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Finanzielle Bildung: Testkonstruktion und Softwarenentwicklung
Die Hildesheimer Spar- und Anlagewissen-Skala und die Finanz-IQ-App
Die Hildesheimer Spar- und Anlagewissen (HiSpAn) Skala
Um über die finanziellen Kompetenzen beim Sparen und Anlegen der breiten Bevölkerung Auskunft geben zu können, bedarf es repräsentativer Erhebungen, die mittels eines standardisierten Testinstruments durchgeführt werden. Trotz erster Ansätze liegt ein solches Instrument aber weder für den deutsch- noch für den englischsprachigen Raum vor. Es gibt nach wie vor großen Nachholbedarf in Sachen Methodenkonstruktion zur Untersuchung finanzieller Kompetenzen. Weitgehend ausgeblendet wurde in der Forschung bis dato auch der Einfluss von ökonomischer und finanzieller Bildung auf finanzielle Entscheidungen und Verhaltensweisen im Allgemeinen und auf das Spar- und Anlageverhalten im Speziellen.
Um einen Beitrag zur Schließung dieser Forschungslücke zu leisten, wurde an der Universität Hildesheim im Rahmen des Dissertationsvorhabens von Christian Roehe die Hildesheimer Spar- und Anlagewissen-Skala (HiSpAn-Skala) entwickelt. Es handelt sich dabei um ein messtheoretisch rigoros fundiertes Instrument, mit welchem das Spar- und Anlagewissen— und damit der zentrale Aspekt der Financial Literacy—erwachsener Menschen gemessen werden kann. Das konzipierte Testinstrument ist zwar in erster Linie für den deutschsprachigen Raum konzipiert, kann aber mit kleineren Anpassungen auch für den englischsprachigen Raum adaptiert werden. Für die Auswahl der Wissensitems wurde ein sehr breiter Ansatz gewählt, um zunächst einen möglichst großen Pool an inhaltlich und methodisch geeigneten Items anzulegen.
Zur Konstruktion des Testinstruments wurde im ersten Schritt ein Pool von mehr als 300 Wissensitems aus der einschlägigen internationalen Fachliteratur extrahiert. Dieser Itempool wurde anschließend in mehreren Schritten kriteriengeleitet auf 72 Wissensitems reduziert, zur Absicherung der inhaltlichen Konstruktvalidität mit dem OECD Core Competencies Framework on Financial Literacy for Adults abgeglichen und dann empirisch validiert. Die messtheoretische Fundierung der Items erfolgte im Rahmen von zwei empirischen Studien. Die erste (N = 205) zielte auf die Identifizierung geeigneter Wissensitems, den Aufbau eines Item-Pools sowie den Entwurf eines nicht zu umfangreichen Wissenstests ab. Die zweite Studie (N = 395) diente als Validierungsstudie, welche die ausgewählten Wissensitems entweder messtheoretisch bestätigt oder aber eine Überarbeitung des Tests oder die Eliminierung einzelner Items empfiehlt. Das finale Testinstrument in Form der HiSpAn-Skala ist damit das Ergebnis mehrerer rigoroser Selektionsschritte, die mit Hilfe der Klassischen Testtheorie und der probabilistischen Testtheorie durchgeführt wurden. Das Instrument besteht aus 21 Items und ist geeignet, das Konstrukt Spar- und Anlagewissen in einem eindimensionalen Rasch-Modell zu testen.
Die Finanz-IQ-App
Da sich die HiSpAn-Skala für Large Scale Assessments und zur Untersuchung des Finanzwissens der breiten Bevölkerung eignet, wurde nach Veröffentlichung der Forschungsergebnisse die Umsetzung des Testinstruments in Form einer App angegangen. Dieses Projekt an der Universität Hildesheim wurde im Rahmen der Bachelorarbeit von Carl Espeter realisiert. Hervorgegangen aus dem Projekt ist die iOs-App Finanz-IQ. Diese operationalisiert den Test zum Spar- und Anlagewissen der NutzerInnen und liefert ein übersichtliches Ergebnis. Die App soll der Öffentlichkeit als Werkzeug dienen, das eigene Spar- und Anlagewissen kritisch zu hinterfragen, um ggf. vorhandene Einstellungen und Verhaltensweisen zukünftig anzupassen. NutzerInnen haben auch die Option, ihre Testergebnisse der Forschung anonym zur Verfügung gestellt werden. Forschende können die App einsetzen, um systematische Large Scale Assessments durchzuführen. Die Finanz-IQ-App ist übrigens die erste von einem bzw. einer StudentIn erstellte offizielle iOS-App an der Universität Hildesheim.
