Handlungsbericht zum Projekt „race – class – gender: Sensibilisierung und Kompetenzentwicklung für rassismuskritisches Handeln in Organisationen“ am Institut für Sozial- und Organisationspädagogik

Wintersemester 2020/2021: Aktionssemester und digitale Ringvorlesung

Ursprünglich „in Präsenz“ geplant war zunächst die Durchführung von sechs öffentlichen Vorträgen von Expert:innen aus dem Lern- und Forschungsfeld Sensibilisierung für rassismuskritisches Handeln in Organisationen“ in Kombination mit Selbstlernelementen wie Blogs und Lerntagebüchern. Ziel dieser Phase waren der Erwerb der theoretischen Grundlagen im Themenfeld durch eine wissenschaftliche Einführung in das Thema race, class und gender im Kontext der Sozial- und Organisationspädagogik mit einem Schwerpunkt auf intersektionale Perspektiven. Aufgrund der auch im Wintersemester 2020/2021 fortgesetzten digitalen Lehre im Zuge der Corona-Pandemie wurde das Vorhaben als digitale Ringvorlesung adaptiert.

Konzept und Teilnehmer:innenkreis

Die Veranstaltung wurde als halb-öffentliche Veranstaltung beworben durch das ISOP, das Gleichstellungsbüro der Universität Hildesheim, den AStA sowie die BIPoC Hochschulgruppe sowie über außeruniversitäre Verteiler, wie etwa die Hildesheimer Fachhochschule. Die Anmeldung erfolgte durch das Erfragen eines Zugangslinks. Über 130 Anmeldungen zeugen von einem außergewöhnlich starken Interesse an dem Format.

An sechs Terminen wurden etwa 14-tägig über das Wintersemester 2020/2021 hinweg verschiedene Vorträge von externen Referent:innen ans Institut geholt. Die Veranstaltung wurde moderiert durch Lea Heyer (Wissenschaftliche Mitarbeiterin des ISOP) und Nadine Golly (rassismuskritische Bildnerin, Beraterin und Programmleiterin Bildung bei der Schwarzkopf Stiftung Junges Europa). Durch eine enge Verknüpfung der Ringvorlesung mit vier weiteren Seminaren in verschiedenen Modulen der Studiengänge BA und MA Sozial- und Organisationspädagogik an der Universität Hildesheim wurden eine enge Anbindung an das Institut und Transfermöglichkeiten in die Lehre erreicht. Diese Seminare werden im nachfolgenden Abschnitt vorgestellt.

Inhalte und Referent:innen der Ringvorlesung

Im Folgenden wird eine Liste der Referent:innen und ihrer Vortragsthemen präsentiert; jeweils eine Person aus dem Institut für Sozial- und Organisationspädagogik förderten durch ihre ca. 5-minütige Frageimpulse aus der eigenen Forschung, Lehre oder Praxiserfahrung den Transfer und die Anbindung der Vorlesungsinhalte an das Institut.

27.10.2020 – Dr. Wiebke Scharathow (Pädagogische Hochschule Freiburg): „Rassismus in der Sozialen Arbeit. An- und Herausforderungen anpädagogische Praxis und Organisationsgestaltung“

Als Expertin für Diversity-Perspektiven in der Sozialpädagogik forscht Wiebke Scharathow zu diskriminierungskritischer Sozialer Arbeit sowie Rassismus. In ihrem Beitrag thematisierte Scharathow vor allem Ergebnisse von Untersuchungen zu den Rassismuserfahrungen Jugendlicher. Dabei stellte Scharathow dar, wie vielfältig die Jugendlichen in ihrem Alltag Rassismus erfahren und vor welchen Herausforderungen sie im Umgang mit diesen Erfahrungen stehen. Eine zentrale Botschaft des Vortrages war es, zu vermitteln, wie eine rassismuskritische Pädagogik und Soziale Arbeit aussehen könnte und welche Maßnahmen in den Institutionen der Sozialen Arbeit diese Rassismus(erfahrungen) verhindern könnten.

Impulsgebende Fragen von Seiten der Fachschaft des Instituts für Sozial- und Organisationspädagogik: Thematisiert wurden insbesondere Unsicherheiten im Sprechen über Rassismus sowie Fragen nach legitimen und illegitimen Begrifflichkeiten. Zudem wurde der Wunsch nach Austausch über eine mögliche Rolle der Fachschaft bei der Verstetigung einer Auseinandersetzung mit Rassismus am Institut markiert und Anfragen im Zusammenhang mit Berichten über rassistische Diskriminierung von Studierenden aufgezeigt.

