Gravitationszentren autoritärer Herrschaft

Projekttitel: Gravitationszentren autoritärer Herrschaft: eine vergleichende Perspektive auf Förderung und Diffusion autoritärer Herrschaft (DFG gefördert)

Projektleitung: Prof. Dr. Marianne Kneuer, Prof. Dr. Thomas Demmelhuber (Universität Nürnberg-Erlangen)

Projektmitarbeiter_innen: Natalia Afanasyeva (M.A.), <link fb1/institute/institut-fuer-sozialwissenschaften/mitglieder/wissenschaftliche-angestellte/raphael-peresson/>Raphael Peresson</link> (M.A.), Tobias Zumbrägel (M.A., Universität Nürnberg-Erlangen)

Projektlaufzeit: 10/2015 – 09/2018

Projektwebsite: http://gravitycentresofauthoritarianrule.hosting.uni-hildesheim.de/

Projektbeschreibung:

Die Widerstandsfähigkeit von Autokratien und das in den letzten Jahren aufgekommene Modell illiberal-kapitalistischer Autokratien (China, Russland) führten zu einer stärkeren wissenschaftlichen Beschäftigung mit den Gründen für die Dauerhaftigkeit dieser Regime. Die Literatur fokussiert indes überwiegend die innenpolitische und vernachlässigt dabei die internationale Dimension, obwohl Autokratien sich nicht nur der globalen Verbreitung der Demokratie widersetzen, sondern auch ihre eigenen Aktivitäten zur Verbreitung autoritärer Elemente in ihrem regionalen Umfeld entwickeln. Außenpolitik hat insofern als Instrument der autoritären Herrschaftskonsolidierung an Relevanz gewonnen. Dennoch bedarf dieses Feld genauerer Erforschung, um die Verbreitung bzw. Diffusion von institutionellen Elementen, Politikfeldern, Regeln, Werten und Einstellungen durch Autokratien zu erfassen.

Das zentrale Argument dieses Projektes lautet: Sowohl die aktive Verbreitung von autokratischen Elementen (intendiert, akteurszentriert) als auch deren Diffusion (unintendiert, neutrale Übertragung) ist autoritären Gravitationszentren zuzuschreiben. Diese definieren wir als Regime, die eine Anziehungs- und Ansteckungskraft auf Staaten in der geopolitischen Nachbarschaft  erzeugen. Die Forschungsfrage ist dabei: Welche Elemente werden aktiv verbreitet, welche Elemente diffundieren und werden übertragen, in welcher Art, Intensität und Effektivität? Welche Mechanismen zwischen dem Gravitationszentrum und den Nachbarn finden statt?

Das Projekt verfolgt drei Ziele: (1) die Erarbeitung eines konzeptionellen Ansatzes zum Verständnis der internationalen Dimension von Autokratien und der Verbreitung autoritärer Elemente; (2) die Identifikation der Quellen, Elemente und Adressaten von Autokratieförderung und -diffusion und das Nachzeichnen der Einflusswege auf der Basis eines eigens entwickelten analytischen Modells; (3) die Anwendung des Modells in einer empirischen Analyse.

Die empirische Analyse wird auf der Grundlage eines cross-regional Vergleichs zwischen dem Nahen Osten, Lateinamerika und Zentralasien durchgeführt. Als die drei autoritären Gravitationszentren sind Saudi-Arabien, Venezuela und Kasachstan identifiziert. Der interregionale Vergleich fokussiert die Einflusswege gegenüber der Nachbarschaft: Autokratieförderung durch das Gravitationszentrum oder Diffusion (unabhängige Variablen), die zur Verankerung autokratischer Elemente (abhängige Variable) in der regionalen Umgebung des Gravitationszentrums führen. Der Untersuchungszeitraum der qualitativen Analyse umfasst die Jahre 2001 bis 2014.

Das Projekt liefert einen konzeptionellen und empirischen Beitrag im Bereich der unterforschten internationalen Dimension von Autokratien sowie Erkenntnisse über die Verbreitungsmechanismen von Autokratien. Das Modell des Gravitationszentrums in einem regionalen Kontext impliziert einen Mehrwert, um die Dynamiken der Autokratisierung zu erklären, verglichen mit bis dato vor allem bilateralen Perspektiven. Ein weiterer Mehrwert des Projekts besteht darin, dass zwei Theorieansätze – aktive Verbreitung und Förderung von Autokratie einerseits und Diffusion andererseits – betrachtet werden. Damit werden Aussagen zu den dominierenden (oder nicht) Einflusswegen und Verbreitungsmechanismen möglich. Diese Theoriesynthese stellt insofern ein Novum dar, als in der Forschung in der Regel entweder akteurszentrierte oder diffusionstheoretische Erklärungsfaktoren Verwendung finden.

Publikationen:

Kneuer, Marianne/Demmelhuber, Thomas/Peresson, Raphael/Zumbrägel, Tobias (2016): Authoritarian Gravity Centres: Exploiting Regional Organizations as Transmission Belts and Learning Rooms. Paper for ECPR’s General Conference. Charles University in Prague, 7-10 September 2016.

Kneuer, Marianne & Demmelhuber, Thomas (2016): Gravity Centres of Authoritarian Rule: A Conceptual Approach, in Democratization, Vol. 23 (5), pp. 775-796.

Kneuer, Marianne & Demmelhuber, Thomas (2015): Gravity Centres of Authoritarian Rule: A Conceptual Approach, in: Democratization, pp. 1-22, online first,[http://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/13510347.2015.1018898].

Kneuer, Marianne & Demmelhuber, Thomas (2015): Authoritarian Gravity Centres: Explaining Regional Clusters of Autocracies in Latin America, the Middle East and Central Asia. Paper for IDCAR’s 2nd conference: Regional Clusters of Authoritarian Diffusion and Cooperation: Interest vs. Ideology? University of Texas at Austin, 2-3 October 2015.

Kneuer, Marianne (2013): Auf der Suche nach Legitimität. Außenpolitik als Legitimationsstrategie autoritärer Systeme. In: Köllner, Patrick/Kailitz, Steffen [Eds.]: Autokratien im Vergleich, PVS-Sonderheft 47, Nomos, Baden-Baden, S. 205-236.

Deutsche Forschungsgemeinschaft, http://gepris.dfg.de/gepris/projekt/276653410, Gefördertes Projekt der DFG

Kontakt: kneuer(at)uni-hildesheim.de

Weitere Informationen rund um das Projekt finden Sie auf dieser Homepage.