Lehramt: 91 Absolventinnen und Absolventen starten in den Schulalltag

Montag, 27. November 2017 um 11:25 Uhr

91 Studentinnen und Studenten haben ihr Lehramtsstudium abgeschlossen und starten in den Schulalltag. „Wir haben gute Rückmeldungen aus den Studienseminaren erhalten”, sagt Dörthe Buchhester vom Centrum für Lehrerbildung und Bildungsforschung. Die Hildesheimer Absolventinnen und Absolventen seien sehr gut auf den Lehrerberuf und Schulalltag vorbereitet.

Am Samstag hat die Universität Hildesheim 91 Masterabsolventinnen und Masterabsolventen in einer Feierstunde ihre Urkunden überreicht. Die Studentinnen und Studenten haben ihr Lehramtsstudium erfolgreich abgeschlossen und starten in den Schulalltag. Es handelt sich dabei um den 2. Durchgang im viersemesterigen Lehramtsmasterstudium. „Wir haben gute Rückmeldungen aus den Studienseminaren zu den Absolventen erhalten, sie seien einfach sehr gut auf den Lehrerberuf und Schulalltag vorbereitet”, sagt Dörthe Buchhester vom Centrum für Lehrerbildung und Bildungsforschung. 

„Wir haben viele Jahre viel zusammen gearbeitet und gelernt”, wendete sich Professorin Barbara Schmidt-Thieme an die Absolventinnen und Absolventen. „Und jetzt gehen Sie einfach!” Dabei wies die Mathematikprofessorin auf verschiedene Möglichkeiten hin, wie man sofort oder auch später mit der Universität Hildesheim zusammenarbeiten kann, so können die Absolventinnen und Absolventen etwa ihre Promotion als wissenschaftliche Angestellte anstreben, als Mentor oder Mentorin in der Lehrerausbildung mitwirken und an der Fort- und Weiterbildung teilnehmen.

Die Universität Hildesheim zeichnete im Rahmen der Feierstunde einige Absolventinnen und Absolventen für besondere Leistungen aus. „Es gibt schon sehr vielversprechende wissenschaftliche Arbeiten”, so Professorin Barbara Schmidt-Thieme.

Bester Abschluss: 

  • Kristina Cohrs, Erstfach Deutsch, Zweitfach Kunst, „Aspekte literarischen und historischen Lernens am Beispiel der Darstellung des Nationalsozialismus in ausgewählter Kinder- und Jugendliteratur”

Die Universität zeichnet weitere Studentinnen und Studenten für besondere Leistungen aus:

  • Marie-Therese Brammer, Englisch und Deutsch, „Interkulturelles Lernen im Deutschunterricht der Grundschule – Ein Leseprojekt zum Thema 'Kinder auf der Flucht' anhand des Buches 'Bestimmt wird alles gut'”
  • Sebastian Lentzer, Mathematik und Evangelische Religion, „Aktuelle Konzeptionen für die Konfirmandenarbeit”
  • Anna Grotjohann, Mathematik und Sachunterricht, „Kindervorstellungen zu Ökonomie – eine Interviewstudie”
  • Dörte Schätzel, Mathematik und Evangelische Religion, „Fremde und Fremdheit in biblischen Texten”
  • Marina Wellmann, Deutsch und Mathematik, „Geometrieunterricht in der Grundschule – Entwicklung sprachsensiblen Materials für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache”
  • Alexandra Ernst, Mathematik und Katholische Religion, „Eine didaktisch-methodische Umsetzung zum Thema 'Gebet' in der Primarstufe auf Grundlage entwicklungspsychologischer Theorien für das Grundschulalter”
  • Larissa Flebbe, Mathematik und Sachunterricht, „Geometrieunterricht in der Grundschule – Entwicklung sprachsensiblen Materials für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache”

Centrum für Lehrerbildung und Bildungsforschung

„Gegen den Strich denken. Selbständig denken. Nachfragen“

Auszug aus der Rede der Sprachwissenschaftlerin Prof. Dr. Kristin Kersten, Institut für englische Sprache und Literatur, Universität Hildesheim:

