Der deutsche Bundestag und die europäische Integration im Lichte der "Eurokrise"


Europagespräche des Instituts für Geschichte, Stiftung Universität Hildesheim


11.12.2013 - Bernhard Brinkmann: Der Deutsche Bundestag und die europäische Integration im Lichte der „Eurokrise“


Zum Referenten: Bernhard Brinkmann war seit 1998 (bis 2014) direkt gewählter SPD-Abgeordneter des Wahlkreises Hildesheim im Deutschen Bundestag, wo er im Haushaltsausschuss, im Rechnungsprüfungs- sowie im Verteidigungsausschuss aktiv war. Er gehörte darüber hinaus vielen Parlaments- und Fraktionsgruppen an, u.a. den Arbeitsgruppen Kommunalpolitik, bürgerschaftliches Engagement, der AWO sowie dem Gesprächskreis Israel und dem Seeheimer Kreis.

Bernhard Brinkmann war und ist seit Jahrzehnten kommunalpolitisch aktiv. Er ist SPD-Unterbezirksvorsitzender Hildesheim, Mitglied des Gemeinderates und stellvertretender Bürgermeister der Gemeinde Schellerten sowie aktiv in der SPD-Kreistagsfraktion Hildesheim tätig. Hinzu kommen zahlreiche Mitgliedschaften in Vereinen und Verbänden in Hildesheim und Umgebung.
Weitere Informationen unter: www.spd-landesgruppe-niedersachsen.de

Der Referent beginnt seinen Vortrag mit einem Rückblick.

Geboren im Jahr 1952 habe ich einen Krieg nicht miterleben müssen. Fast sieben Jahrzehnte können wir in Europa auf Frieden zurückblicken. Aus ehemaligen Erzfeinden sind Freunde geworden. Doch negative Äußerungen aus der Bevölkerung über das heutige Europa sind immer ernst zu nehmen; es gibt Gründe für diese Äußerungen. Vergessen sollten wir nie, dass Deutschland nach 1945 geholfen wurde, sich aus einem geschundenen Land bis zu dem wirtschaftlich stärksten Land in Europa, in der Welt zu entwickeln. Scheinbar ist aber eine negative Berichterstattung in Deutschland wichtiger als über unsere gemeinsamen Erfolge zu sprechen. Das ist auch eine Kernfrage bei der Bewertung Europas und bei der Lösung von Krisen.

Ich zitiere Bundeskanzler a.D. Helmut Schmidt, der Folgendes vor der SPD-Bundesfraktion sagte: „… Dank der weitgehenden Vorarbeit durch Jacques Delors … haben Mitterand und Kohl 1991 in Maastricht die gemeinsame Euro-Währung ins Leben gerufen… Zugrunde lag abermals die französische Besorgnis vor einem übermächtigen Deutschland, genauer gesagt vor einer übermächtigen D-Mark. Inzwischen ist der Euro zur zweitwichtigsten Währung der Weltwirtschaft geworden. Diese europäische Währung ist nach innen wie auch im Außenverhältnis bisher stabiler als der amerikanische Dollar und stabiler als die D-Mark in ihren letzten zehn Jahren gewesen ist. Alles Gerede und Geschreibe über eine angebliche Krise des Euros ist leichtfertiges Gerede und trägt nicht zu einer höheren Akzeptanz der Gemeinschaftswährung bei. Seit Maastricht 1991/1992 hat sich aber die Welt gewaltig verändert. Wir haben die Befreiung der Nationen im Osten Europas und die Implosion der Sowjetunion erlebt, wir erleben den phänomenalen Aufstieg Chinas, Indiens, Brasiliens und anderer Schwellenländer, die man früher pauschal Dritte Welt genannt hat. Gleichzeitig haben sich die realen Volkswirtschaften größter Teile der Welt globalisiert, auf Deutsch, fast alle Staaten der Welt hängen voneinander ab. Vor allem haben die Akteure auf den globalisierten Finanzmärkten sich eine einstweilen ganz unkontrollierte Macht angeeignet.“

Und damit fing die Krise an. Wie steht es denn eigentlich mit der Verschuldung in Deutschland? Sind wir in der Lage das nachhaltig mit höheren Zinsen zu beheben als heute? Sind wir irgendwann in der Lage, diese Schulden überhaupt zurückzuzahlen? Dieses Gebot des ehrbaren Kaufmanns wurde bereits unter Finanzminister Alex Möller (Rücktritt 12.5.1971) und unter Bundeskanzler Helmut Schmidt durch die Verabschiedung eines negativen Bundeshaushaltes verlassen. Die Verschuldungsanhäufung des Bundes hat bis heute zu 1,3 Billionen Euro Schulden geführt. Nicht zu vergessen, dass wir seit 1990 für den Solidarpakt der Wiedervereinigung bis 2019 zusätzlich 65 Milliarden Euro jährlich aufbringen müssen. Nebenbei finanziert. Keine andere Volkswirtschaft in der Welt hat diese Sonderleistung zu erbringen.