Schwerpunkte der Diskussion: Die Diskussion orientierte sich im Wesentlichen an o. g. Themenschwerpunkten der Fachschaft. In diesem Zuge erfolgte u. a. eine Auseinandersetzung mit so genannten „Brave Spaces“ und „Safe Spaces“ als Räume zur Auseinandersetzung mit Rassismus, z. B. um das Risiko einer Skandalisierung von Rassismus für Betroffene zu minimieren und Tabus aufzubrechen. Grundlegend wurde die Wichtigkeit der Thematisierung auch mit subtilen Formen rassistischerAusgrenzungsmechanismen besprochen und dies kann als key learning bezeichnet werden.

10.11.2020 – Dr. Prasad Reddy (Zentrum für soziale Inklusion, Migration und Teilhabe Bonn): „Anti-Bias-Bildung in der Sozialen Arbeit: Theoretische Grundlagen und Einblicke in die Praxis“

Der Erziehungswissenschaftler Prasad Reddy ist Experte für Diversity, Anti-Diskriminierung, Soziale Inklusion und Belonging (Zugehörigkeit). In seinem Vortrag zur Anti-Bias-Bildung in der
Sozialen Arbeit stellte er die drei theoretischen Zugänge zu Anti Bias (Soziale Inklusion, Anerkennung, Befähigung) in der Sozialen Arbeit dar und ging dabei auf die holistische Definition von Diskriminierung ein. Wie die Anti-Bias-Bildung als Training im schulischen sowie im außerschulischen Bereich ein- und umgesetzt werden kann, bildete den Schwerpunkt seines Vortrags. Es wurde deutlich, dass die Anti-Bias-Bildung in einer immer komplexer werdenden Gesellschaft nicht wegzudenken ist.

Impulsgebende Fragen eines Institutsmitglieds: Thematisiert wurden die Konsequenzen einer Anti-Bias-Perspektive für die Soziale Arbeit im Kontakt mit diversen Adressat:innen. Verdeutlicht wurdedie Relevanz dieser Ansätze im Hinblick auf die Möglichkeiten einer Sozialen Arbeit, ihrem genuinen Auftrag der Ermöglichung von Teilhabe und Selbstbestimmung zu entsprechen.

Schwerpunkte der Diskussion: In der Diskussion wurden die Inhalte und Möglichkeiten einer Ausbildung zum:zur Anti-Bias-Trainer:in besprochen. Darüber hinaus wurde über eine mögliche Verankerung der Anti-Bias-Perspektive in die Lehre vor Ort diskutiert. Zuletzt standen typische Wege der Vermeidung einer Auseinandersetzung mit Vielfalt und eigenen Privilegien im Mittelpunkt.

24.11.2020 – Nastaran Tajeri-Foumani (Lehrbeauftragte, Alice Salomon Hochschule Berlin): „Rassismuskritische Soziale Arbeit: Standards und Haltung"

Nastaran Tajeri-Foumani ging als Bildungsreferentin und Expertin für die Themen Diskriminierung, Rassismus, Empowerment und Queerfeminismus, in ihrem Vortrag zu „Standards und Haltung in der Sozialen Arbeit“ detailliert auf den Rassismusbegriff, den Sensibilisierungsansatz und Strukturen und Bezüge rassimuskritischen Denkens ein und zeigte damit, warum diese Begrifflichkeiten für die pädagogische Haltung wichtig sind. Des Weiteren lieferte der Beitrag vertiefte Ansätze zur Sozialen Arbeit als Menschenrechtsprofession und zu einer Dekolonisierung des Denkens.

Impulsgebende Fragen eines Institutsmitglieds: Zunächst kam die Frage nach möglichen Reaktionen auf eine rassistische Adressierung und Vereinnahmung – insbesondere auch im wissenschaftlichen Kontext – auf. Des Weiteren wurde die Frage nach dem Kern einer genuin rassismuskritischen Sozialen Arbeit gestellt.

Schwerpunkte der Diskussion: In der Diskussion wurde der Begriff des „Migrationshintergrundes“ und mögliche Alternativen diskutiert sowie Kritik an dem Begriff der „Sensibilisierung“ geübt. Außerdem wurde über epistemische Gewalt gesprochen und erörtert, wo Wissen „Subalterner“ in Bezug auf Standards und Haltungen in der Sozialen Arbeit fehlt. Dies wurde in Verbindung mit den Konzepten des Empowerments, der Lebensweltorientierung und der Ganzheitlichkeit sozialer Arbeit gebracht.