Softwareengineering nach dem Rational Unified Process
Im Business Modeling erfolgt die Definition der Aufgabe, mit Ziel und Strategie der Anwendung. Dies erfolgte im Dialog mit dem Projektleiter Professor Pitsoulis. Das Ergebnis wurde im Exposé für die Bachelorarbeit festgehalten, welches die Grundlage der Entwicklung bildete. Die fachlichen Requirements wurden auf Basis der o.g. Strategie und Exposé im Detail als Anwendungsfälle definiert. Weitergehende Qualitätsanforderungen ergaben sich durch das Zielsystem Apple iOS und den dort definierten Standards. Mit der Analyse und dem Design erfolgte im ersten Schritt die Festlegung und Spezifikation der Software-Architektur und die Auswahl der zu nutzenden Werkzeuge. Im zweiten Schritt wurden für die Anwendungsfälle das User Interface entworfen. Davon ausgehend infolgedessen die Objektklassen, Softwarekomponenten und Beziehungen. Der technische Entwurf erfolgte in den UML Notation. Die Implementation erfolgte anhand der Anwendungsfälle (Use Cases). Im ersten Schritt wurden alle Use Cases für die iOS Applikation in einfacher Funktionalität realisiert. Im zweiten Schritt wurden die Funktionen verfeinert und das Layout der App optimiert. Im dritten Schritt wurden Bugs behoben.
Im Rahmen der Implementierung erfolgte der Entwicklertest. Dieser war fokussiert auf die Identifikation der technischen Fehler. Die Test Cases entsprachen im Wesentlichen der Use Cases. Der funktionale Test, verstanden als die Überprüfung der Nutzungsfähigkeit, erfolgte als open Beta Test (N = 66). Das Deployment erfolgte zum einen als Bereitstellung der App im AppStore, inkl. Des vorab notwendigem Qualitäts-Check durch Apple und des Deployment des PHP Script und der Konfiguration der Server Datenbank an der Universität Hildesheim.
Datenschutz in der Finanz-IQ-App
Alle Daten werden von der App so erhoben, dass sie anonym sind, das heißt, dass die NutzerInnen in der Befragung nicht nach ihrem Namen gefragt werden. Zur Speicherung werden Server der Universität Hildesheim genutzt. Die Auswertung wird nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten erfolgen. Eine Auswertung auf der Ebene von Einzelpersonen wird nicht durchgeführt. Nur die im Projekt involvierten Personen der Universität Hildesheim und die für die Datenverwaltung zuständigen technische MitarbeiterInnen des Universitätsrechenzentrums haben Zugang zu den Daten. Der Zugang zu den Daten ist passwortgeschützt und auf die beauftragten MitarbeiterInnen und Studierenden (z.B. im Rahmen vom Abschlussarbeiten) beschränkt. Diese erhalten erst nach einer datenschutzrechtlichen Aufklärung Zugang zu den Daten. Die Daten werden auf Servern der Universität Hildesheim zeitlich unbegrenzt gespeichert, um Vergleiche zwischen den Erhebungen im Zeitablauf zu ermöglichen. Eine Zuordnung der einzelnen Datensätze zu Personen ist nicht möglich.
Die Finanz-IQ-App in der Lehre
Im Rahmen der Masterarbeit von Kay Petermann wurden Anwendungsszenarien für die Finanz-IQ-App im Wirtschaftsunterricht der Sekundarstufe I entwickelt. Ziel der Masterarbeit war es, das Potenzial der Finanz-IQ-App für verschiedene Zielesetzungen im Wirtschaftsunterricht herauszuarbeiten.