Projekt "Gut begleitet in das Erwachsenenleben"

Projektlaufzeit: 09.2016-12.2019 

Übergangsmanagement in und nach stationären Hilfen. Entwicklung & Transfer

In diesem Projekt sollen Handlungsansätze, die sich in der Praxis der Begleitung junger Menschen in stationären Erziehungshilfen im Übergang ins Erwachsenenleben (sog. Care Leaver) besonders bewährt haben, evaluiert und weiterentwickelt werden. Das Projekt wird von der Internationalen Gesellschaft für erzieherische Hilfen e.V. und der Universität Hildesheim gemeinsam mit Partnern aus der Praxis an 3 Modellstandorten durchgeführt; es wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert. Mit dem Projekt werden die vielfältigen Bestrebungen zur Verbesserung der Unterstützung von Care Leavern aufgegriffen und die fachliche Weiterentwicklung des Übergangsmanagements ins Erwachsenenleben in und nach der Kinder- und Jugendhilfe weiterverfolgt. Die Laufzeit beträgt 3 Jahre (September 2016 bis August 2019).

Ziel des Projektes ist, ausgehend von drei Modellen, die als Kernelemente eines inklusiven Übergangsmanagements der Kinder- und Jugendhilfe angesehen werden, schon vorhandene gute Praxis weiterzuentwickeln und diese für einen Transfer in andere Regionen und Standorte aufzubereiten. Das Projekt will die Herausforderungen hinsichtlich eines inklusiven Übergangsmanagements als Aufgabe der Kinder- und Jugendhilfe systematisch aufgreifen und die Begleitung von jungen Erwachsenen im Übergang ins Erwachsenenleben in einem praxisbezogenen Prozess weiterentwickeln. Die Perspektive der Entwicklungs- und Teilhabeplanung, insbesondere mit Blick auf die geplante SGB VIII Reform, ist somit ein Hauptaspekt des Projektes. Dabei soll das Augenmerk durchgängig auch auf der Förderung der Selbstorganisation der Adressat_innen liegen. Idealerweise kooperieren in dem Projekt öffentliche und freie Träger in der Weiterentwicklung ihrer Praxis.

In der Entwicklungsphase (Sept. 2016 bis Feb. 2018) werden an 3 Modellstandorten mit Kooperationspartner_innen aus den Erziehungshilfen (öffentliche und freie Träger) Erfahrungen mit den Übergangsmodellen vor Ort analysiert und weiterentwickelt. In der Transferphase (März 2018 bis August 2019) wird der Praxisentwicklungsprozess an den Standorten fortgeführt und die Ergebnisse der Entwicklungsphase für einen Transfer aufbereitet; z.B. in Form von Arbeitshilfen und Workshops.

Kernelemente guter Praxis

Bei den drei Handlungsansätzen, die im Fokus der Praxisentwicklung an den Modellstandorten stehen sollen, handelt es sich um Übergangsplanung, vernetzte Infrastrukturen für junge Menschen im Übergang bzw. nach dem Hilfeende und die Stärkung der Partizipation und Selbstorganisationen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen in stationären Erziehungshilfen.

1. Weiterentwicklung der Hilfeplanung für Jugendliche/ junge Erwachsene zu einer Übergangsplanung

In diesem Modell steht die Praxis der Hilfeplanung gem. § 36 SGB VIII im Mittelpunkt. Ziel ist es, stärker die Bedarfe von jungen Menschen im Übergang ins Erwachsenenalter zu berücksichtigen und frühzeitig andere Akteur_innen (nachgehende Hilfen, Bildung etc.) an diesem Prozess zu beteiligen. Einzelfallbezogene Übergangspläne könnten das Herzstück des zukünftigen Übergangsmanagements werden. Die Übergangsplanung richtet sich sowohl bei jungen Menschen, die stationäre Hilfen nach den §§ 33, 34 SGB VIII erhalten als auch beim Vorliegen einer seelischen Behinderung im Sinne des § 35a SGB VIII auf eine individuelle und inklusive Ausgestaltung. Eine bedarfsgerechte und lebenslagenbezogene Hilfe steht dabei im Vordergrund.

Dieser Handlungsansatz bezieht sich im Besonderen auf das Jugendamt als wichtigen Akteur in der Steuerung des Hilfeplanungs-Prozesses im Übergang junger Menschen aus stationären Erziehungshilfen ins Erwachsenenleben. Ziel ist, diesen als organischen, am tatsächlichen Entwicklungsstand des Jugendlichen orientierten Prozess zu entwickeln. Auch Nachbetreuung nach dem Auszug bzw. Hilfeende gilt es bedarfsgerecht zu integrieren, damit die jungen Menschen sich in ihrer neuen Lebenssituation festigen können. Eine „Kultur des Wiedersehens“, d.h. eine offene Tür für Care Leaver, die auch nach dem Hilfeende noch Orientierung und Unterstützung brauchen, wäre hierbei ein weiterer wichtiger Aspekt. Wenn eine eigenständige Lebensführung zum Zeitpunkt des geplanten Hilfeendes nicht möglich ist, wird in der Praxis ggf. eine Überleitung des jungen Menschen in ein anderes Hilfesystem organisiert. Ziel des Projektes ist es, diese so zu gestalten, dass persönliche Brüche vermieden werden. Care Leaver würden davon profitieren, wenn die Hilfen zur Erziehung in Deutschland für Jugendliche stärker den gesamten Prozess des Übergangs in den Blick nehmen würden, wie dies z.B. in Großbritannien über sog. „Pathwayplans“ erfolgt. Im Rahmen des Projektes soll eine frühzeitige integrierte Planung des Übergangsprozesses mit Beteiligung von spezialisierten Fachkräften erprobt werden.