08.12.2020 – Halil Can (Politikwissenschaftler und rassismuskritischer Bildner): „EmPOWERsharing als machtkritisches Handeln gegen intersektionale Rassismen (auch) in der Sozialen Arbeit“

Als Experte für Empowerment und EmPOWERsharing erläuterte Halil Can zu Beginn seines Vortrages, warum man das Konzept Empowerment- und Powersharing als ein praktisches und politisches Handlungskonzept zur Lösung von individuellen und gesellschaftlichen Konflikten verstehen sollte. Dabei ging er auf die Bedeutung von Macht(ungleichheits)verhältnissen, Kapitalien, Sozialer Differenz und verschiedene Positionalitäten ein und stellte die Auseinandersetzung damit unter Bezugnahme auf das Konzept des EmPOWERsharings dar. In diesem Zusammenhang wurde verdeutlicht, dass Handlung eine Haltung braucht und der Ansatz der Inklusion durch EmPOWERsharing als ethische und politische Handlungsmaxime (auch) in der sozialen Arbeit verankert werden soll.

Impulsgebende Fragen eines Institutsmitglieds: Zunächst wurde auf ein Forschungsprojekt zur Anerkennung islamischer Akteur:innen in der Kinder- und Jugendhilfe verwiesen und die zugrundeliegende Frage gestellt „Was verliert man, wenn man teilt?“ Fragen widmeten sich dem Thema Privilegien und strukturelle Machtverhältnisse in der Sozialen Arbeit. Anschließend wurden Fragen an den Referenten hinsichtlich einer machtkritischen Grundhaltung in der Sozialen Arbeit gestellt und die Frage diskutiert, warum Rassismus von besonderer Relevanz für die Soziale Arbeit sein sollte.

Schwerpunkte der Diskussion: In der Diskussion wurde zunächst über Empowerment als ethische Handlungsmaxime gesprochen sowie über das Verhältnis von individuellem Empowerment/Powersharing und institutionellen Forderungen. Diesbezüglich wurde die Notwendigkeit und der Nutzen geschützter Räume für BIPoC an der Universität betont sowie explizit die Rolle von Sprache zur Schaffung geschützter Räume hervorgehoben (bspw. durch Anbieten von Uni-Seminaren in türkischer Sprache). Die strukturelle, personenunabhängige Verankerung von Powersharing und Rassismuskritik sowie gleichzeitig die Vermeidung von Paternalismus durch Bedarfserhebungen sei grundlegend. Letztlich wurde die Notwendigkeit einer Politisierung von Sozialarbeitenden und Hochschulen hervorgehoben sowie zur politischen Einmischung in Gremien und Studiengängen aufgerufen.

12.01.2021 – Dr. Andrés Nader (Regionale Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie (RAA) e. V. Berlin): „Diversitätsorientierte Organisationsentwicklung in der Sozialen Arbeit. Grundlagen und Prinzipien (Fokus auf Organisationen der Kinder- und Jugendhilfe)“

Der Kulturwissenschaftler, Berater und Gestalttherapeut Andrés Nader ist Experte für den rassismus- und diskriminierungskritischen Handlungsansatz „Diversitätsorientierte Organisationsentwicklung“. In dem Vortrag stellte er zunächst dar, wieso ein Perspektivwechsel in der Organisationsgründung unabdingbar ist und wie die Organisationen mehr Diversität erreichen können. Dabei ging er neben dem Entwicklungsprozess und der Organisationskultur vorwiegend auf die Wichtigkeit des Personalauswahlverfahrens ein. Außerdem betonte er eine respektvolle Kommunikation mit diversen Zielgruppen und eine Projekt- und Dienstleistungsentwicklung unter Beachtung der Gleichbehandlungsprinzipien.

Impulsgebende Fragen eines Institutsmitglieds: Von Seiten des Instituts gab es zunächst Impulse zum Machtbegriff aus der Perspektive der Organisationspädagogik mit dem Schwerpunkt „Mikropolitik“ und „Management von Unsicherheitszonen“ in Organisationen. Des Weiteren wurde auf den relativ engen Machtbegriff der RAA Berlin aufmerksam gemacht.