„Liebe Absolventinnen und Absolventen, Sie haben es geschafft. Ein großer Abschnitt liegt hinter Ihnen – und ein neuer steht bevor. Sie können stolz darauf sein. Was wird es sein, habe ich mich gefragt, worauf Sie zurückblicken? Was hat Sie am meisten geprägt? Was nehmen Sie mit? Wenn es etwas gibt, das die Uni Ihnen hoffentlich mitgegeben hat, das ich Ihnen am meisten wünsche, so ist dies: Gegen den Strich denken. Selbständig denken. Nachfragen. Nicht dem Einfachen, Naheliegenden, dem was die Gelehrten sagen, einfach Glauben zu schenken, sondern zweifeln, die tieferen Zusammenhänge selbst ergründen wollen. Wenn wir Sie dazu haben ermuntern können, und Ihnen vielleicht ein paar Wege aufgezeigt haben – und auch die Grenzen – dann hat die Uni ein wichtiges Ziel erreicht. Dann haben Sie ein wichtiges Ziel erreicht. Eines das über die Grenzen des Studiums hinausweisen und Ihr Leben berühren wird. Nun steht Ihnen allen ein neuer Schritt bevor. […]

Ich frage mich oft, in meiner Rolle als Dozentin fürs Lehramt, was es bedeutet, jemanden in das eigene Wissensgebiet mitzunehmen. Und nichts anderes haben Sie sich als Berufsziel erwählt: Ihre Schülerinnen und Schüler mitzunehmen auf dem Weg hin zu dem Wissen und den Kompetenzen, die das Curriculum vorgibt. (Und hoffentlich noch ein gutes Stück darüber hinaus.) In der Didaktik hat es in den letzten zwei Dekaden dazu einen einschneidenden Paradigmenwechsel gegeben, vom so genannten Instruktivismus hin zum Konstruktivismus – oder mit einem amerikanische Schlagwort, vom "sage on the stage", dem Gelehrten auf der Bühne, hin zum "guide on the side", dem Anleiter zum Selbermachen. Wir alle kennen diesen Unterricht des "sage on the stage", bei dem wir als Lernende das Wissen des Gelehrten vor der Klasse memorisieren, internalisieren, und replizieren müssen – die Wissensvollmacht liegt hinter dem Pult. Wir alle kennen das dabei typische Unterrichtsgespräch aus Fragen und Antworten, die richtig oder falsch sind, und die darüber hinaus nichts Eigenes erfordern. […]

Was macht dieser Zugang des selbstentdeckenden Lernens mit uns? Es lässt uns den Schritt gehen vom Empfänger von Informationen zum selbständigen Problemlöser. Vom passiven Aufnehmen zum Sich-zu-eigen-Machen des Problems und seiner Lösung. Denn, auch das wissen wir aus der Forschung: Niemand, auch nicht die Intelligenteste unter uns, kann das identisch übernehmen, was ein anderer uns vermeintlich "lehren" möchte – die Aufnahme von neuem Wissen ist unabdingbar abhängig von unseren Erfahrungen, Ideen, unseren Wahrnehmungen, unserer Aufmerksamkeit, unseren Talenten und Emotionen – in jedem Augenblick. […]

Haben wir, als Begleiter eines Lern- und Entwicklungsprozesses junger Menschen, eines Prozesses, der das Potenzial des ganzen Menschen einbezieht, auch den Mut, die Aufrichtigkeit und die Wahrhaftigkeit, uns selbst als Ganzes in den Lernprozess einzubringen, nicht nur mit unserem Wissen und Können, sondern auch mit unseren Fragen, Fehlbarkeiten, Verletzlichkeiten und Emotionen? Wer von uns hat nicht schon einmal erlebt, dass es die Begeisterung des Lehrenden für ein Thema war, oder das Zugeben, dass man selbst nicht alles weiß oder versteht, die uns am meisten berührt haben?