2. Vernetzte Infrastruktur - Entwicklung einer sozialraumbezogenen Beratungsinfrastruktur für Jugendliche und junge Volljährige im Übergang

Das zweite Modell greift gemeinwesenorientierte und sozialraumbezogene Ansätze sowie niedrigschwellige Angebote für wohnungslose junge Menschen auf. Erfahrungen von Fachkräften und jungen Menschen selbst belegen den Bedarf eines niedrigschwelligen Beratungs- und Unterstützungsangebot für junge Erwachsene auf kommunaler Ebene, das z.B. auch eine Lotsenfunktion durch das Sozialleistungssystem bietet. Hier sollte ein besonderes Augenmerk auf den jungen Erwachsenen liegen, die vormals durch die Kinder- und Jugendhilfe betreut wurden. Um nahtlose Übergänge zwischen verschiedenen Lebensbereichen wie Ausbildung, Arbeit oder Wohnen bzw. zwischen verschiedenen Hilfesystemen zu gewährleisten, müssen alle beteiligten Akteure wie Träger der Arbeitsverwaltung, Sozialhilfe, Obdachlosenhilfe, Eingliederungshilfe und Jugendhilfe kooperieren. Das junge Erwachsenenalter hält komplexe Entwicklungs-, Bildungs- und Teilhabeaufgaben für Care Leaver bereit, die am besten in einer vernetzten Infrastruktur bearbeitet werden können. Sinnvoll sind Orte, an denen Barrieren im Übergang gemeinsam mit jungen Menschen bearbeitet werden können. Um langwierige bürokratische Prozesse und damit verbundene existenzielle Notlagen für Care Leaver im Übergang zu vermeiden, wäre z.B. eine verbindliche Anwendung der gesetzlich vorhandenen Vorschuss- bzw. Vorleistungsregelungen essentiell. Auch vereinfachte Antragsverfahren und Verfahren für eine einfache wechselseitige Kostenerstattung sowie gemeinsame Pauschalfinanzierungen sind gute Ansatzpunkte zur Vermeidung von Brüchen im Übergang.

3. Partizipation und Selbstorganisation

In der Phase des Leaving Care sind junge Erwachsene besonders auf ein stabiles soziales Netzwerk angewiesen. Auch verlässliche Peernetzwerke leisten einen Beitrag zu gelingenden Übergängen. Das Übergangsmanagement ist bisher vor allem an die Strukturen der Sozialen Dienste angelehnt oder bezieht sich auf Handlungskonzepte z.B. des „case managements“. Internationale Perspektiven belegen, dass die intensive Beteiligung von Care Leavern im Übergang sowie auch von Selbstorganisationen viel Potential für die Weiterentwicklung der Fachpraxis enthält. Care Leaver können z.B. durch Berichte, Beiräte und Stellungnahmen, aber auch durch die Beteiligung an Fortbildungen und Fachtagen zu dem Prozess einer kritischen Reflexion der Übergangspraxis beitragen. Zwar sind in Deutschland Beteiligungsrechte im SGB VIII, z.B. in der Kinder- und Jugendhilfeplanung, verankert, doch Selbstorganisationen von Betroffenen werden kommunal kaum strukturell gestärkt und systematisch eingebunden. Demgegenüber finden sich im Bereich der Behindertenhilfe viele Selbstorganisationen, die bisher aber die Gruppen der jungen Menschen mit seelischen Behinderungen (§ 35a SGB VIII) kaum mitvertreten.

Im Rahmen des Projektes sollen in einer Kommune, in der bereits mit Care Leaver Organisationen (regionale Netzwerke, Careleaver e. V., Ehemaligenorganisationen etc.) zusammengearbeitet wird, „Peergroups“ im Sinne einer partizipativen Vorbereitung systematisch als Ressource in die Übergangsbegleitung einbezogen werden. Schon bestehenden Selbstvertretungsnetzwerke der „Care Leaver“ und Selbstorganisationen der Behindertenhilfe werden in diesen Prozess eingebunden.

Forderungsbeutel

Kontakt

IGfH:

Britta Sievers: britta.sievers@igfh.de

Katharina Steinhauer: katharina.steinhauer@igfh.de

Uni Hildesheim:

Dr. Severine Thomas: severine.thomas@uni-hildesheim.de

Carolin Ehlke: carolin.ehlke@uni-hildesheim.de

Weitere Infos zu Care Leaver Projekten des Instituts für Sozial- und Organisationspädagogik finden Sie unter www.forschungsnetzwerk-erziehungshilfen.de

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