Schwerpunkte der Diskussion: In der Diskussion wurde der Umgang mit Widerständen, die die besondere Hervorhebung einzelner Gruppen mit sich bringen, thematisiert. Dazu wurde beispielsweise der Vergleich mit Initiativen zur Förderung von Frauen* gezogen. Anschließend erfolgte ein Transfer des Vortragsthemas in die Praxis der Sozialen Arbeit sowie die Thematisierung unterschiedlicher Herausforderungen in den Handlungsfeldern und Institutionen. Ein Schwerpunkt in der Diskussion lag dabei insbesondere bei der diversitätssensiblen Personalgewinnung durch Ausschreibungen und Auswahl von Beweber:innen. Zum Schluss wurde aufgrund der therapeutischen Qualifikation des Referenten auch über eine mögliche rassismuskritische Psychotherapie diskutiert.

02.02.2021 – Dr. Cengiz Barskanmaz (Max-Planck- Institut für Sozialanthropologie Halle): „Rassismus aus antidiskriminierungsrechtlicher Perspektive“

Als Rechtswissenschaftler mit einem transnationalen und interdisziplinären Ansatz untersucht Cengiz Barskanmaz das gelebte Recht (law in action) mit einem Fokus auf Zusammenhänge von Recht und Rassismus. Dies umfasste eine Analyse von nationalen und internationalen Rechtsvorschriften und Entscheidungen mit Blick auf Rassendiskriminierung und ‚hate speech‘, etwa im Grundgesetz, Antidiskriminierungsrecht, EU-Recht und internationalen Übereinkommen. Rechtsbegriffe wie Rassismus, Nationalität und Ethnizität waren weitere Aspekte der kritischen Analyse und Bestandsaufnahme.

Impulsgebende Fragen eines Institutsmitglieds: An einem Fallbeispiel aus der sozialen Praxis wurde die Frage gestellt, wie eine mit dem Fall betraute Sozialpädagogin hätte vorgehen sollen. In einer Jugendhilfe- Wohngruppe von Jugendlichen und jungen Erwachsenen berichteten unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, dass sie auf dem Weg zum Schwimmbad mit dem Fahrrad von der Polizei angehalten wurden, die ihre Taschen kontrollierte, andere Personen dagegen nicht. Die Mitarbeiterin ordnete dies nicht als Fall von ‚racial profiling‘ ein, wogegen auch rechtliches Vorgehen sinnvoll wäre, sondern als individuellen Fall. Darüber hinaus wurden die Frage gestellt, wie sich Recht im Alltag gegen Rassismus, insbesondere durch Sozialpädagog:innen, mobilisieren lässt. Außerdem wurde thematisiert, was bisher durch Recht erreicht wurde und wie berechtigt eine Skepsis gegenüber dem Recht ist.

Verankerung in der Lehre am Institut: Verzahnung mit Bachelor- und Masterseminaren

Die Einbindung der Ringvorlesung in das Lehrangebot des Instituts erfolgte durch eine enge Verzahnung mit vier Bachelor- und Masterseminaren der Studiengänge BA und MA Sozial- und Organisationspädagogik. Die Teilnahme an der Ringvorlesung ‚Sensibilisierung und Kompetenzentwicklung für rassismuskritisches Handeln in Organisationen‘ war vorausgesetzter Teil der Seminare; die Inhalte der Ringvorlesungen wurden im Seminar reflektiert und vertieft.

Seminar „Intersektionale Perspektiven auf Polizei und Gefängnis“ (Dozentin: Theresa Richarz)

Inhalte: Warum ist es so schwierig, rassistische Polizeigewalt als solche zu benennen, Studien darüber zu erstellen und gegen Gewalt durch Polizist:innen vorzugehen? Wer kriminell ist, wird bestraft. Doch was gilt in Deutschland als kriminell und wen treffen bestimmte Kriminalisierungen wie etwa Drogendelikte besonders? Wie ist die spezifische Situation von (trans) Frauen und Müttern in Gefängnissen? In diesem Seminar wurde sich den Institutionen Polizei und Gefängnis aus historischer, rechtlicher und soziologischer Perspektive angenähert, unter Berücksichtigung intersektionaler Effekte. Die Veranstaltung setzte sich aus drei Säulen zusammen: In eigenständiger Lektüre beleuchteten wir zunächst die theoretischen Grundlagen von Polizei und Gefängnis – welche Funktionen erfüllen die Institutionen in unserer Gesellschaft? Ein Reader mit Texten von Michel Foucault bis Angela Davis wurde zur Verfügung gestellt. In Referatsgruppen von zwei bis drei Personen gab es sodann die Möglichkeit, theoretische und praktische Perspektiven auf Polizei und Gefängnis zu vertiefen. Im Themenkomplex Polizei stand dabei insbesondere rassistische Polizeigewalt im Fokus, im Themenkomplex Gefängnis die Situation von inhaftierten Frauen und trans Personen.

