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Schnelle Evolution unter Klimawandel

Dienstag, 25. August 2020 um 13:50 Uhr

Forschungsteam zeigt, wie sich bestimmte Pflanzen schnell an geringere Niederschläge anpassen

Bestimmte Pflanzenarten können unter Dürrebedingungen sehr schnell evolvieren. Das zeigt eine neue Studie mit Beteiligung von Johannes Metz, Professor für Vegetationsökologie und Naturschutz an der Universität Hildesheim, und geleitet von Katja Tielbörger, Professorin an der Universität Tübingen. Das bedeutet, dass die Pflanzen veränderte Eigenschaften entwickeln und in ihren Genen festschreiben und sich so an die neuen Bedingungen anpassen können. Diese schnellen evolutiven Anpassungen können die Gefährdung von Pflanzenarten durch den Klimawandel reduzieren.

Allerdings waren die Pflanzen im Experiment nicht in der Lage, alle wichtigen Merkmale schnell und dauerhaft an den Wassermangel anzupassen. Die Studie erscheint in der Fachzeitschrift Ecology Letters.

Trockenheit im Langzeitexperiment

Für die Untersuchung nutzte das Forschungsteam ein außergewöhnliches Langzeitexperiment in Israel, das von Tielbörger geleitet wurde. Über zehn Jahre wurden dort auf 40 großen Versuchsflächen mit natürlichen Pflanzengemeinschaften im Freiland die Niederschläge manipuliert, also entweder zusätzlich bewässert oder der Regen mit Hilfe von speziellen Dächern reduziert. „Solche großen Langzeitexperimente sind weltweit etwas Besonderes, denn sie sind schwer zu finanzieren und dauerhaft durchzuführen. Sie sind aber wichtig, um Evolution von Pflanzen unter naturnahen Bedingungen erforschen zu können“, sagt Metz. Er hat viele Jahre in dem Projekt mitgearbeitet und ist Erstautor der neuen Studie. Eine zusätzliche Stärke des Langzeitexperiments war, dass es in verschiedenen Klimaregionen Israels durchgeführt wurde. „So konnten wir die Reaktion der Pflanzen auf die Regenmanipulationen im Experiment mit Anpassungen an ihr natürliches Klima vergleichen“.

Zunehmende Trockenheit aufgrund des vorangetriebenen Klimawandels ist ein wichtiges Thema im Nahen Osten. Während die Region bereits heute durch Wasserknappheit geprägt ist, sagen Klimamodelle für die kommenden Jahrzehnte noch weniger Niederschlag vorher – bei steigenden Temperaturen. Viele Trockengebiete der Erde erwarten ähnliche Szenarien.

Im Fokus der neuen Studie steht das Brillenschötchen (Biscutella didyma), eine für die Region typische, kurzlebige Art, die von mediterranen Gebieten bis hin zu Wüsten vorkommt. „Wir haben hier eine große Zahl von Eigenschaften betrachtet, deren genetische Informationen gut erforscht sind und die großen Einfluss auf die Überlebensfähigkeit der Pflanze haben“, erklärt der Wissenschaftler. Beobachtet wurde, dass ursprünglich an feuchtere Bedingungen gewöhnte Pflanzen unter künstlicher Dürre innerhalb von nur zehn Jahren einen früheren Blühzeitpunkt entwickelten und mehr Ressourcen in die Samenproduktion steckten. „Das sind typische Anpassungen an trockene Bedingungen, wie wir sie z.B. bei Wüstenpflanzen finden“, erklärt er. „Das Experiment liefert uns so einen starken Hinweis darauf, dass die Evolution dieser Eigenschaften tatsächlich eine Anpassung an den reduzierten Regen darstellte.“

Interessanterweise gab es aber auch mehrere überlebenswichtige Eigenschaften, die im Experiment nicht evolvierten, wie zum Beispiel die Effizienz der Wassernutzung oder die Länge der Samenruhe. „Die Botschaft unserer Studie ist daher nur bedingt optimistisch“, erläutert Metz. „Zwar konnten wir belegen, dass eine schnelle Evolution bei wichtigen Pflanzeneigenschaften möglich ist; daneben gibt es aber auch Eigenschaften, bei denen die Anpassungsprozesse womöglich zu langsam ablaufen, um mit dem Klimawandel Schritt zu halten.“

Publikation:

Johannes Metz, Christian Lampei, Laura Bäumler, Herve Bocherens, Hannes Dittberner, Lorenz Henneberg, Juliette de Meaux, and Katja Tielbörger (2020). Rapid adaptive evolution to drought in a subset of plant traits in a large-scale climate change experiment. Ecology Letters, doi: 10.1111/ele.13596


Das Brillenschötchen (Biscutella didyma). Fotos: Martina Petru

Langzeitexperiment im Freiland in einer israelischen Halbwüstenlandschaft: Über zehn Jahre hinweg wurde das Wachstum und Gedeihen von Pflanzengemeinschaften bei experimentell veränderten Niederschlägen untersucht. Zu sehen sind Dächer, die 30 Prozent des Niederschlags abhalten. Fotos: Johannes Metz