Ich will Professorin werden

Samstag, 12. Oktober 2013 um 09:04 Uhr

Hildesheim ist eine märchenhafte Stadt, sagt die Italienerin Sarah Melina. Über 100 ausländische Studierende starten in das Wintersemester, und ermutigen Studienanfänger, ein Auslandsstudium einzuplanen. Studierende aus Hildesheim helfen als „buddy" und als Sprachtandem-Partner beim Ankommen.

„Ich will Professorin der Informationstechnologie werden", sagt Myeongjae Go aus Südkorea und erzählt begeistert von Studieninhalten wie Computer und Software-Entwicklung und Algorithmen. Myeongjae studiert „Information and communication engineering" und hat 75 männliche Kommilitonen – nur 5 sind Frauen. Und nun soll die Universität Hildesheim einen Teil dazu beitragen, den Weg als Professorin zu ebnen. Denn gemeinsam mit der Pai Chai Universität in Daejeon bietet die Hildesheimer Uni in den Informationswissenschaften einen Doppelmaster an. Ein Jahr steht Myeongjae nun in Norddeutschland bevor, gemeinsam mit mehr als 100 ausländischen Studierenden startet sie derzeit in das Wintersemester. Bevor Mitte Oktober die Vorlesungen beginnen, hat das International Office für die Neulinge ein zweiwöchiges Programm gestrickt, mit Bibliotheksführungen, Begrüßungsfrühstück, interkulturellen Trainings der studentischen Initiative go intercultural und Intensivsprachkursen.

Und so sind sie fast schon Hildesheimer, scherzt Sarah Melina aus Italien, schließlich kennt sie die Stadt nun besser als manche Studienanfänger aus Stuttgart, München, Köln oder Berlin, die am 14. Oktober in die Einführungswoche starten. „Die Unterstützung der Uni ist toll, und mein buddy student hilft beim Ankommen, hat mich vom Flughafen abgeholt und die Stadt gezeigt." Hildesheim sei „eine märchenhafte Stadt, die Farben, die Seen, die norddeutsche Sprache", sagt Sarah. „Weil Berlin jeder kennt und ich eine Stadt neu entdecken, meinen Freunden in Bologna davon erzählen möchte, habe ich mich für eine kleinere Stadt entschieden, die ich gar nicht kannte. In sechs Monaten kann ich die Stadt besser erkunden", so die Italienerin, die in einer WG in einem „traumhaften Fachwerkhaus" untergekommen ist. Außerdem könne sie mit dem Semesterticket kostenfrei bis ans Meer fahren, so etwas kennt sie von ihrer Heimatuni nicht. Entscheidend waren das Studienangebot im Bereich Sprachen und Übersetzen sowie die kleinen Seminargruppen und dass sie „in Norddeutschland Hochdeutsch lernen können", ergänzt Xinhui Chen aus Italien, die in China geboren ist und Dolmetscherin werden möchte.

Aus einer Millionenstadt zieht es Li Hanjue und Sijie Huang nach Niedersachsen. Den beiden Germanistikstudentinnen aus Hangzhou fällt auf, wie ruhig es ist. „'Aller Anfang ist schwer', mir gefällt dieses Sprichwort. Denn wenn man erst einmal begonnen hat, die Sprache zu lernen, kann man nicht mehr davon lassen", sagt Li Hanjue. „Ich lese die Brüder Grimm in einfacher Sprache und freue mich in Hildesheim in die deutsche Literatur einzusteigen. Ich möchte Lehrerin werden." Vielleicht eine chinesische Lehrerin in Deutschland, ergänzt Sijie Huang. Von Hannover, der Messestadt, hatten sie schon gehört und in Norddeutschland dann nach einem geeigneten Studienort gesucht.

Dass die deutsche Sprache ihre Tücken hat, bestätigt Kassi Kassi Affo aus Kamerun. Aber er liebe Sprachen, Französisch, Englisch, am Goethe-Institut hat er begonnen, Deutsch zu lernen. Der 26-jährige Kassi Kassi ist Promotionsstudent bei Geschichtsprofessor Michael Gehler an der Universität Hildesheim. „Ich verfolge einen historischen Ansatz und untersuche die deutsche sozio-ökonomische Politik in Afrika. Fallbeispiele sind Kamerun und Togo in den Jahren 1960 bis 2010." Obwohl er seine Promotion in englischer Sprache verfasst, sei es wichtig, Deutsch zu sprechen und auf hohem Niveau zu verstehen, daher nimmt er an Sprachkursen in der Volkshochschule teil. In den nächsten Monaten werde er „Archive und Bücher durchforsten" und sucht nach einem Unterstützer, um das Promotionsstudium in Deutschland in zwei, drei Jahren abschließen zu können. „Ich hoffe, dass ich einen Unterstützer finde, denn ich möchte gerne in Deutschland promovieren."