Seminar „Antidiskriminierungsrecht“ (Dozentin: Kirsten Scheiwe)

Inhalte: Das Grundgesetz verbietet Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts, der Abstammung, Rasse, Sprache, Herkunft, religiöser Anschauungen und die Benachteiligung aufgrund einer Behinderung (Art. 3 Abs. 3 GG). Bekanntlich kommen derartige Benachteiligungen in der Praxis häufig vor. Durch Antidiskriminierungsrecht und anderen institutionalisierten Verfahren (z. B. Beauftragte und Stellen, Verbandsklagerecht, Berichtspflichten, Zielvereinbarungen) sollen Diskriminierungen sanktioniert und bekämpft werden. Erarbeitet wurden die rechtlichen Definitionen, ihre Probleme, ihre Umsetzung und Sanktionsmöglichkeiten; Chancen und Grenzen wurden kritisch bewertet. Ein Schwerpunkt ist die Frage, wie Rassismus rechtlich definiert wird und welche rechtlichen Handlungsmöglichkeiten gegen Rassismus bestehen. Neben wissenschaftlichen Texten wurden Gerichtsurteile und Fälle bearbeitet, die auch für rassismuskritisches Handeln in der Praxis wichtig sind (z. B. Diskriminierungen bei Bewerbungsgesprächen und dem Zugang zum Beruf oder beim Zugang zu öffentlich angebotenen Dienstleistungen (Diskothek, Wohnungsvermietung), ‚racial profiling‘ durch die Polizei oder andere Institutionen).

Seminar „Politische Bildung als Pflicht oder Kür?“ (Dozentin: Sophie Domann)

Inhalte: Politische Bildung ist eine stetige Aufgabe in Bildung und Erziehung, ein Menschenrecht besteht für Wahlen, und die Diskussion über Kinderrechte in das Grundgesetz war zum Seminarzeitpunkt in vollem Gange. Neben aktuellen Themenfeldern (Rassismus, Anti-Corona-Politik Demonstrationen und den damaligen Vorbereitungen der Bundestagswahl) wurden verschiedene Adressat:innen sozialer Organisationen im Seminar betrachtet. Einige Fragen waren dabei: Welche Bereiche stehen in unterschiedlichen Arbeitsfeldern der politischen Bildung im Vordergrund? Welche Projekte, Konzepte und Ideen gibt es, politische Bildung lebensnah und adressat:innenorientiert anzubieten? Wie kann auch intern in den eigenen Konzepten politische Bildung verankert werden?

Seminar „Sensibilisierung und Kompetenzentwicklung für rassismuskritisches Handeln in Organisationen“ (Dozentin: Sevda Evcil)

Inhalte: Durch das Seminar sollten die Differenzsensibilität und die Fähigkeit zur Diskriminierungskritik als Kompetenzen gefördert werden, die für ein pädagogisches Handeln in der Migrationsgesellschaft unabdingbar sind. Rassistische Zuschreibungen und Verhaltensweisen gegenüber Schwarzen und Indigenen Menschen sowie Personen of Color (BIPoC) sind in sozialpädagogischen Handlungsfeldern allgegenwärtig und zugleich nicht immer für alle Beteiligten wahrnehmbar und benennbar. Ob in der Kita, Schule, Jugendzentrum, Universität, unter Kolleg:innen, in studentischen Arbeitsgruppen etc.: BIPoC-Personen erleben auf zahlreichen Ebenen und in unterschiedlichen Formen Vorurteile in Verbindung mit Abwertung, Ausgrenzung und faktischer Benachteiligung. Um Rassismus erkennen zu können und das eigene Verhalten ändern bzw. Strukturen beeinflussen zu können, müssen Menschen ihre eigene Position reflektieren. Ebenso braucht es Räume um zu lernen, angemessen reagieren und agieren zu können. Das Ziel dieses Seminars war die individuelle Kompetenzentwicklung und die Reflexion sozialpädagogischen Handelns unter Berücksichtigung intersektionaler Perspektiven sowie eine vertiefte Diskussion der Inhalte der Ringvorlesung „Sensibilisierung und Kompetenzentwicklung für rassismuskritisches Handeln in Organisationen“. Das Seminar fand auf Deutsch statt, mit der Möglichkeit, Materialien (kurze Texte, Tweets, Songtexte etc.) einzubringen, die auf anderen Sprachen sind. Ziel dabei war es herauszuarbeiten, wie die gleichen Themen in anderen Sprachen diskutiert werden.

