Stichwort Höhentrainingslager - Auf dem Weg zur zweiten Lunge

Donnerstag, 03. Juli 2008 um 00:00 Uhr

Spitzenathleten bereiten sich im Höhentrainingslager auf die Saison vor / Unerwünschte Nebeneffekte möglich

(sis)

Was haben der deutsche Achter im Rudern, Bahnradweltmeister Rene Wolff und Box-Super-Mittelgewichtler Markus Beyer gemeinsam? Die Spitzensportler schätzen vor dem Start in die Saison den Höhenaufenthalt. Dort holen sich die Aktiven die „zweite Lunge“, die Spritzigkeit, wie es salopp heißt.

Was steckt dahinter? Höhentraining bewirkt aufgrund des geminderten Sauerstoffgehaltes unter anderem eine Vermehrung der roten Blutzellen und des roten Blutfarbstoffes. Auslöser ist der Anstieg des blutbildenden Hormons Erythropoetin. Die roten Blutzellen transportieren den Sauerstoff im Blut. Sauerstoff ist Grundlage für die gesamte Energiegewinnung im Körper.

Sobald sich der Organismus auf die Höhe eingestellt hat (Akklimatisation) und das Training dosiert aufnimmt, können „diese Anpassungserscheinungen nach der Rückkehr ins Flachland eine Steigerung der Ausdauerleistung bewirken“, beschreibt es der Sportwissenschaftler Jürgen Weineck in seinem Standardwerk „Optimales Training“ (2004). Er nennt Orte zwischen 1800 und 2800 Metern Höhe sowie die Dauer von zwei bis drei Wochen als günstig. Unterhalb dieser Grenze sei die Reizwirkung zu gering, oberhalb behindere ein zu starker Sauerstoffmangel das Training des Sportlers.

Als leistungsfördernd gilt im Zuge der Zunahme der roten Blutkörperchen die damit verbundenen steigenden Sauerstoffabgabe in der Zelle. Außerdem steigt die Zahl der Mitochondrien, der „Kraftwerke“, in einer Zelle, die Blutversorgung wird verbessert, die Leistung gefördert. Ein weiterer gern gesehener Effekt der Trainingsmaßnahme ist die Möglichkeit, in Ruhe und Abgeschiedenheit in einer neuen, meist landschaftlich reizvollen Umgebung zu trainieren.

Als problematisch und damit leistungsmindernd sehen Sportwissenschaftler dagegen einen erhöhten Kohlehydratstoffwechsel in der Höhe. In der Praxis wird im Schnelligkeitstraining mehr Laktat (Stoffwechselprodukt) gebildet. Der Sportler muss mehr Kohlehydrate und, aufgrund des größeren Schweißverlusts, auch mehr Flüssigkeit (Elektrolyte) zu sich nehmen als in der Ebene, sonst ist er nicht mehr so belastbar, der gewünschte Effekt würde sich nicht einstellen.

Weitere unerwünschte Nebenwirkungen: Sonnenbrandgefahr, Risiko von Infektionen, Zahnschmerzen (aufgrund des verminderten Luftdrucks), vermehrte Atemtätigkeit (Hyperventilation) sowie mögliche Trainingslager-Psychosen.

Jeder Sportler reagiert unterschiedlich auf die komplexe Wirkung des Höhenaufenthalts (z.B. Zeitpunkt der erhöhten Leistungsfähigkeit nach der Rückkehr aus der Höhe). Einige verzichten sogar auf diese Trainingsmethode, da sie sich für sich als nicht effektiv genug erwies. Ein Beispiel ist Marathonläuferin Susanne Hahn. Die Ex-Barienroderin und Olympia-Kandidatin, zieht die Ebene vor.

Die leistungsfördernden Faktoren überwiegen jedoch aus Sicht der meisten Sportmediziner und können die Wettkampfergebnisse im Flachland positiv beeinflussen.

Ulli Wegner, Trainer von Box-Weltmeister Markus Beyer, hat das Phänomen einmal so beschrieben: „Ein Höhentrainingslager macht nur Sinn, wenn man damit Erfahrung hat.“