Wie ist es zu dieser Krise gekommen? Fehler haben unter anderem die Banken gemacht, z. B. hat Lehmann Brothers nicht korrekt beraten bzw. die Beratungsprotokolle waren nicht vorhanden, Immobilien wurden oberhalb der Verkehrswerte finanziert und es wurden Kredite gewährt, die nicht unbedingt den Geboten eines ehrbaren Kaufmanns gerecht wurden, deren Zurückzahlung nicht abgesichert war. Die Immobilien konnten auch nicht mehr veräußert werden. Dann schwappte die Welle über und der Knall war vorhersehbar. Niemand auf der Welt hat das ernst genommen. Griechenland, Portugal, Spanien, Irland (ehemaliges Vorzeigeland für Wirtschaft und Wachstum) und Island entwickelten sich zu Risikoländern. Frau Merkel und Herr Steinbrück beruhigten die deutschen Sparerinnen und Sparer, denn in England wurde das Geld bereits von den Banken abgeholt. Das ist in Deutschland nicht eingetreten.

Im März 2013 gab es im deutschen Bundestag eine von der Öffentlichkeit nicht wahrgenommene Debatte. Es ging darum: Kann eine Bundesregierung, die EU-Kommission, Regierungschefs, Finanzminister und zum Teil auch die Außenminister über solche Fragen alleine entscheiden, ohne das Parlament zu beteiligen? Zu 90% war sich der Bundestag einig, da gehen wir gemeinsam ran. Natürlich geht es ohne Parlamentsbeteiligung nicht. Karlsruhe hat schnell entschieden, dass ohne das Parlament und ohne den Haushaltsausschuss bei Bürgschaftszusagen und auch weiteren Entscheidungen nichts läuft und das Parlament dabei zeitnah zu informieren ist.

Die Frage war aber immer: Gibt es dazu eine Alternative? Griechenland war der Musterfall. Im Haushaltsauschuss war eine bestimmte Gruppe dabei, die sagten, die lassen wir jetzt gegen die Wand laufen. Natürlich kann man auch mit einem Land der EU in dieser Frage ein Exempel statuieren, man kann auch mal eine Bank gegen die Wand laufen lassen, aber dann sich auch die Ersparnisse weg. Man kann auch ein Land gegen die Wand laufen lassen, aber das wäre dann der sogenannte „Präzedenzfall“ und zöge andere Länder nach. Portugal, Spanien und Frankreich wären die nächsten EU-Staaten gewesen. Schauen sie sich Frankreich an; Hollande muss jetzt Reformen anfassen, die versäumt wurden. Wir Deutschen haben Reformen gemacht, Stichwort Agenda 2010, die auch nicht alle richtig waren, aber was da gemacht worden ist, hat dazu geführt, dass wir die Lokomotive Europas sind.

Wir haben dann das EUZBBG (Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union) schnell auf den Weg gebracht. Es trat im Juli 2013 in Kraft. Das Bewusstsein der Abgeordneten, insbesondere in europäischen Angelegenheiten, wurde stetig weiterentwickelt. Man muss bedenken: für keine dieser europäischen zentralen Fragen, wie Rettungsschirme, Bürgschaften, ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus), ESFS (Europäisches Finanzaufsichtssystem - European System of Financial Supervision) hatte die Regierung Merkel/Westerwelle/Rösler eine eigene Mehrheit. Die Sozialdemokraten haben den Entscheidungen immer zugestimmt. Darauf können wir stolz sein, sonst wäre die Regierung am Ende gewesen. Es ging hier um die Sache, das Wohl der Menschen, unser Land, das friedliche Europa und auch um die anderen europäischen Mitgliedsstaaten, die von unseren Exportmöglichkeiten profitieren.


