Tagung der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft

Mittwoch, 01. Juli 2009 um 09:06 Uhr

Sportwissenschaftler aus sieben Nationen drei Tage zu Gast in Hildesheim / Hauptreferent Professor Gumbrecht aus den USA

(sis) Sport als schönste Nebensache der Welt? Worin liegt die Faszination des Sports? Und: Wie viel Moral verträgt der Sport? Anspruchsvolle Fragen, die sich Sportwissenschaftler aus sieben Nationen bei der Jahrestagung der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (dvs) stellten. Vorträge und Arbeitskreise boten Einblicke in aktuelle Forschung und Entwicklung.

 

Den Auftakt machte kein Geringerer als Hans-Ulrich Gumbrecht, Professor an der Eliteuniversität Stanford. 130 Zuhörer ließen sich von dem hochkarätigen Hauptvortrag des weltweit anerkannten Literaturwissenschaftlers in den historischen Gemäuern der Domäne Marienburg begeistern.

Darunter reihten sich auch zahlreiche Wissenschaftler anderer Institut der Stiftung Universität Hildesheim ein. Ein sicheres Zeichen dafür, dass die beiden Organisatoren, Professor Dr. Peter Frei und Professor Dr. Swen Körner mit der Einladung Gumbrechts einen Glücksgriff taten. Der Titel des Vortrages lautete übrigens "Typen moralfreier Kontingenz". Der Mann, der fünf Sprachen beherrscht und freimütig bekennt, "eher wenig im aktiven Sport zuhause zu sein", beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den kulturellen Bedeutungen des Sports. Dabei fungiert er durchaus als Querdenker und liefert interessante Sichtweisen aus der Perspektive eines Außenstehenden. Ein Schlagwort ist für ihn die Zufälligkeit des sportlichen Ausgangs. "Bei 600 möglichen Spielzügen einer Football-Mannschaft, weiß niemand welchen der Coach im nächsten Moment anordnet". Die Tatsache, dass unter derartigen zufälligen Bedingungen Unmögliches erreicht werden kann, darin liege die Einzigartigkeit des Sports, betonte der exzellente Redner.

Auch so genannte Konfrontationssportarten wie Boxen, das "ultimate fighting" ohne Regeln oder Tennis zögen das Publikum magisch an. Dort würden sich Akteure gegenübertreten und bewusst körperlichen Gefahren, Niederlagen und Erniedrigungen aussetzen, die im normalen Alltag als eher unmoralisch gelten. Diese Form einer Moralfreiheit des Sports könne als weiteres faszinierendes wie diskussionswürdiges Merkmal des Sports gelten.

Als größte Herausforderung im Sport betrachtet Gumbrecht das Doping, wodurch eben auch unmögliche Leistungen möglich gemacht werden. Findige Wissenschaftler entwickelten fortlaufend Leistung steigernde Substanzen, Doping-Fahnder seien ihnen mit immer moderneren Nachweisverfahren auf den Fersen. Ungewiss sei nicht nur der Zeitpunkt einer positiven Kontrolle. Diese Struktur schwebe wie ein Damoklesschwert über dem Sport. Gumbrecht bezweifelte, "das Moral etwas dagegen anrichten kann". Zustimmung und Anerkennung erntete Gumbrecht in minutenlangem Beifall.

Zu Diskussion und Erfahrungsaustausch regten gleichermaßen die weiteren Redner Professor Eckhard Meinberg (Köln), Professor Dr. Matthias Schierz (Oldenburg) und Professorin Dr. Ilka Lüsebrink (Freiburg) an.

Außerdem tauschten die Sportpädagogen an drei Tagen ihre Erfahrungen in 14 verschiedenen Arbeitskreisen aus.

Weitere aktuelle sportpädagogische Schwerpunkte skizzierten Professor Dr. Nils Neuber und Professor Dr. Peter Frei als Sprecher der dvs-Sektion Sportpädagogik. "Wir haben derzeit höchste Bindungsraten von Kindern und Jugendlichen in Sportvereinen, trotzdem leiden manche Kinder unter Bewegungsmangel" Gerade bei Kindern aus bildungsfernen Schichten bestehe Handlungsbedarf.

Sie fordern mit Blick auf immer wieder an erster Stelle stehenden Kürzungen von Sportstunden und das häufige Unterrichten von fachfremden Lehrern an Grundschulen "den Stellenwert des Sports im bildungspolitischen Kontext zu erhalten". Die Kultusministerkonferenz (KMK) der Länder wollte noch im Herbst 2008 an Grundschulen die Fächer Musik, Kunst und Sport zu einem Lernbereich ästhetische Erziehung zusammenfassen, eine Abwertung des Sports wäre die Folge gewesen. "Dagegen haben wir uns zusammen mit dem Deutschen Sportlehrerverband und dem Deutschen Olympischen Sportbund erfolgreich gewehrt." Mittlerweile hat auch die KMK die weitere Stärkung einer eigenständigen Lehramtsausbildung im Fach Sport in einer Folgeerklärung bekräftigt.

Laut dem 2. Deutschen Kinder- und Jugendsport-Bericht im Auftrag der Alfred Krupp von Bohlen und Hallbach-Stiftung ist Bewegungsförderung für eine positive geistig-körperliche Entwicklung von Grundschülern unerlässlich.

Zum Schluss gab es ein dickes Lob für eine sehr gelungene Ausrichtung der Jahrestagung. Ein Lob, das Professor Frei stellvertretend für das gesamte, ausrichtende Hildesheimer Sportinstitut, also für die Kolleginnen und Kollegen wie auch für die sehr aktive studentische Fachschaft, entgegennahm.