Nadine Rentel

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Nadine Rentel (FH Zwickau)

Sprachliche Strategien zur Realisierung des face work in italienischsprachigen Tweets

Die Kommunikationsform Twitter, die sich seit ihrer Einführung im Jahr 2006 einer stetig wachsenden Beliebtheit erfreut, ist als Social Media der computervermittelten Interaktion zuzurechnen. Nicht nur Privatpersonen, auch Unternehmen oder Akteure des öffentlichen Lebens wie Schriftsteller, TV-Moderatoren oder Politiker nutzen diese Form des Mikrobloggings, um bestimmte kommunikative Ziele zu erreichen.

Die grundlegende Funktion von Twitter als stark interaktiv-dialogisch konzipierter Kommunikationsform besteht darin, in relativ verkürzter sprachlicher Form (der maximale Umfang eines Redebeitrags bzw. eines „Tweets“ umfasst 140 Zeichen und ist damit kürzer als eine SMS) über Aspekte des eigenen Lebens oder Neuigkeiten zu bestimmten thematischen Kategorien zu informieren und in Form von Kommentaren und Diskussionen dazu Stellung zu nehmen und Meinungen zu äußern. Die Funktion der Selbstdarstellung der Kommunikationspartner spielt ebenfalls eine zentrale Rolle, wenn sich die Sender einzelner Tweets als Experten für einen bestimmten Themenbereich profilieren möchten.

Aufgrund zentraler kommunikativer Parameter (dies betrifft insbesondere den hohen Dialogizitätsgrad, die zeitliche Asynchronität sowie die fehlende physische Ko-Präsenz der Kommunikationspartner) unterscheidet sich das zur Verfügung stehende Spektrum sprachlicher Mittel auf Twitter von der face-to-face-Kommunikation. Die unterschiedlichen kommunikativen Rahmenbedingungen manifestieren sich am deutlichsten im Fehlen non- und parasprachlicher Ausdrucksressourcen, anhand derer der propositionale Gehalt von Äußerungen spezifiziert werden kann. Solche Ausdrucksressourcen, die über den verbalen Code hinausgehen, sind unabdingbar für das Aufrechterhalten von sozialen Beziehungen; kann das face work nicht auf diese Art und Weise realisiert werden, drohen sprachliche und soziale Sanktionen. Insofern ist die Frage nach der sprachlichen Realisierung von Höflichkeit auf Twitter von elementarer Bedeutung, da die Benutzer alleine für die Qualität der Inhalte haften, die im Kontext der öffentlichen Kommunikation einem großen Kreis an Rezipienten zugänglich sind. Der Inhalt der einzelnen Redebeiträge wird allen Personen angezeigt, die einem Benutzer folgen („Follower“).

Die Frage ist nun, ob sich die Kommunikationspartner, die auf Twitter kommunizieren, spezifischer sprachlicher Strategien bedienen, die die Reduktion des non- und paraverbalen Ausdrucksinventars kompensieren helfen. Anhand eines Korpus von 50 italienischsprachigen Tweets soll eine Klassifizierung sprachlicher Mittel erarbeitet werden, deren Funktion es ist, Höflichkeit zu kommunizieren. Nach einer kurzen Situierung der Kommunikationsform Twitter und deren Abgrenzung zu anderen Formen der computervermittelten Kommunikation anhand zentraler kommunikativer Parameter und Funktionen werden häufig nachzuweisende Strategien des face work vorgestellt und anhand von Korpusbelegen illustriert.

Dabei zeigt sich u.a., dass vor dem Fortführen weiterer kommunikativer Aktivitäten in der dialogischen Rahmenstruktur das Einverständnis der Kommunikationspartner eingeholt wird, um die Entscheidungsfindung gemeinsam zu gestalten. Dies geschieht besonders häufig durch das Stellen von Fragen des Typs „Che ne pensate?“ oder „Che dite?“ Auch auf Aktivitäten und Bedürfnisse der Community außerhalb der Kommunikationsplattform Twitter wird höflich Rücksicht genommen („Finito di mangiare?“) und damit Respekt vor der Privatsphäre des Gegenübers bekundet. Werden die Inhalte vorhergegangener Tweets bewertet, so fällt der Gebrauch von hedging phenomena auf, die den evaluierenden Charakter abschwächen; im Rahmen deutlich negativ wertender Redebeiträge lassen sich Diskursmarker wie no? oder vero? nachweisen, mit deren Hilfe der Sender die Stellungnahme bzw. das Einverständnis der Empfänger einfordert. Ebenfalls in den Bereich sprachlicher Höflichkeit auf Twitter fallen der Ausdruck expliziten Danks oder entschuldigende Sprachhandlungen. Dies tritt insbesondere auf, wenn auf das Twittern fehlerhafter Links oder technischer Probleme Bezug genommen wird.