Wenn man über Soziales in Deutschland völlig zurecht diskutiert, muss man bei allen Problemen daraufhin weisen: Von den 300 Milliarden Euro Bundeshaushalt fließen 68 Prozent in den Bereich der Sozialpolitik. Im Haushaltsplanentwurf 2014 fließen 85 Milliarden Euro als Steuerzuschuss in die gesetzliche Rentenversicherung. Bei unserer demographischen Entwicklung werden die Menschen immer älter, daher werden wir in den nächsten Jahren die Schallmauer von 100 Milliarden Euro erreichen. Das ist nur ein Ausgabenposten, und ich möchte den Politiker sehen, der sich traut diesen Zuschuss zu kürzen. Über 23 Millionen Rentnerinnen und Rentner haben diesen Staat aufgebaut, eine Kürzung ihrer Rente wäre politischer Selbstmord. Der jungen Generation muss gesagt werden, dass diese Zukunftsfragen zukünftig nicht mehr allein national, sondern europäisch und international zu lösen sind.


Im Koalitionsvertrag steht Folgendes: „Das Europäische Einigungswerk bleibt die wichtigste Aufgabe Deutschlands. … In dieser Umbruchphase ist Deutschland als wirtschaftlicher starker Mitgliedsstaat und Stabilitätsanker in eine gewachsene Verantwortung hineingewachsen und besonderen Erwartungen seiner Partner ausgesetzt. … Dabei muss auch der Deutsche Bundestag eine führende Rolle einnehmen.“

Es wird noch viele Jahre dauern, bevor diese aus Überschuldung entstandene Finanzkrise, man kann auch sagen Geldvernichtungsmaschine, im Griff ist. Ich wundere mich ohnehin, wie man bei 1,9 Prozent für einen Kredit all das leisten kann, was an Nebenkosten für ein Geldinstitut zu leisten ist. Dieses Risiko der geringeren Zinsleistung ändert sich hoffentlich über Nacht nicht so, dass aus 40 Milliarden Euro Zinsleistung, mit einem Zinssatz von 2 Prozent belastet, über Nacht 80 Milliarden werden, denn auch 4 Prozent ist immer noch ein hervorragender Schuldzins. Die Gefahr der Zinssteigerung besteht allerdings nachhaltig. Ab 2016 gibt es in Deutschland die Schuldenbremse; Schulden über 0,3 Prozent BIP sind nur bei Naturkatastrophen vorgesehen. Das ist insbesondere auch als ein Erfolg der großen Koalition 2005 und 2009 zu werten.

Eine Refinanzierung muss für unsere Volkswirtschaft grundsätzlich sichergestellt werden. Eine Herkulesaufgabe auch für den 18. Deutschen Bundestag. Frankreich und Deutschland haben dabei eine führende Rolle.

Es gibt viel zutun, packen wir es gemeinsam an! Dazu werden stabile politische Mehrheiten benötigt, die schnelle Problemlösungen finden. Das können dünne Mehrheiten nicht umsetzen.



Diskussion


Diskussionsbeitrag: Sie haben gesagt, dass Deutschland das wirtschaftlich stärkste Land nicht nur in Europa ist, sondern in der Welt und haben darauf hingewiesen, dass in einigen Ländern Europas dringend Reformen durchgeführt werden müssen. Was müssen Krisenstaaten lernen? Auf welchem Gebiet können sie von Deutschland lernen und könnte Deutschland nicht Experten entsenden?

Antwort: Es gibt Gespräche, es gibt „Experten“ außerhalb der Troika, die nicht nur Aufsicht führen, sondern auch Ratschläge geben und auch auf den Tisch hauen. Aber so den Lehrmeister spielen, wie die Westdeutschen in der ehemaligen DDR, das lehne ich ab. Ich halte mehr davon, sich mit den europäischen Parlamentskollegen auszutauschen, ohne als Oberlehrer zu wirken. Sonst geht das schief. Das hängt uns immer noch ein bisschen nach – denken Sie daran, wer die größten Bauchschmerzen bei der deutschen Wiedervereinigung hatte. Das waren die Engländer, Franzosen und auch die Italiener. Die können ja vielleicht bereit sein, sich bei uns etwas abzuschauen, aber Reformen dauern mindestens eine Generation oder zwei. Also besser Strukturen schaffen und die Denke in den Köpfen der Menschen in den Krisenstaaten verändern, unten an der Basis anfangen und mit jungen Leuten diskutieren. Eine Steuerehrlichkeit von über 90 Prozent im Geschäftsleben muss das Ziel sein.


