Martina Schrader-Kniffki

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Martina Schrader-Kniffki (Universität Bremen, Universität Leipzig)

Sprachwahrnehmung, Subjektemergenz und face-work in Sprachforen des Französischen (Arbeitstitel)

Ausgangspunkt für diesen Beitrag ist ein Corpus von Texten, die als Beiträge zu französischen Sprachforen von anonymen Autoren als Teilnehmer an den Foren verfasst wurden. Sprachforen charakterisieren sich durch den Austausch von Wissen über und Haltungen, Bewertungen, Einschätzungen zu Sprache bzw. einer spezifischen Sprache, wie hier des Französischen. Neben der Zentrierung um Wissen und Wahrnehmung von Sprache sind sie durch weitere spezifische Kommunikationsbedingungen gekennzeichnet, die sie mit thematisch anders ausgerichteten Foren teilen, zu welchen das Medium der Schriftlichkeit im weitesten Sinne, die Anonymisierung der Beiträger und die Asynchronität des Kommunikationsprozesses gehören. Damit scheinen wesentliche Kriterien, die in der Höflichkeitsforschung als relevant für die Analyse und Kategorisierung sprachlicher Manifestationen von Höflichkeit gelten, in diesem Kommunikationsmedium nicht erfüllt, so dass zunächst die Annahme nahe liegen könnte, dass Forenkommunikation weder eine Platform für face-work noch eine geeignete Datenbasis für die Untersuchung sprachlicher Höflichkeit darstellt. Bei der Analyse von Forenbeiträgen französischer Sprachforen erweist sich jedoch das Gegenteil als richtig: Es finden sich Manifestationen dessen, was hier gemäß der aktuellen Höflichkeitsforschung vorläufig als verbaler Ausdruck von face und face-work bezeichnet werden soll. Neben für das Forum konventionell festgelegten Höflichkeitsstandards, wie z.B. der respektvollen Anredeform des Französischen, lassen sich unterschiedliche verbale Strategien feststellen, die in diesem Beitrag zunächst einmal herausgearbeitet und kategorisiert werden sollen. Die weitere Analyse dieser verbalen Ausdrücke von ‚face-work’ ist, in Anbetracht der o.g. spezifischen Kommunikationsbedingungen, um Fragen nach ihrer Motiviertheit und Funktion zentriert. Insbesondere wird es dabei um die Beziehung zwischen Sprachwahrnehmung, Sprecher-face und Subjektemergenz gehen. Dafür wird auf theoretische Ansätze zum sog. ‚phänomenalen Subjekt’ und kognitiven Subjektrepräsentationen, wie sie in neurophysiologisch basierten Kognitionswissenschaften und der „Philosophie des Geistes“ diskutiert werden, rekurriert. Dabei wird es auch darum gehen, inwieweit die Phänomene, die in Forenbeiträgen der Kategorie face-work zugeordnet werden, dazu führen, das Goffman’sche Konzept des face grundsätzlich in Frage zu stellen, neu zu überdenken und/ oder zu modifizieren.

Literatur:

Brown, Penelope/ Levinson, Stephen (1987): Politeness. Some Universals in Language Usage. Cambridge: Cambridge University Press.

Frank, Brigitte (2011): Aufforderung im Französischen. Ein Beitrag zur Geschichte sprachlicher Höflichkeit. Berlin/ New York: de Gruyter.

Goffman, Erving (1967): Interaction Ritual. Essays on Face-to-Face Behavior. New York: Anchor Books.

Held, Gudrun (1995): Verbale Höflichkeit. Studien zur linguistischen Theoriebildung und empirische Untersuchung zum Sprachverhalten französischer und italienischer Jugendlicher in Bitt- und Dankessituationen. Tübingen: Narr.

Metzinger, Thomas (1999): Subjekt und Selbstmodell. Die Perspektivität phänomenalen Bewusstseins vor dem Hintergrund einer naturalistischen Theorie mentaler Repräsentation. Paderborn: mentis.

Schrader-Kniffki, Martina (2012): “Kommunikationsräume zwischen Virtualität und Realität: Das Internetforum Français notre belle langue“, in: Gerstenberg, Annette/ Osthus, Dietmar/ Polzin-Haumann, Claudia (eds.): Sprache und Öffentlichkeit in realen und virtuellen Räumen (im Druck).