Wollen wir vor den anderen als die unfehlbaren Gelehrten dastehen, oder wollen wir ein Beispiel dafür werden, dass Fehler zur Entwicklung dazugehören, dass Einsicht und Wieder-Aufstehen uns oft so viel weiterbringen können als Makellosigkeit? – Haben wir wirklich im Auge, was dem einzelnen Kind auf seinem Weg dient, wenn wir ein Thema planen; investieren wir Zeit in die Frage, mit welchen  Aktivitäten wir inspirieren und autonomes, selbst-entdeckendes Lernen anleiten können; oder soll der Griff zum Lehrbuch nur unser eigenes Überleben sichern? […]

Und fragen wir uns schließlich, ob die Methoden, die wir vielleicht seit Jahren in der Klasse verwenden, wirklich effektiv sind, in der Entwicklungsförderung der uns Anbefohlenen? Verwenden wir sie nur, weil die Seminarleiter und Lehrbücher es uns so vorgeben; weil es für uns so am bequemsten ist? Oder sehen wir uns selbst auf einer ständigen Suche nach unserer eigenen Entwicklung, gemeinsam mit allen anderen, um immer besser herauszufinden, was dem Prozess am meisten dienen kann? […]

Wenn Sie etwas aus Ihrer Zeit an der Uni mitnehmen, das ich Ihnen und allen jungen Menschen, für die Sie in Zukunft Verantwortung übernehmen, wünsche, dann ist es dies: Dass Sie nicht aufhören, sich diese Fragen zu stellen, nicht ruhen, bis Sie Wege gefunden haben, die Potenziale jedes einzelnen Kindes zu entdecken, und zu ergründen, wie es bestmöglich gefördert werden kann. Ein paar Möglichkeiten für diese Er-Forschung hoffen wir Ihnen mitgegeben zu haben. Wenn es Ihnen so geht wie mir, dann wird dies ein lebenslanges Lernen sein. Und wenn Sie uns ab und zu davon berichten mögen, was Sie herausgefunden haben, dann sind Sie jederzeit wieder bei uns willkommen. Alles Gute für Ihren weiteren Weg.“

„Ich freue mich sehr, endlich unterrichten zu dürfen”
Interview mit dem Lehramtsstudenten Manfred Schneider

Manfred Schneider hat gerade sein Lehramtsstudium (Master of Education) in den Fächern Chemie und Biologie abgeschlossen. Er startet im Februar 2018 in den Schulalltag als Referendar in einer Schule in Aurich. Im Interview spricht er über sein Masterstudium an der Universität Hildesheim und die Verbindung von Schulpraxis und Theorie.

Gerade haben Sie Ihre Masterabschlussprüfung absolviert – Gratulation! Eine Erkenntnis, zu der Sie jüngst im Masterstudium kamen?

Vor einer Stunde hatte ich meine Abschlussprüfung. Ich habe mich in meiner Abschlussarbeit damit beschäftigt, inwieweit man das schülereigene Smartphone im Unterricht nutzen kann. Ein Ergebnis: Die häufig als eher technikfeindlich eingeschätzte Lehrerschaft ist in Wirklichkeit gar nicht feindlich gegenüber Neuerungen eingestellt – es fehlen häufig vielmehr die Grundlagen, die technische Ausstattung, Finanzierung und Konzepte. Die Technik an Schulen ist häufig veraltet und defekt, es gibt große Defizite bei der Wartung und Neuanschaffung. In dem Zusammenhang könnte man stärker schauen, inwiefern die Hardware genutzt werden kann, die die Schülerinnen und Schüler sowieso schon mit in die Schule bringen und die häufig auf einem sehr aktuellen Stand ist. Ich habe Studienseminarleiter in Niedersachsen interviewt, in Stade, in Helmstedt, in Oldenburg. Sie unterrichten angehende Lehrerinnen und Lehrer und unterrichten außerdem selbst. Die Arbeit habe ich am Institut für Erziehungswissenschaft geschrieben.

Sie starten jetzt in den Lehrerberuf, nach Jahren des Studiums. Mit welchen Erwartungen gehen Sie in die Schule?

Ich freue mich sehr, endlich unterrichten zu dürfen. Natürlich weiß ich, dass die Zeit stressig werden wird. Aber es überwiegt die Freude. Ich habe gemerkt, dass mir der Beruf sehr gut gefällt.

Eine Erinnerung an die Studienzeit: Welche Rolle spielen die Praxiserfahrungen im Studium? Wie haben Sie die Kombination aus Theorie und Praxis erlebt?

