Zum Tagungskonzept:
Im Dialogus de ludo globi stellt Cusanus den spielerischen Charakter menschlichen Denkens bildlich dar und führt ihn praktisch vor. In der tätigen Bildbeziehung des endlichen Geistes des Menschen zum unendlichen Geist des Schöpfers erfährt sich das Erkennen als ein bildlich-schöpferischer Prozess. Der menschliche Geist erkennt, indem er misst und vergleicht, Einteilungen vornimmt, Begriffe findet und Namen gibt. Doch wer das Ganze nicht kennt, kann auch seine Teile nicht präzise erfassen, wer das absolute Maß aller Dinge nicht erkennen und benennen kann, muss immer neue Namen und Begriffe erfinden und zusehen, ob sie sich bewähren. Begriffe und Namen sind mutmaßende Ausgriffe in die bewegte Mannigfaltigkeit der Welt, die zu ordnen sie ersonnen wurden. Das Feld beider ist ständig in Bewegung. Nicht das Finden einer festgefügten Ordnung, sondern das immer erneute Anpassen der Mutmaßungen zum Zweck der Mitteilung und Verständigung auf dem gemeinsamen Weg zur Wahrheit ist die Aufgabe des Menschen.
Als Werke des Menschen bleiben auch seine Begriffe, so hilfreich und treffend sie im Kontext ihres Ursprungs erscheinen mögen, unvollkommen. Ihre Deutungskraft ist dem Wechsel der Zeiten und der Umstände unterworfen. Was einst bedeutungsvoll war und zur Verständigung geeignet erschien, klingt mit der Zeit absurd. (Compl. Theol.) Darin zeigt sich die Not, die uns aufruft, einen neuen Wurf zu wagen, neue Begriffe zu bilden.
Die Endlichkeit des Menschen und die Unvollkommenheit seiner Werke werden somit zur Grundlage seiner Kreativität. Denn die Verbindung von Endlichkeit und Freiheit enthält die Möglichkeit und zugleich die Aufforderung zum Spiel. Cusanus vollzieht selbst, was er als Los des Menschen beschreibt. Sein Werk ist ein Spiel mit verschiedenen Darstellungsweisen, mit verschiedenen Perspektiven der Einen Wahrheit. Das Erfinden und Rechtfertigen neuer Namen Gottes ist dafür nur ein weiteres Beispiel - ein kunstvolles Spiel mit Begriffen, das der Autor mit Leidenschaft betreibt.
Der Titel ludus notionum ist unser Versuch zu beschreiben, was Cusanus tut, wenn er philosophiert. Wir stellen damit auch die Frage, wer spielt und was hier gespielt wird.