Diskussionsbeitrag: Provoziert Deutschland die Krise? Ist Deutschland ein Nutznießer dieser Krise? Findet es in dieser Europäischen Union - wegen der Ungleichgewichte - eine Akzeptanz? Ich habe den Eindruck, dass in Deutschland die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden. Deutschland ist wirtschaftlich so stark - welches Land sollte das denn sonst ändern?
Antwort: Ich glaube, Armut in Griechenland ist anders als in Deutschland, viel schlimmer. Das kann man europäisch nicht regeln. Im gesamten Sozialgefüge existiert keine einheitliche Regelung. Wir haben selbst im Moment noch andere Fördermöglichkeiten in den neuen Ländern als in den alten Bundesländern. Aber das ist Gesetz, aus der Einheit geboren. Eine absolute Gerechtigkeit wird es nicht geben. Wenn man einen kleinen Prozentsatz sehr vermögender Leute etwas mehr zur Kasse bitten würde - ich bin mir fast sicher, dass die dazu bereit sind, wenn man mit ihnen verabreden könnte, was mit diesem Geld gemacht wird, wenn es zum Beispiel eine Investition in unsere wichtigste Ressource Bildung gebe.


Diskussionsbeitrag: Erinnerungen an Wegbegleiter: Wie sehen sie Peer Steinbrück? Wie sehen sie ihn als Kanzlerkandidaten? War er der richtige?

Antwort: Ich habe in vielen Sitzungen Peer Steinbrück als Finanzminister kennen- und schätzen gelernt. Bei einem Auftritt in Hildesheim hat Peer Steinbrück nicht nur bei Sozialdemokraten, sondern auch Zuhörern mit konservativen und freidemokratischen Hintergründen einen blendenden Eindruck hinterlassen. Aber wenn Minister oder Kanzlerkandidaten die Medien - auch aufgrund von eigenen Fehlern - gegen sich haben, dann sind sie klinisch tot. Da können Sie machen, was sie wollen. Charisma und das Auftreten und eine in sich geschlossene Partei, eine völlig am Boden liegende FDP waren weitere Wahleinflussfaktoren bei der Bundestagswahl 2013.


Diskussionsbeitrag: Kennen Sie Zahlen zu den Verlusten der Versicherungsbranche in der Krise, wegen der Wertverluste der Staatsanleihen in Griechenland, Italien und Spanien?

Antwort: Diese Niedrigzinsphase, die schon sehr lange anhält, hat zur Folge, dass im Bereich der gesamten Anlagenpolitik, die Rechnung nicht aufgeht. Pensionsrückstellungen, die gebildet worden sind, und entsprechende Pensionsfonds müssen ständig nachschießen, weil mit 3 ½ oder 4 ½ Prozent kalkuliert wurde, aber heute maximal 1,2 oder 1,3 Prozent gezahlt werden können. Der ERGO-Konzern spricht davon, dass bei den fällig werdenden Auszahlungen um 40 bis 50 Milliarden Euro verbrannt worden sind.


Diskussionsbeitrag: Der Koalitionsvertrag hat aus meiner Sicht ein großes Manko - er beinhaltet keine Steuerreform. Steuerreform heißt in Deutschland notwendigerweise Gerechtigkeit, die abhandengekommen ist. Bei den Rentnern wird alles erfasst - in der Großindustrie gibt es viele Steuerschlupflöcher. Es geht eine Menge Geld verloren und es könnte als Aufforderung verstanden werde, Steuern zu hinterziehen. Ich hätte mir gewünscht, dass man das in einer großen Koalition behandelt.

Antwort: Die steuerliche Debatte und die steuerpolitischen Fragen sind eine dreistündige Veranstaltung wert. Steuergerechtigkeit setzt Steuerehrlichkeit voraus. Bei der tragenden Säule der deutschen Wirtschaft - Handwerk und Mittelstand - läuft es zu einem hohen Prozentsatz steuerehrlich.
Der Vorschlag, alle steuerlichen Subventionen zu streichen - wie beim Bierdeckel von Friedrich Merz - ist schwierig. Schnell haben uns viele gesagt, was nicht geht. Der Aufschrei in der Bevölkerung war riesig. Das Steuervergünstigungsabbaugesetz aus dem Jahr 2002 war eine Konjunkturbelebung. Allerdings hat es nicht maßgeblich zur steuerlichen Gerechtigkeit beigetragen.

Steuerfragen bekommen Sie mit einer große Koalition am besten hin. Aber bei dem größeren Koalitionspartner ist da die Motivation zurzeit nicht besonders hoch. 10 Prozent der oberen Einkommensbezieher zahlen 60 Prozent der Steuern in Deutschland (Quelle: Institut der deutschen Wirtschaft). Die Gerechtigkeitsfrage ist damit aber nicht beantwortet, sondern nur, was in die Kasse kommt.