Sommersemester 2021: Antirassistische Projektwoche digital

Im Sommersemester 2021 wurde ein innovatives Konzept für die Fortführung des Themas „Sensibilisierung und Kompetenzentwicklung für rassismuskritisches Handeln in Organisationen“ geplant und in den Lehrplan des SOP Sommersemesters 2021 integriert. Angeboten wurde eine digitale Lern-Exkursion im Themenfeld „rassismusbewusste Soziale Arbeit“. Es sollte eine möglichst praktische Woche mit einem Fokus auf Gruppenarbeiten und gemeinschaftliches Lernen werden. Als Ergebnis und Studienleistung wurde von den Studierenden ein Podcast oder ein Konzept für eine Instagram-Reihe erstellt, die in einem zusätzlichen offenen Treffen mit den Studierenden gemeinsam ausgewertet, diskutiert und reflektiert wurden. Vorbereitend auf diese Aufgabe konnten die Studierenden im Rahmen der Lern-Exkursion an professionellen Workshops von renommierten Medien- und Rassismusmusexpert:innen, wie beispielsweise von der Journalistin Vanessa Vu, teilnehmen. Das Konzept Podcast als Studienleistung war zuvor erfolgreich in verschiedenen Seminaren ausprobiert worden erwies sich für die Themen der Lern-Exkursion als sehr anschlussfähig.

Im Mittelpunkt der Podcasts standen Fragen wie: Welche Strukturen braucht es für die Verankerung einer rassismusbewussten Perspektive in der Sozialen Arbeit? Welche Anforderungen an
Sozialpädagog:innen bringt eine rassismusbewusste Perspektive mit sich? Was bedeutet das für das Studium der Sozial- und Organisationspädagogik oder die Situation an der Hochschule? Welche Möglichkeiten der Bildungsarbeit oder des Empowerments gibt es für Adressat:innen? Welche Erfahrungen und Perspektiven sind für die Studierenden als angehende Sozialpädagog:innen prägend? All das waren Fragen, mit denen sich Studierende im Laufe der Woche auseinandergesetzt haben und denen sie sich (natürlich nicht allen!) in ihren Podcasts widmen konnten.

Eine weitere Besonderheit der Lern-Exkursion war, dass insgesamt 30 Studierende an der Lehrveranstaltung teilnehmen konnten und 15 Plätze davon für Studierende mit Rassismuserfahrungen bzw. BIPoC-Studierende reserviert waren. Daher erfolgte die Zulassung in zwei Schritten. Zunächst wurden BIPoC-Studierende eingeladen, sich per E-Mail an der Veranstaltung anzumelden. Die Gründe für die Voranmeldung mussten bei der Anmeldung nicht näher dargelegt werden. Entsprechend der Anfragen bzw. Anmeldungen der BIPoC Studierende wurden die Plätze im Seminar reduziert und die Restplätze für das automatische Losverfahren geöffnet. Ab dem 09.03.2021 begann die Anmeldung für das reguläre Losverfahren im LSF. Hier konnten sich dann alle Studierenden wie gewohnt im LSF anmelden. Das galt für diejenigen Studierenden, für die die priorisierte Zulassung nicht in Frage kam sowie für jene, die in diesem Zeitraum keinen Platz bekommen konnten.

Das Konzept der Pari-Pari-Besetzung ging zwar im Vorfeld nicht gut auf, da die explizite Adressierung an BIPoC’s per E-Mail schwer war, aber dadurch, dass die Zahl der Anmeldungen an der Exkursionswoche sehr hoch waren und sich unter den Angemeldeten ebenso viele BIPoC-Studierende befanden, fand die Exkursionswoche letztlich mit einer Belegung von 50 % BIPoC-Studierenden und von 50 % weißen Studierenden statt. Hier ist anzumerken, dass alle Seminare seit Beginn der Planung im Sommersemester 2020 eine sehr hohe Anmelderate hatten. Die Zahlen zeigten erneut, wie hoch das Interesse und der Bedarf an Wissen und Reflexionsräumen zum Thema seitens der Studierenden ist.