Für Batu Karakul und Hakan Özdemir ist die deutsche Sprache keine Hürde mehr, die beiden Studenten aus Izmir möchten Dolmetscher oder Deutschlehrer werden. Der 22-jährige Hakan hat acht Jahre in Deutschland gelebt, als er 13 war zog er mit seiner Familie in die Türkei. „Das Studium ist die Chance für mich, wieder eine Zeit lang in Deutschland zu leben. Ich kann mich hier verständigen. Hildesheim ist eine wunderschöne Stadt, die Architektur, es ist sehr grün. Ich wohne in einer WG, die Nachbarn grüßen mich alle. Ab acht Uhr hört man überhaupt keinen Lärm – in Izmir ist das anders", sagt Hakan. In den letzten fünf Tagen hat er die Stadt von Norden bis Süden mit Inlineskatern erkundet. Ihm fällt auf: „Viele denken, dass ich kein Deutsch sprechen kann, weil ich aus der Türkei komme, auch im Flugzeug sprachen alle mit mir Englisch. Dabei kann ich fließend Deutsch."

Hintergrund: Incoming students

An der Uni Hildesheim studieren mit Beginn des Wintersemesters 2013/14 mehr als 100 neue ausländische Programmstudierende. Über Förderprogramme und Kooperationen mit Partnerhochschulen verbringen sie ein oder ein halbes Jahr in Hildesheim. Die Anzahl der ausländischen Programmstudierenden ist in den letzten zehn Jahren kontinuierlich angestiegen. Das Team des International Office, das an der Universität für Auslandsaufenthalte zuständig ist, unterstützt die Studierenden umfassend, zum Beispiel auch bei der Wohnraumvermittlung. Sie kommen etwa aus Belgien, China, Finnland, Frankreich, Italien, Japan, Kamerun, Litauen, Mexiko, Österreich, Polen, Russland, Spanien, Südkorea und der Türkei. Die meisten studieren Internationale Kommunikation und Übersetzen (etwa 60), Internationales Informationsmanagement, Kulturwissenschaften (etwa 20), Lehramt (etwa 10), Erziehungswissenschaft sowie Informationsmanagement und Informationstechnologie. „Die Unterstützung der Universität ist großartig. Unsere Studenten wollen ein halbes Jahr bleiben und entscheiden sich dann doch, auf ein Jahr zu verlängern“, berichtet Yolanda Ballesteros, Vizepräsidentin für Internationales von der Universidad Autónoma del Estado de México in Toluca. Seit 2010 studieren mexikanische Studenten im Bereich Interkulturelle Kommunikation und Übersetzen.

Die Universität Hildesheim bietet drei Double-Degree-Programme in Kooperation mit der Staatlichen Universität Nowgorod (Russland, Erziehungswissenschaften), der Aix Marseille Université (Frankreich, Kulturvermittlung) und der Pai Chai Universität, Daejeon (Südkorea, Informationswissenschaft) an. Die Hochschule wurde 2006 und erneut 2011 mit dem europäischen Qualitätssiegel E-Quality ausgezeichnet. 2011 erhielt das Projekt „Internationale Schreibparterschaften" das Europäische Sprachensiegel. Diese Schreibtandems kommen bei den Studenten aus dem Ausland gut an, es bilden sich über mehrere Monate Teams aus deutschen und ausländischen Studierenden, die sich gegenseitig im Studium und beim Verfassen wissenschaftlicher Arbeiten unterstützen. Lehramtsstudierende begleiten die Schreib- und Sprachprozesse.

„Angekommen in einer märchenhaften Stadt", Hildesheimer Allgemeine Zeitung, 07.10.2013

Interesse geweckt? Das International Office berät Studienanfänger in der Einführungswoche und in Sprechstunden, wie man einen Auslandsaufenthalt plant und finanziert. Es gibt viele Förderprogramme. Am 27. November findet ein Go-Out-Tag mit Infoveranstaltungen über Auslandsaufenthalte am Hauptcampus statt. Außerdem werden noch Sprachtandem-Partner gesucht.


Kassi Kassi Affo, Xinhui Chen und Sarah Melina aus Kamerun und Italien, Hakan Özdemir und Batu Karakul aus Izmir, sowie Meyongjae Go, Sijie Huang und Li Hanjue aus Südkorea und China erkunden den Campus. Fotos: Isa Lange/Uni Hildesheim

Kassi Kassi Affo, Xinhui Chen und Sarah Melina aus Kamerun und Italien, Hakan Özdemir und Batu Karakul aus Izmir, sowie Meyongjae Go, Sijie Huang und Li Hanjue aus Südkorea und China erkunden den Campus. Fotos: Isa Lange/Uni Hildesheim

Kassi Kassi Affo, Xinhui Chen und Sarah Melina aus Kamerun und Italien, Hakan Özdemir und Batu Karakul aus Izmir, sowie Meyongjae Go, Sijie Huang und Li Hanjue aus Südkorea und China erkunden den Campus. Fotos: Isa Lange/Uni Hildesheim