Die Verzahnung von Theorie und Praxis ist in Hildesheim sehr gut, die Zeit ist sehr lehrreich. Die Praxisblöcke gehören zur wichtigsten Zeit des Studiums. Es dürften meiner Meinung nach sogar noch mehr Praxisphasen sein. Im großen GHR300-Praktikum war ich an der Oberschule in Harsum. Das war eine tolle Zeit, ein tolles Kollegium, ich bin mit zwei Lehrerkollegen aus der Biologie und Chemie durch den Schulalltag gezogen. Ich habe erlebt, wie wichtig der Einstieg in den Unterricht ist. Wenn der Unterrichtseinstieg misslingt und die Schülerinnen und Schüler nicht aktiviert und ins Thema hineinzieht, dann wird es schwer, daraus noch eine erfolgreiche Stunde zu machen.

Welche Taktik haben Sie für Ihren Unterrichtsstart entwickelt?

Da habe ich mit meinen naturwissenschaftlichen Fächern Biologie und Chemie ein großes Glück. Ich kann Phänomene aus dem Alltag heranziehen und ein Problem aufgreifen, das die Schülerinnen und Schüler kennen. Ich gehe da sehr lebensweltnah heran: Warum blüht der Löwenzahn in der Regenrinne? Sonst wächst eine Pflanze doch nicht in einer Regenrinne – wie kommt der Samen da hin?

Sie haben sich auf die Fächer Biologie und Chemie spezialisiert – warum diese Kombination?

Ich weiß, das ist eine ungewöhnliche Kombination. Ich finde die Fächer und die Didaktik in der Biologie und Chemie sehr spannend. Der naturwissenschaftliche Gang der Erkenntnisgewinnung gefällt mir gut, wir arbeiten an einem Problem, abstrahieren, machen ein Experiment, erarbeiten ein Ergebnis. Das ist eine schöne und sehr schülerzentrierte Art, zu unterrichten. In der Chemie hat mich Professor Dr. Jürgen Menthe sehr beeindruckt mit seiner Forschung und Lehre, er ist einer der wenigen Inklusionsforscher in der Fachdidaktik, er bietet Lösungsansätze zur Inklusion im Chemieunterricht.

Im Februar 2018 starten Sie in das Referendariat. Werden Sie etwas aus der Studienzeit vermissen?

Ich werde sehr viel vermissen. Ich beginne mein Referendariat in einer Schule in Aurich. Ich werde das Uni-Leben vermissen, ich habe mich in Hildesheim gerne in der Fachschaft engagiert. In der Fachschaft habe ich Studierende unterstützt, wenn sie Probleme im Studium hatten. Die Fachschaft hat die Aufgabe, Studierenden bei Problemen beizustehen, sie müssen diese dann nicht alleine bewältigen; außerdem bildet man zum Beispiel in Berufungskommisionen die studentische Stimme. Und wir vernetzen Studierende, das ist wichtig, weil man im Labor nie alleine arbeitet, sondern mit weiteren Studentinnen und Studenten gemeinsam – es kann nicht schaden, wenn man höhere Semester in der Chemie kennenlernt und sich mit den Studierenden in der Umweltsicherung und Geographie austauscht. Durch die geringe Studierendenzahl in Hildesheim kommt man schnell ins Gespräch, sieht sich auf dem Campus und in Vorlesungen wieder.

Gemeinsam mit 91 Studentinnen und Studenten feiern Sie Ihren Masterabschluss. Sie haben die Feierstunde ins Leben gerufen – warum?

Gemeinsam mit weiteren Studierenden saß ich bei einem Skatabend zusammen. Der Student Raimund Hollemann hat die Idee vorgeschlagen, dass der Masterabschluss gefeiert werden soll. Es ist ein unglaubliches Gefühl, dass das geklappt hat und in einer Feierstunde die Zeugnisse feierlich jedem Einzelnen überreicht werden.

Die Fragen stellte Isa Lange.


Hervorragende Leistungen im Masterstudium: Professorin Barbara Schmidt-Thieme zeichnete Studentinnen während einer Feierstunde im Audimax aus. Universitätspräsident Prof. Wolfgang-Uwe Friedrich sprach die Bedeutung von Zusammenarbeit und die Aufgabe von Schulen an. Fotos: Frederik Schmidt

Hervorragende Leistungen im Masterstudium: Professorin Barbara Schmidt-Thieme zeichnete Studentinnen während einer Feierstunde im Audimax aus. Universitätspräsident Prof. Wolfgang-Uwe Friedrich sprach die Bedeutung von Zusammenarbeit und die Aufgabe von Schulen an. Fotos: Frederik Schmidt