kulturelle Diversität in der musikalischen Bildung“

Seit 2011 bildet das Center for World Music der Universität Hildesheim Berufstätige fort, die die musikalische Vielfalt in ihrem Arbeitsumfeld aufgreifen – in Kitas, Schulen, Stadtteilen und Jugendzentren.

Der Studiengang „musik.welt – Kulturelle Diversität in der musikalischen Bildung“ ist bundesweit einzigartig und reagiert auf aktuelle Herausforderungen in der Gesellschaft. Musik kann vermitteln und als internationale Sprache Menschen verbinden. Bisher haben 80 Personen aus 13 Herkunftsländern im Alter von 20 bis 60 Jahren „musik.welt“ studiert. Unter ihnen sind Musikerinnen und Musiker, Lehrer, Sozialpädagogen, Erzieher und Komponisten. Viele Studentinnen und Studenten haben Abschlüsse im Ausland erworben. Sie haben vielfältige musikalische und berufliche Biografien. Sie lernen von- und miteinander in der Gruppe. Gemeinsam entwickeln sie neue Konzepte und Projekte in der Musikvermittlung. Jeder Student erlernt während der zwei Jahre ein weiteres Instrument – eine „musikalische Fremdsprache“ – und erhält Einzelinstrumentalunterricht.

Der Hörsaal im Center for World Music ist ungewöhnlich – ein ehemaliger Kirchenraum mit etwa 3000 Musikinstrumenten: Hier erklingen Oud, Sitar und Charango, Rahmentrommel, Bass und Balalaika, Bogenharfe und Tar. Studierende lernen inmitten einer der größten privaten Sammlungen außereuropäischer Instrumente. Und sie gehen heraus, in die Stadtteile, in Wohnzimmer, in Schulen und entwickeln Musikprojekte vor Ort in ihrem Arbeitsfeld. „Musik ist eine emotionale Kraft – sie kann Verständigung fördern aber auch trennend wirken und wird in Konflikten eingesetzt. Musik läuft nicht nur nebenher, sie ist nicht nur Unterhaltung", sagt Professor Raimund Vogels.

Jetzt bewerben: Studium am Center for World Music

Der berufsbegleitende Studiengang „musik.welt – Kulturelle Diversität in der musikalischen Bildung“ ist Teil des Förderprogramms der Stiftung Niedersachsen und führt in vier Semestern zu einem Master-Abschluss. Es besteht die Möglichkeit, auf Zertifikat zu studieren. Ein Bachelor-Abschluss oder Ähnliches ist dann nicht erforderlich. Der Studiengang wendet sich an alle, die Kompetenzen erlangen möchten, um die integrative Kraft der Musik in der täglichen Arbeit zu nutzen.

Die nächste Runde startet im Wintersemester 2017/18. Interessierte können sich für den nächsten Jahrgang bewerben, die Bewerbungsphase endet am 1. Juli 2017. Der Studienbeginn ist im Herbst 2017. Bei Interesse am Studiengang, können sich Studieninteressierte mit ihren Fragen und Anliegen bei Morena Piro melden (E-Mail: piromo[at]uni-hildesheim.de).

Öffentliche Werkschau

Wer sich vor Ort einen Eindruck verschaffen möchte, kann am Samstag, 18. Februar 2017, in der Universität vorbeikommen. Im Center for World Music (Schillstraße/Ecke Timotheusplatz, 31141 Hildesheim) zeigen Studentinnen und Studenten aus dem aktuellen Jahrgang ihr Können, solo und in Ensembles. Das Konzert besteht aus vielen kleinen Konzerten, zwischendurch ist Zeit für Gespräche. Die Werkschau ist öffentlich und findet zwischen 17:00 bis etwa 20:00 Uhr statt. Der Eintritt ist frei.

Medienkontakt: Pressestelle der Universität Hildesheim (Isa Lange, 05121.883-90100, presse@uni-hildesheim.de)


Ein Team vom Center for World Music der Universität Hildesheim setzt auf die verbindende Kraft der Klänge und bildet seit 2011 Fachleute aus, um die musikalische Vielfalt zu erhalten. Der Studiengang „musik.welt – Kulturelle Diversität in der musikalischen Bildung“ geht in die nächste Runde, die Bewerbungsfrist endet am 1. Juli 2017. Der Musiker Omid Bahadori studiert seit einem Jahr in Hildesheim. Fotos: Isa Lange/Uni Hildesheim

Ein Team vom Center for World Music der Universität Hildesheim setzt auf die verbindende Kraft der Klänge und bildet seit 2011 Fachleute aus, um die musikalische Vielfalt zu erhalten. Der Studiengang „musik.welt – Kulturelle Diversität in der musikalischen Bildung“ geht in die nächste Runde, die Bewerbungsfrist endet am 1. Juli 2017. Der Musiker Omid Bahadori studiert seit einem Jahr in Hildesheim. Fotos: Isa Lange/Uni Hildesheim