Da uns bewusst war und wir auch aus vorherigen Seminaren die Erfahrungen gemacht hatten, dass in der Exkursionswoche Studierende aus verschiedenen Semestern und mit unterschiedlichem Vorwissen aufeinandertreffen, wurden die Studierenden im Vorfeld intensiv auf die Veranstaltung vorbereitet. Ziel war, bereits zu Beginn der Veranstaltung zu ermöglichen, dass alle Teilnehmenden ein Grundwissen über „Rassismus“ haben, sodass die Inhalte der Exkursionswoche nicht schwerfallen und man dadurch besser ins Gespräch kommen kann. Dafür wurden im universitären Learnweb, dem Online- Lernportal der Veranstaltung, zunächst „Must Read“-Artikel hochgeladen sowie Podcasts zum Anhören verlinkt. Zu den „Must-Read“ Artikeln gehörten die Texte von Can (2019), Tißberger (2017) sowie Auma (2018), die in einer umfangreichen Literaturliste zu finden sind. Darüber hinaus wurde zur Vertiefung weitere Literatur als Empfehlung hochgeladen und zur Verfügung gestellt. Darunter befanden sich z. B. die Texte von Tißberger (2020), El-Tayeb (2016), vom quix kollektiv für kritische Bildungsarbeit (2017), Mai (2018) und viele weitere, die ebenfalls in der unten stehenden Literaturliste zu finden sind. Darüber hinaus wurde ein Motivationsbogen von Dr. Prasad Reddy, den wir für einen Anti Bias Workshop am Dienstag 25.05.21 gewinnen konnten, zur vorbereitenden Standortbestimmung der Studierenden angeboten.

Podcast-Materialsammlung zur Vorbereitung

 Rice and Shine Podcast mit VANESSA VU

Das ist der Podcast Rice and Shine – ein Projekt der Journalistinnen Minh Thu Tran und Vanessa Vu. Der Podcast war nominiert für den Grimme Online Award 2019. Vietnamesische Menschen gelten in Deutschland als still und unsichtbar – vielleicht hört man ihnen aber auch einfach nur nicht zu? Die Journalistinnen Minh Thu Tran und Vanessa Vu sind Kinder vietnamesischer Einwanderer und brechen mit den nervigsten Klischees, erzählen mal selbst, mal mit Gast aus ihrem Leben und vor allem: vom weltbesten Essen.

 TUPODCAST Der Podcast von Tupoka Ogette

In dem Podcast führen Tupoka Ogette und andere Schwarze Frauen Gespräche übers (Über-)Leben, Lieben, Entdecken, (Er-)Schaffen, (Er-)kämpfen, (Er-)Forschen, Inspirieren und Schreiben. Über Widerstand und Heilung. Über Trauer und Hoffnung. Über Rassismus und Empowerment. Einige Folgen fokussieren auch pädagogische Fragen.

 Podcastserie von NSU Watch und VBRG – Gegen Rassismus, Antisemitismus und rechte Gewalt

„Vor Ort – Podcasts gegen Rassismus, Antisemitismus und rechte Gewalt“ ist eine Podcastserie, die in Zusammenarbeit von NSU Watch und dem Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt entsteht. Hier geht es beispielsweise rassistische Gewalt und Polizeibeamte als Täter:innen, die Erfahrungen von Opfern rassistischer Gewalt oder Einblicke in die Bildungsarbeit und Aufgaben von Beratungsstellen.

 Critical Whiteness in der politischen Jugendbildung – Podcast mit NISSAR GARDIL

In diesem Podcast vom Bundesarbeitskreis Arbeit und Leben hören wir Nissar Gardi zur Relevanz von Critical Whiteness in der Politischen Jugendbildung. Sie ist Erziehungswissenschaftlerin und arbeitet als Projektleiterin und Bildungsreferentin für die Beratungs- und Bildungsarbeit im Projekt „empower“ bei Arbeit und Leben Hamburg. Das Beratungsprojekt empower bietet Beratung für Betroffene von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt.

