„Afrika eröffnet (…) als Forschungsfeld auf einer philosophiehistorischen Metaebene grundlegende methodische Fragen und Probleme, denen sich eine Philosophiegeschichtsschreibung in globaler Perspektive heute stellen muss“, so Anke Graneß in der Einleitung ihrer Publikation. Gerade im Umgang mit Gesellschaften, deren Kommunikation über das gesprochene Wort funktioniert, sowie alternativen Quellen und philosophischen Praktiken, regt Graneß an, Muster zu überdenken. Sie setzt genau an diesem Punkt an, indem sie anhand der Philosophiegeschichte Afrikas Grundlinien einer neuen Philosophiegeschichtsschreibung entwirft. Diese Grundlinien macht sie anhand von Themen wie Religion, Rassismus und Sklaverei in der Philosophie oder der Deutung und Aneignung von intellektuellem Erbe fest.
Das SRF-Format „Sternstunde Philosophie“ lädt seit über 25 Jahren Persönlichkeiten aus Kultur, Wissenschaft und Politik ein, um zu Fragen der Gegenwart zu diskutieren.
Drei Fragen an Anke Graneß:
Seit wann forschen Sie zum Thema?
Angeregt wurde mein Forschungsinteresse am Thema Philosophie in Afrika während meiner Studienzeit in Leipzig durch Gerd-Rüdiger Hoffmann, der damals bereits Philosophie in Afrika unterrichtete. Dieses Thema hat mich dann durch meine Magisterarbeit, die Promotion und bis zur Habilitation heute begleitet, wobei das Interesse an der Philosophiegeschichtsschreibung aus dem Interesse an systematischen Fragen nach und nach erwuchs. Besonders spannend ist für mich dabei auch immer die Frage, welche Relevanz Diskurse in und über Afrika für Europa und die europäische Philosophie haben.
Was hat Sie zu dieser Veröffentlichung bewegt?
Die Auseinandersetzung mit der Philosophie in Afrika und ihrer Geschichte wurde bislang und wird weiterhin weitgehend ignoriert.
Bitte nennen Sie drei zentrale Erkenntnisse aus Ihrer Forschung.
- Afrika kann als Modell für eine Philosophiegeschichtsschreibung der Zukunft dienen, da viele sich hier stellende Herausforderungen, wie der Umgang mit Philosophie in oralen Traditionen, auch für die Forschung im globalen Rahmen von methodischer Relevanz sind.
- Die Beschäftigung mit außereuropäischer Philosophiegeschichtsschreibung erfordert einen kritischen Blick auf die eigene philosophische Tradition und schärft den Blick für hier verankerte Rassismen und Sexismen.
- Eine Philosophiegeschichtsschreibung der Zukunft, die sich global bewähren möchte, muss auch gendersensibel sein und nicht nur regional erweitert werden, sondern auch Philosophinnen einen angemessenen Platz einräumen.
Über die Autorin:
PD Dr. Anke Graneß studierte Philosophie und Afrikawissenschaften an den Universitäten Leipzig und Wien. In Wien promovierte sie am Institut für Philosophie mit einer Arbeit zum Begriff der Gerechtigkeit beim kenianischen Philosophen Henry Odera Oruka und leitete ein vom FWF gefördertes Forschungsprojekt zur Geschichte der Philosophie in Afrika. Seit 2019 ist sie an der Universität Hildesheim tätig. Sie ist Vizepräsidentin der Gesellschaft für interkulturelle Philosophie (GIP). Ihre Forschungsschwerpunkte sind: Geschichte der Philosophie, Interkulturelle Philosophie, Philosophie in Afrika, Feministische Philosophie und Politische Philosophie.