Eine Steuerreform führt auch immer zu einer ausufernden Bürokratie. Es hat fast 1½ Jahre gedauert bis wir das Spendenrecht neu geregelt haben. Dann haben sie irgendwann wieder ein Bündel an Ausnahmetatbeständen, und die führen auch zu Steuermindereinnahmen des Staates - siehe die Umsatzsteuersatzänderung von 19 auf 7 Prozent für Hotelübernachtungen.


Diskussionsbeitrag: Wir haben eine Währung mit 16 verschiedenen Wurzeln, das ist ein Problem. Wie stelle ich mir die Zukunft Europas vor? In den Ländern, die wenige Reformen durchgeführt haben, müssen wir Europäer versuchen, mit Geduld und Toleranz für die kleinen Leute geneinsam eine Lösung zu finden. Ich sehe in diesem Europa im Moment keine Demokratie, ich sehe keinen starken Präsidenten. Die Regierungschefs machen, was sie wollen. Ich würde mir wünschen, dass die Banken geprüft werden. Sie haben diese Krise verursacht.

Antwort: Es ist mittlerweile unstrittig in Europa, dass es eine europäische Bankenaufsicht geben muss. Wo Fehler stattgefunden haben, müssen die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Im Moment hat man unterschiedliche Auffassungen, wo denn der Sitz dieser europäischen Bankenaufsicht sein könnte.

Natürlich hat in Frankreich ein Staatspräsident andere Möglichkeiten als eine Bundeskanzlerin in Deutschland. Hier geht ein Stück Macht von Berlin aus, aber auch von Kiel, München etc. Trotzdem ist das föderale System gut, aber nur solange wie es – vergleichbar Europa – nicht reiche Bundesländer gibt und sehr arme.


Diskussionsbeitrag: Ich fände es interessant alle Steuer-Subventionen zu überprüfen und zu fragen, welche davon wirklich noch berechtigt sind. Viele sind dabei, die nicht mehr zeitgemäß sind.
Antwort: Die Koch-Steinbrück-Liste umfasste um die 100 Subventionen. Ich gebe nur ein Beispiel. Punkt eins war - 8,5 Milliarden Euro: Streichung der Eigenheimzulage. Das hat eine Rolle gespielt im Bundestagswahlkampf 2005. Subventionsabbau wäre eine große historische Chance für die jetzige große Koalition.


Diskussionsbeitrag: Wie gehen Parteien mit der Parteienfinanzierung und dem Lobbyismus um? Wie spürbar ist die Politikerverdrossenheit in Berlin?
Antwort: Hohe Spenden aus der Wirtschaft erhalten alle Parteien auf Bundesebene. Der Bundestagspräsident prüft und veröffentlicht die Zahlen. Es wird zum Problem, wenn es den Geruch einer Vorteilsannahme erreicht. Die Grenzen sind bezüglich dem geldwerten Vorteil bekannt. Die Prüfungen und Kontrollmöglichkeiten haben sich erheblich verbessert. Missbräuche bei Bewirtungsrechnungen und Bonusmeilen sind aufgeflogen.

Wenn Kollegen in die private Wirtschaft wechseln, ist das zu akzeptieren. Wer seinen Traumjob in der Politik aufgibt und in die private Wirtschaft wechselt, dem wünsche ich persönlich alles Gute. Ich hatte ebenfalls Angebote aus der Wirtschaft, hätte aber mich nie einem Verdacht von Wirtschaftsnähe oder Lobbyismus ausgesetzt.


Diskussionsbeitrag: Wie war das Verhältnis zwischen Europaabgeordneten und Bundestagsabgeordneten? Wie gestaltet sich die zukünftige Perspektive zwischen dem europäischen und nationalen Parlamentarismus? Man sieht ein Parlament in Brüssel und Straßburg, das in den letzten Jahren immer mehr Kompetenzen bekommen hat, aber immer weniger Zustimmung.
Antwort: Es hat zwei Jahrzehnte einen politischen Kardinalfehler gegeben: Man hat die Menschen nicht informiert. Aber 70 Prozent dessen, was der Deutsche Bundestag zu entscheiden hat, ist durch eine Richtlinie aus Brüssel oder Straßburg bestimmt worden, und die ist umzusetzen. Wir machen das eins zu eins, eher noch ein bisschen besser. Andere europäische Staaten machen das so, wie sie es für richtig halten. Im Hinblick auf Transparenz und Information muss noch eine Menge passieren. Die Medien spielen eine entscheidende Rolle; sie müssen die europäischen Zusammenhänge in den Fokus der Öffentlichkeit stellen. Das wird in den europäischen Nationalstaaten aber unterschiedlich gesehen. Auch EU-Förderungen müssen besser überprüft und sinnvoll ein- und umgesetzt werden.

 

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