 De:hate – Ein Podcast der Amadeu Antonio Stiftung

Der de:hate-Podcast der Amadeu Antonio Stiftung klärt in mehreren Folgen über unterschiedliche Aspekte rechter Ideologien auf. Um einen genauen Überblick über die Situation und Handlungsmöglichkeiten zu erlangen, sprechen Reporter:innen mit unterschiedlichen Expert:innen zu den jeweiligen Themen, mit Engagierten und Betroffenen. Empfehlenswert ist beispielsweise der Podcast #7 zu Antisemitismus, Rassismus und andere Formen Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (GMF) in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit.

 Podcast-Reihe des BBB e.V.: Interkulturelle und diversitätsorientierte Öffnung der Kinder- und Jugendhilfe

Die Podcast Reihe „Interkulturelle und Diversitätsorientierte Öffnung der Jugendhilfe“ wurde vom Bildungsteam Berlin-Brandenburg e.V. erstellt. Der Verein hat von 2018 bis 2020 zwei Berliner und zwei Brandenburger Jugendämter im Projekt „Interkulturelle Öffnung der Jugendhilfe – Qualität sichern, Teilhabe ermöglichen“ auf dem Weg zu „Diversitätsorientierung“ und „Interkulturelle Öffnung“ begleitet. In den Podcasts wird über die Erfahrungen, Ideen und Konzepte, die dabei entstanden sind, gesprochen und dadurch verdeutlicht, was sich hinter abstrakten Begriffen verbirgt und wie diese in einer modernen Verwaltung Fuß fassen können. Zu Wort kommen insbesondere auch Mitarbeiter:innen der Jugendhilfe. Für eine strukturelle Perspektive auf behördliche Veränderungsprozesse sind diese Gespräche sehr interessant.

 nah und distanziert – Der Podcast zu kritischer Sozialer Arbeit

Dieser Podcast kommt aus der Richtung kritischer Sozialer Arbeit mehr als aus einer rassismuskritischen Richtung. Reinhören lohnt trotzdem – und besonders die Folge 5 (beispielsweise) thematisiert im Kontext der Suchtberatung den Umgang mit eigenen Betroffenheiten in der professionellen sozialarbeiterischen Praxis. Was ist eigentlich Betroffenheit und was ist im Gegenzug Nicht-Betroffenheit? Die Debatte lässt sich auf viele andere Bereiche übertragen und berührt hier beispielsweise auch die Themen Queerfeindlichkeit, Rassismus, sexualisierte Gewalt oder Antipsychiartrie.

Seminarplan der Exkursionswoche: „Sensibilisierung und Kompetenzentwicklung für rassismuskritisches Handeln in Organisationen“

Uhrzeit Dienstag,
25.05.2021
Mittwoch,
26.05.2021
Donnerstag,
27.05.2021
Freitag,
28.05.2021
09:00 Check-In Check-In Check-In Check-In
  Einführung & Kennenlernen Anıl Altıntaş (Schwarzkopf-Stiftung): Das Kompetenznetzwerk Zusammenleben in der Einwanderungs­gesellschaft Vanessa Vu (ZEIT Online): Workshop „How to Podcast“ Podcast-Werkstatt Teil III
Prasad Reddy: Anti Bias Workshop Teil 1 Instagram Workshop mit Anıl Altıntaş (Projektmanager bei Schwarzkopf-Stiftung Berlin) Podcast-Werkstatt Teil I
Jenny Howald (BRB Berlin): Diversitätsorientierte Öffnung von Jugendämtern Blick zurück und Blick nach vorne: Feedback, Ernte, Learnings
Sebastian Fleary (EOTO): Kompetenzentwicklung Jugendarbeit aus Schwarzer Perspektive Check-Out
12:45–13:45 Mittagspause Mittagspause Mittagspause Ende 13:00
  Prasad Reddy: Anti Bias Workshop Teil 2 Jeff Hollweg (LJA Niedersachsen): Diversitätsorientierte Öffnung der KiJuHi in Niedersachsen Podcast-Werkstatt Teil II  
Nicole Erkan (MINA e.V.): Anerkennung muslimischer Organisationen als Träger der Kinder- und Jugendhilfe Engagement gegen Rassismus am Institut für SOP: Input & Austausch
Reflexion & Transfer: Ausblick nächste Tage Reflexion & Transfer: Rassismusbewusste Soziale Arbeit Reflexion & Transfer: Podcasts and Beyond
17:30 Check-Out Check-Out Check-Out

Der Seminarplan wurde mit dem Programmbereich ‚Bildung und Reisen‘ der Schwarzkopf Stiftung Junges Europa co-konzipiert.